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Musiktheater seit 1990 - Schott Music

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Inhalt<br />

Eine Probe im Theater: „Aida” steht auf dem Plan. Leider hat die Sparwut des Stadtkämmerers<br />

nur drei Orchestermusiker übrig gelassen – der Rest war nicht mehr zu finanzieren. Der Kapellmeister<br />

muss vom transportablen E-Klavier aus dirigieren; seinen Lebensunterhalt bestreitet er<br />

längst aus den Einnahmen der Kaffeebar. Die Barockopernmode des 20. Jahrhunderts hat dem<br />

Ensemble einen unkündbaren Countertenor beschert – ein Idealfall für jedes Theater, denn mit<br />

seiner Stimme kann er sowohl die Aida als auch die Rolle des Radames singen, das entlastet<br />

den Gästeetat. Dafür ist die Präsenz der Regisseure umso massiver: Seit der Zwangsfusion von<br />

Opern- und Schauspielhaus hungern zwei Oberspielleiter nach Arbeit, ein Filmregisseur ist auch<br />

mit von der Partie, da die Produktion zur Verwertung an eine Filmfirma verschachert wurde.<br />

Geprobt wird die Schlussszene der „Aida“, die Sterbeszene des unglücklichen Liebespaares, wobei<br />

allerdings alle drei Regisseure gleichzeitig mit dem einzigen Darsteller arbeiten wollen. Der<br />

Sänger zerbricht unter dem Druck: Eine Sterbeszene, in der der Darsteller stirbt, während er das<br />

Sterben darstellt, gewissermaßen das Sterben des Sterbens. Mit ihm stirbt der ganze Betrieb,<br />

aber eigentlich ist die Oper ja ohnehin schon lange tot… Die Regisseure aber, die bleiben am<br />

Leben – und verfassen ihre Memoiren.<br />

Radames<br />

29.03.2008 Prinzregententheater München, Foto: Hilda Lobinger<br />

Eötvös’ Kammeroper, vielleicht als ironische Zukunftsmusik konzipiert, ist inzwischen geradezu<br />

erschreckend aktuell – eine reelle (kulturpolitische) Tragödie!<br />

(Sabine Radermacher | Errico Fresis, Quelle: Kulturzentrum Herne 2005)<br />

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