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Grundzüge der Rechtsphilosophie und der Juristischen Methoden ...

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Zu Engisch<br />

Karl Engisch (1899 - 1990), nach dem 2. Weltkrieg Nachfolger Gustav Radbruchs (<strong>der</strong> 1933<br />

von den Nazis entlassen worden war) auf dem Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozeßrecht<br />

<strong>und</strong> <strong>Rechtsphilosophie</strong> in Heidelberg, ab 1953 Professor in München bis zur Emeritierung<br />

1967. Seine „Einführung in das juristische Denken“ (1956) liegt inzwischen in <strong>der</strong> 10. Auflage<br />

(2004) vor. Geradezu sprichwörtlich geworden ist eine Metapher, die er in seinen „Logischen<br />

Studien zur Gesetzesanwendung“ (1943) geprägt hat: das Bild vom „Hin- <strong>und</strong> Herwan<strong>der</strong>n<br />

des Blickes“ zwischen Gesetz <strong>und</strong> Lebenssachverhalt (3. Aufl. 1963, S. 15).<br />

Zu Gadamer<br />

Hans-Georg Gadamer (1900 - 2002) hat mit „Wahrheit <strong>und</strong> Methode“ (1960) ein weltweit<br />

beachtetes Standardwerk <strong>der</strong> allgemeinen Hermeneutik publiziert, dessen Titel als Leitsatz<br />

seiner Lehre formulierbar ist: Wahrheit ist keine Frage <strong>der</strong> Methode, <strong>und</strong> zwar in all jenen<br />

„geisteswissenschaftlichen“ Disziplinen nicht, die man mit Gadamer „hermeneutische“ nennen<br />

kann. Zu ihnen gehören nicht nur traditionelle hermeneutische Disziplinen wie Theologie,<br />

Jurisprudenz <strong>und</strong> Philosophie, son<strong>der</strong>n auch Geschichte, insbeson<strong>der</strong>e Kunst- <strong>und</strong> Philosophiegeschichte,<br />

Ästhetik im speziellen <strong>und</strong> Philosophie im allgemeinen. Wahrheit ist<br />

dort eine Frage des Verstehens <strong>und</strong> <strong>der</strong> Verständigung. Verstehen bedeutet dabei, jede Aussage<br />

als Antwort auf eine bestimmte Frage zu verstehen („hermeneutischer Vorrang <strong>der</strong> Frage“).<br />

Die juristische Hermeneutik ist hier für Gadamer von „exemplarischer Bedeutung“<br />

gewesen. Josef Essers „Vorverständnis <strong>und</strong> <strong>Methoden</strong>wahl in <strong>der</strong> Rechtsfindung“ (1970)<br />

konnte gerade deshalb gut an Gadamer anknüpfen.<br />

Im Rückblick auf die Philosophie <strong>der</strong> Griechen, insbeson<strong>der</strong>e auf das sokratische Wissen um<br />

das Nichtwissen liefert Gadamer zugleich ein schönes Beispiel für die Verbindung von<br />

<strong>Rechtsphilosophie</strong> <strong>und</strong> Juristischer <strong>Methoden</strong>lehre: „Es gehört zu den größten Einsichten,<br />

die uns die platonische Sokratesdarstellung vermittelt, daß das Fragen – ganz im Gegensatz<br />

zu <strong>der</strong> allgemeinen Meinung – schwerer ist als das Antworten. Wenn die Partner des sokratischen<br />

Gesprächs, um Antworten auf die lästigen Fragen des Sokrates verlegen, den Spieß<br />

umdrehen wollen <strong>und</strong> ihrerseits die vermeintlich vorteilhafte Rolle des Fragers beanspruchen,<br />

dann scheitern sie damit erst recht. Hinter diesem Komödienmotiv <strong>der</strong> platonischen<br />

Dialoge steckt die kritische Unterscheidung zwischen eigentlicher <strong>und</strong> uneigentlicher Rede.<br />

Wer im Reden nur das Rechthaben sucht <strong>und</strong> nicht die Einsicht in eine Sache, wird freilich<br />

das Fragen für leichter halten als das Antworten. Dabei droht ja nicht die Gefahr, einer Frage<br />

die Antwort schuldig zu bleiben. In Wahrheit zeigt sich aber am neuerlichen Versagen des<br />

Partners, daß <strong>der</strong> überhaupt nicht fragen kann, <strong>der</strong> alles besser zu wissen meint. Um fragen<br />

zu können, muß man wissen wollen, d.h. aber: wissen, daß man nicht weiß. In <strong>der</strong> komödienhaften<br />

Vertauschung von Fragen <strong>und</strong> Antworten, Wissen <strong>und</strong> Nichtwissen, die Plato<br />

uns schil<strong>der</strong>t, kommt mithin die Vorgängigkeit <strong>der</strong> Frage für alles sacherschließende Erkennen<br />

<strong>und</strong> Reden zur Anerkennung. Ein Reden, das eine Sache aufschließen soll, bedarf des<br />

Aufbrechens <strong>der</strong> Sache durch die Frage. Aus diesem Gr<strong>und</strong>e ist die Vollzugsweise <strong>der</strong> Dialektik<br />

das Fragen <strong>und</strong> Antworten, o<strong>der</strong> besser, <strong>der</strong> Durchgang alles Wissens durch die Frage.<br />

Fragen heißt ins Offene stellen. Die Offenheit des Gefragten besteht in dem<br />

Nichtfestgelegtsein <strong>der</strong> Antwort. Das Gefragte muß für den feststellenden <strong>und</strong> entscheidenden<br />

Spruch noch in <strong>der</strong> Schwebe sein. Das macht den Sinn des Fragens aus, das Gefragte so<br />

in seiner Fraglichkeit offenzulegen. Es muß in die Schwebe gebracht werden, so daß dem Pro<br />

das Contra das Gleichgewicht hält. Jede Frage vollendet erst ihren Sinn im Durchgang durch<br />

solche Schwebe, in <strong>der</strong> sie eine offene Frage wird. Jede echte Frage verlangt diese Offenheit.<br />

Fehlt ihr dieselbe, so ist sie im Gr<strong>und</strong>e eine Scheinfrage, die keinen echten Fragesinn hat“.<br />

(Gesammelte Werke 1, 1999, S. 368 f.).<br />

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