Jahrgang 11 ISSN 1611-227X 25. Mai 2013 Nr. 05 - Schibri-Verlag
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<strong>Nr</strong>. <strong>05</strong>/<strong>2013</strong> - 23 - PASEWALKER NACHRICHTEN<br />
Kinderhilfsprojekt in Tansania<br />
Man soll dem Leib etwas Gutes bieten, damit die Seele Lust hat, darin zu wohnen<br />
Von Franziska und Tobias Breitfeld<br />
Es riecht süß und fruchtig in unserem Klassenzimmer. Mangos,<br />
Ananas, Melonen und Papayas, Gurken, Möhren, Tomaten, Zwiebeln<br />
und Auberginen liegen in ihren leuchtenden Farben bereit.<br />
Und nicht nur Obst und Gemüse funkeln, auch die Augen unserer<br />
kleinen Schülerinnen und Schüler strahlen.<br />
Für sie ist es ein besonderer Tag, denn wir veranstalten einen<br />
Projekttag zum Thema gesunde und ungesunde Ernährung. Die<br />
Kinder lernen spielerisch mit selbstgemalten Karten und Bildern,<br />
was gut für ihren Körper ist und was nicht, indem sie die<br />
Produkte an der Tafel in die gesund oder ungesund Spalte kleben.<br />
Der ein oder andere muss erst davon überzeugt werden,<br />
dass Zwiebeln („Davon muss ich aber weinen.“) und Karotten<br />
(„Aber das schmeckt doch nicht.“) gesund, Cola und Bonbons<br />
dagegen schlecht für die Zähne und den Bauch sind („Meinem<br />
Bauch schmeckt das.“).<br />
Die Kleinen dürfen Obst und Gemüse anfassen und die Gerüche<br />
kennen lernen. Das ist ganz schön aufregend, gibt es frisches Obst<br />
und Gemüse zwar auf jedem noch so kleinen Markt zu kaufen,<br />
doch kommt beides in der täglichen Ernährung der Kinder so gut<br />
wie nie vor, eben so wenig wie Milchprodukte, Fisch oder Fleisch.<br />
Das tansanische Frühstück besteht üblicherweise aus einer Tasse<br />
Haferschleim oder einem Teigfladen, der Chapati genannt wird.<br />
Viele Kinder kommen jedoch auch ohne eine erste Mahlzeit gehabt<br />
zu haben in die Schule. Dort erhalten die Kleinen dank Spendengeldern<br />
mittags eine Tasse Haferschleim. Abends kommt gewöhnlich<br />
Ugali mit Soße auf den Tisch – eine zähe, klebrige<br />
Masse, die aus Wasser und Mehl besteht, welches aus der Cassavawurzel<br />
gewonnen wird. Bei wohlhabenderen Familien und in<br />
Privatschulen gibt es Reis mit Bohnen, aber auch hier sind Fisch<br />
und Fleisch eine Ausnahme.<br />
Wir schnippeln mit den Kindern Salate, wobei wir Augen und Ohren<br />
ganz besonders offen halten müssen, damit die kids sich mit<br />
den mitgebrachten Messern nicht verletzen oder die Leckereien<br />
sofort weg naschen. Bis zum Schluss konnten sie kaum glauben,<br />
dass sie all das Obst und Gemüse auch wirklich aufessen durften.<br />
Es ist ein riesiger Spaß für uns alle.<br />
Neben Spaß brachte diese Unterrichtseinheit den Kindern auch<br />
einen großen Erfolg ein, denn alle konnten in der mündlichen Naturwissenschaftsprüfung,<br />
die ein paar Wochen später statt fand,<br />
sämtliche Lebensmittel richtig zuordnen. Wir waren sehr stolz<br />
auf unsere Rasselbande.<br />
Wir selbst versuchen uns sowohl traditionell als auch gesund zu<br />
ernähren. Allerdings gibt es da einige Herausforderungen. Grundsätzlich<br />
gilt: habe viel Zeit, denn um jede Mango und jeden Bund<br />
Mchicha wird verhandelt. Wir haben viel Spaß daran und mit jeder<br />
neu gelernten Kisuaheli-Vokabel und den von den Einheimischen<br />
abgeschauten Tricks schaffen wir es immer den Preis deutlich<br />
zu verringern. Wichtig dabei ist, dass am Ende beide Seiten<br />
zufrieden sind und neben einem abgeschlossenen Geschäft auch<br />
noch einen netten Plausch geführt haben.<br />
Nach einem erfolgreichen Marktbesuch beginnt der zweite Teil der<br />
Lebensmittelgewinnung, denn in Afrika gilt für uns „Wazungu“:<br />
„Koch es, brat es, pell es oder vergiss es.“ Und daran halten wir<br />
uns. Wasser wird 5 bis 10 Minuten lang abgekocht, bevor es getrunken<br />
werden kann. Wir kaufen nur Obst, das schälbar ist (keine<br />
Sorge, die Auswahl ist groß) und Gemüse wird 20 Minuten lang in<br />
Trinkwasser und Essig eingelegt, bevor es gegessen wird. Anfangs<br />
empfanden wir dieses Prozedere als sehr aufwendig, heute gehört<br />
es so selbstverständlich zu unserem Alltag, wie das Verhandeln.<br />
Und noch etwas hat sich verändert: in unserer Wohngegend ruft<br />
man uns nicht mehr wie jede(n) Weiße(n) „Mzungu“, denn unser<br />
Verhandlungsgeschick bei den Piki Piki (Motorradtaxi)-Fahrern,<br />
die wir stets von 1.500 tansanischen Schilling/Tsh (75 Cent) auf<br />
800 Tsh (40 Cent) für die Strecke von unserem Haus zum Busbahnhof<br />
herunterhandeln, hat uns einen ganz eigenen Spitznamen<br />
eingebracht: mia nane, das Kisuaheli-Wort für 800. Und darauf<br />
sind wir wirklich ein bisschen stolz.<br />
Fotos: Breitfeld