forward ever â backward never«. - Die Linke
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hat den kleineren Völkerschaften große<br />
Fortschritte in der wirtschaftlichen, sozialen<br />
und kulturellen Entwicklung der<br />
Menschen und ihrer Siedlungsgebiete<br />
gebracht. Ihre Lebensweise ist mit der<br />
Zeit vor 1949 nicht mehr zu vergleichen.<br />
Das ist unter anderem das Ergebnis der<br />
politischen und sozialen Umwälzung<br />
der Verhältnisse in ganz China seit<br />
1949, die das gesamte Land, auch die<br />
Gebiete aller nationalen Minderheiten,<br />
darunter Tibet erfasste. In ihrem Verlauf<br />
wurden die feudalen Verhältnisse<br />
gestürzt, wurden Millionen Menschen<br />
aus extremer Armut, Analphabetentum<br />
und sklavenähnlichen Lebensbedingungen<br />
befreit.<br />
Gewaltsame Übergriffe<br />
Scharf zu verurteilen sind die gewaltsamen<br />
Übergriffe gegen Religion und<br />
Kultur im China der »Kulturrevolution«<br />
der 60er und 70er Jahre, die das ganze<br />
Land betrafen, aber in den autonomen<br />
Regionen der nationalen Minderheiten<br />
besonders großen Schaden anrichteten<br />
und zahlreiche Opfer forderten. Sie<br />
werden heute in China offi ziell verurteilt.<br />
Zahlreiche Klöster und Tempel in<br />
Tibet sind wieder errichtet worden. Tibet<br />
zählt heute 46.000 praktizierende<br />
Mönche. Übereinstimmend berichten<br />
Augenzeugen, dass junge Männer zunehmend<br />
dem abgeschiedenen Klosterleben<br />
ein Studium vorziehen, um<br />
die sich bietenden neuen Lebenschancen<br />
wahrzunehmen.<br />
<strong>Die</strong> chinesische Regierung fährt<br />
heute konsequent den Kurs, die Probleme<br />
im Verhältnis zu den Minderheiten<br />
durch rasche Entwicklung ihrer<br />
Siedlungsgebiete, durch eine Annäherung<br />
der Lebensverhältnisse an die der<br />
fortgeschrittenen Regionen Chinas zu<br />
lösen. <strong>Die</strong> Autonome Region Tibet ist<br />
Nutznießer eines strategischen Planes<br />
der Zentralregierung zur Entwicklung<br />
der Westgebiete Chinas. Ihre Infrastruktur<br />
wird vorrangig entwickelt. <strong>Die</strong><br />
Zuwachsraten des Bruttoinlandsprodukts<br />
Tibets liegen in den letzen Jahren<br />
weit über zehn Prozent.<br />
<strong>Die</strong> Leistungen Chinas bei der Entwicklung<br />
der autonomen Regionen<br />
und der Veränderung der Lebensbedingungen<br />
der Menschen werden in<br />
den Medien des Westens weitgehend<br />
ignoriert. <strong>Die</strong> Tibetbahn ist dafür ein<br />
typisches Beispiel. Nach der fi ktiven<br />
Optik »China – Besatzer, Tibet – ausgebeutete<br />
Kolonie« wird ausschließlich<br />
vom Raub von Bodenschätzen und<br />
der Militarisierung des Landes geredet.<br />
Keine Rede davon, dass die Bahn zur<br />
Integration Tibets in das ganze Land<br />
und zum Anschluss an die Welt bei-<br />
290 DISPUT April 2008<br />
trägt, dass sie dem Tourismus (eine<br />
der Haupteinnahmequelle tibetischer<br />
Handwerker und <strong>Die</strong>nstleister) dient,<br />
dass sie Tibet aus einer weltabgeschiedenen<br />
Region zu einer wirtschaftlichen<br />
Drehscheibe zwischen Zentral- und Südasien<br />
machen wird.<br />
Tibet ist auf dem Weg in die moderne<br />
Zeit. Man kann sich des Eindrucks<br />
nicht erwehren, dass mit dem »kulturellen<br />
Genozid«, der in exiltibetischen<br />
Kreisen immer wieder beschworen<br />
wird, der Entwicklungsschub gemeint<br />
ist, den das Land in den letzten Jahren<br />
■ ■ Ich bin kein chinesischer<br />
Kommunist und ich werde nie einer<br />
sein. Aber ich bin nicht einverstanden<br />
mit den Aktionen für<br />
einen Boykott der Olympischen<br />
Spiele. (...) Ich lehne es ab, wie<br />
bei dieser Operation die Geschichte<br />
Chinas umgeschrieben<br />
wird. Ich teile nicht die scheinheilige<br />
Begeisterung für den Dalai Lama<br />
und das Regime, das er verkörpert.<br />
Für mich wäre der Boykott<br />
der Spiele ein ungerechter und<br />
verletzender Affront gegen das<br />
chinesische Volk. Wenn man das<br />
Regime von Peking generell in Frage<br />
stellen wollte, hätte man das in<br />
dem Moment tun müssen, als Peking<br />
die Olympischen Spiele zugesprochen<br />
wurden. Man hätte China<br />
als Kandidat ablehnen und dies<br />
China sagen müssen. Was jetzt<br />
geschieht, ist eine billige, ungerechte<br />
Beleidigung der Millionen<br />
Chinesen, die sich die Spiele gewünscht<br />
haben und sie jetzt aktiv<br />
vorbereiten. Für mich hat das Ganze<br />
einen üblen Beigeschmack von<br />
Rassismus. (...)<br />
Jean-Luc Mélenchon, Mitglied des<br />
Senats (Oberhaus der französischen<br />
Nationalversammlung) für die Sozialistische<br />
Partei, auf seinem Blog,<br />
www.jean-luc-melenchon.fr<br />
erlebt. Entwicklung aber ist das Recht<br />
eines jeden Menschen. Sie verändert<br />
die Lebensweise der Bewohner, möglicherweise<br />
auch ihren Blick auf die Religion.<br />
Religionsfreiheit ist durch die chinesische<br />
Verfassung garantiert. Ihre Realisierung<br />
entspricht nicht immer dem<br />
Buchstaben des Gesetzes. Ein Problem<br />
ist das Bestreben des Staates, die Hierarchien<br />
der Glaubensgemeinschaften<br />
zu kontrollieren. Das wird aber erst<br />
überwunden werden, wenn die VR China<br />
nicht länger befürchten muss, dass,<br />
wie im Falle Tibet praktiziert, unter der<br />
Losung von Religionsfreiheit Sezessionsbestrebungen<br />
verfolgt werden.<br />
Hauptsächlich negativ ist im Mainstream<br />
der Medien die Beurteilung der<br />
chinesischen Nationalitätenpolitik als<br />
Ganzes. Dabei werden ansonsten propagierte<br />
Werte des Westens gnadenlos<br />
geopfert. Fordert man für China insgesamt<br />
mehr Freizügigkeit, fi ndet man es<br />
gar nicht gut, dass diese mehr Chinesen<br />
nach Tibet bringt, die nach den Regeln<br />
der Marktwirtschaft dorthin gehen,<br />
wo sie etwas verdienen können, mit<br />
der Eröffnung von Restaurants und Geschäften<br />
etwa, die Küchen und Waren<br />
anderer Provinzen nach Tibet bringen,<br />
was von Touristen, Tibetern und Chinesen<br />
durchaus geschätzt wird.<br />
Gilt Multikulti – die gegenseitige<br />
Bereicherung der Kulturen – allgemein<br />
als etwas Positives, werden gemischte<br />
Ehen von Tibetern mit Chinesen als »Assimilierung«<br />
verunglimpft. Lernen junge<br />
Tibeter auch Chinesisch, um die Entwicklungschancen<br />
des riesigen Landes<br />
zu nutzen, wird das ebenfalls als Assimilierungstendenz<br />
angeprangert.<br />
Durch die nationale Brille gesehen,<br />
wird aus Alltagsproblemen sehr rasch<br />
Unmut über »die Chinesen«, die an<br />
allem schuld seien. Sicher nicht zufällig<br />
waren unter den Randalierern in<br />
Lhasa viele arbeitslose junge Männer.<br />
Für mehr Chancengleichheit ist Bildung<br />
eine unabdingbare Voraussetzung. Sie<br />
ist Bestandteil der Strategie zur Entwicklung<br />
der Westgebiete Chinas. Umwelt-<br />
und andere Probleme der Industrialisierung<br />
müssen in Tibet wie in<br />
ganz China dringend gelöst werden.<br />
Ein Zurück zur ethnisch reinen Theokratie<br />
indessen ist im Tibet von heute<br />
undenkbar. <strong>Die</strong> Forderungen von Exiltibetern,<br />
keine Angehörigen chinesischer<br />
oder anderer nationaler Herkunft mehr<br />
ins Land zu lassen bzw. die schon Anwesenden<br />
auszusiedeln (ihr Anteil an<br />
der Bevölkerung Lhasas beträgt gerade<br />
einmal sechs Prozent), wäre nur mit Hilfe<br />
ethnischer Säuberungen durchzusetzen,<br />
die anderswo in der Welt schlimme<br />
Folgen gezeitigt haben.<br />
Auch künstlich aufrecht erhaltene<br />
riesige leere Räume sind in einem Land<br />
wie China mit enormer Übervölkerung<br />
der entwickelten Gebiete nicht realistisch.<br />
Dabei hält sich der Drang der<br />
Han-Chinesen nach Tibet wegen des<br />
unwirtlichen Klimas in durchschnittlich<br />
3.5000 Metern Höhe, wegen des<br />
noch niedrigen Entwicklungsstandes<br />
und der schwierigen Lebensbedingungen<br />
ohnehin in engen Grenzen. Tibet<br />
hat nur eine Zukunft als multikulturelle<br />
Gesellschaft, in der die Nationalitäten<br />
friedlich und kooperativ zusammenleben.