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Grundzüge der Rechtsphilosophie und der Juristischen Methoden ...

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Wird <strong>der</strong> Gesellschaftsvertrag im Hobbesschen Gedankenexperiment geschlossen, um den<br />

Staat als Friedensordnung zu legitimieren, liegt die Legitimationsleistung des Vertragsschlusses<br />

bei Jean-Jacques Rousseau in <strong>der</strong> Errichtung des Staates als Freiheitsordnung. Der<br />

im „Contrat Social“ (1762) entwickelte, für Kant <strong>und</strong> Hegel wegweisende Freiheitsbegriff ist<br />

allerdings mit <strong>der</strong> herkömmlichen, liberal-rechtsstaatlichen Vorstellung individueller Handlungsspielräume<br />

empirischer Subjekte nicht zu erfassen. In guter sokratischer Tradition sollte<br />

man ihn von <strong>der</strong> Fragestellung her zu verstehen versuchen. Sie besteht darin, eine Form<br />

des Zusammenschlusses („association“) zu finden, die nicht nur die jeweiligen Eigeninteressen<br />

<strong>der</strong> Vertragsschließenden (durch <strong>der</strong>en bloße „aggregation“) schützt, son<strong>der</strong>n in <strong>der</strong><br />

„je<strong>der</strong>, indem er sich mit allen vereinigt, nur sich selbst gehorcht <strong>und</strong> genauso frei bleibt wie<br />

zuvor“ (Contrat Social, I 6). Der Bürger eines solchen (wie<strong>der</strong>um fingierten) Vertragsschlusses<br />

kann nicht <strong>der</strong> lediglich auf seine individuelle Freiheit fixierte „bourgeois“ sein, son<strong>der</strong>n<br />

nur <strong>der</strong> am generellen Freiheitsinteresse orientierte „citoyen“, <strong>der</strong> im gemeinsamen Bestreben,<br />

eine allgemeine Freiheitsordnung zu etablieren (das ist die unübersetzbare „volonté<br />

générale“), die legitimatorische Einheit des Volkes („peuple“) <strong>und</strong> mit ihr die cité –<br />

Rousseaus Begriff für Republik – hervorbringt: „Les citoyens font la cité“.<br />

Zur Freiheit bei Kant <strong>und</strong> Hegel<br />

Kant folgt Rousseau in <strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>konzeption <strong>der</strong> Freiheit als Gehorsam gegenüber dem<br />

selbstgegebenen Gesetz. An die Stelle des citoyen, <strong>der</strong> den staatskonstituierenden Vertrag<br />

aus einem im klassischen Sinne politischen o<strong>der</strong> republikanischen Interesse an allgemeiner<br />

Freiheit schließt, tritt nun aber die moralische Persönlichkeit. „Moralisch“ ist sie nicht als<br />

empirischer, von sinnlichen Neigungen <strong>und</strong> Antrieben motivierter Mensch („homo phaenomenon“),<br />

son<strong>der</strong>n als apriorisches, aller Erfahrung vorausliegendes Subjekt <strong>der</strong> Moralität<br />

(„homo noumenon“) unter <strong>der</strong> „regulativen Idee“ <strong>der</strong> Freiheit als einem „reinen Vernunftbegriff“.<br />

Die Unterscheidung zwischen <strong>der</strong> empirischen <strong>und</strong> <strong>der</strong> nicht-empirischen (metaphysischen<br />

o<strong>der</strong> – bei Kant synonym – transzendentalen) Dimension des Menschseins ist in<br />

keinem an<strong>der</strong>en philosophischen System so kategorial wie im kantischen. Deshalb müssen<br />

auch die beiden Freiheitsdimensionen strikt auseinan<strong>der</strong>gehalten werden: „Innere“ Freiheit<br />

ist das einzige „angeborne“, dem Vernunftmenschen „kraft seiner Menschheit“ zustehende<br />

Recht (im Singular), während „die Rechte“ (im Plural) solche des Sinnenmenschen in den<br />

„äußeren“ Freiheitsverhältnissen des Rechts sind. Als Idee <strong>der</strong> „reinen“ Vernunft wirkt die<br />

Freiheit moralischer Persönlichkeiten unter selbstgegebenen Gesetzen für eine empirische<br />

Rechtslehre regulativ – wie ein Leitstern: § 1 III 2 –, nicht aber konstitutiv.<br />

Dieser dualistischen Konzeption einer inneren, <strong>der</strong> Vernunft verpflichteten Moralität einerseits<br />

<strong>und</strong> einer äußeren, unter empirischen Bedingungen stehenden Legalität an<strong>der</strong>erseits<br />

setzt Hegel eine dialektische Konzeption entgegen, in <strong>der</strong> die Sozialität des Menschen konstitutiv<br />

für die „Wirklichkeit <strong>der</strong> konkreten Freiheit“ im Staat wird (Hegel, Gr<strong>und</strong>linien <strong>der</strong><br />

Philosophie des Rechts, 1821, § 260). „Konkret“ wird die Freiheit, indem die bei Kant selbständigen<br />

Elemente <strong>der</strong> Legalität <strong>und</strong> <strong>der</strong> Moralität zu „Momenten“ des Freiheitsbegriffs –<br />

das heißt hegelisch: zu nicht-isolierbaren Eigentümlichkeiten eines dialektischen Ganzen –<br />

werden, <strong>der</strong> sowohl das äußere („abstrakte“) Recht als auch die innere („subjektive“) Moralität<br />

umfaßt, diese beiden Momente aber im Prinzip <strong>der</strong> objektiven, in den Institutionen des<br />

(„sittlichen“) Staates verwirklichten <strong>und</strong> in ihrer Allgemeinheit gewollten Freiheit „aufhebt“<br />

(in <strong>der</strong> bekannten Bedeutung des Höherhebens auf eine begriffliche Ebene, auf <strong>der</strong> die Gegensätze<br />

sowohl aufbewahrt als auch überw<strong>und</strong>en sind). Die dafür erfor<strong>der</strong>liche „politische<br />

Gesinnung“ <strong>und</strong> das „zur Gewohnheit gewordene Wollen“, die Idee <strong>der</strong> Freiheit als „Resultat<br />

<strong>der</strong> im Staate bestehenden Institutionen“ zu verwirklichen (§ 268), weisen Hegels Freiheitsphilosophie<br />

ebenso als Fortschreibung <strong>der</strong> Republiklehre Rousseaus aus wie die Rede<br />

vom „politischen Staat“ als „Einheit <strong>der</strong> sich wollenden <strong>und</strong> wissenden Freiheit“ (§ 267, Zusatz).<br />

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