Die Vertreibung der Deutschen aus dem Osten - Konrad-Adenauer ...
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<strong>Die</strong> <strong>Vertreibung</strong> <strong>der</strong> <strong>Deutschen</strong><br />
vom August 1939 eine brutale Annexion fremden Staatsgebiets. Auch die<br />
historische Vorgeschichte <strong>der</strong> <strong>Vertreibung</strong> <strong>der</strong> <strong>Deutschen</strong> 1945 ist also<br />
komplizierter, als daß sie <strong>aus</strong>schließlich als Reaktion auf <strong>Vertreibung</strong>en<br />
und Verbrechen angesehen werden kann, die die deutsche Besatzungsmacht<br />
zwischen 1939 und 1945 zweifellos begangen hat.<br />
Keinesfalls aber kann die historische Erklärung als Legitimation, als Rechtfertigung<br />
für an<strong>der</strong>e Verbrechen akzeptiert werden. Kein Verbrechen legitimiert<br />
ein an<strong>der</strong>es, auch wenn es zur Erklärung beitragen kann. Unter den<br />
deutschen Vertriebenen waren Millionen Unschuldige, die buchstäblich für<br />
die Verbrechen <strong>der</strong> deutschen Besatzungsmacht in „Sippenhaft“ genommen<br />
wurden. Und da sind wir dann bei <strong>dem</strong> Problem, das im Mittelpunkt des<br />
Colloquiums steht, nämlich <strong>der</strong> Frage <strong>der</strong> Erinnerung an die <strong>Vertreibung</strong>.<br />
<strong>Die</strong> Erinnerung, die historische Erinnerung (heute in aller Munde) ist<br />
selbstverständlich ein Teil je<strong>der</strong> politischen Kultur und neben <strong>der</strong> individuellen<br />
Erinnerung, die je<strong>der</strong> Mensch hat, neben <strong>der</strong> eigenen Geschichte,<br />
steht das vom französischen Soziologen Maurice Halbwachs so genannte<br />
kollektive Gedächtnis, das kollektive Erinnern. Nun haben Philosophen,<br />
Soziologen, Historiker an diesem Modell <strong>der</strong> kollektiven Erinnerung mit<br />
Recht auch Kritik geübt, auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite ist die Erinnerung o<strong>der</strong> besser<br />
gesagt: sind die Erinnerungen, sind die verschiedenen Identitäten, die<br />
die Geschichte einer Nation und einer Gesellschaft <strong>aus</strong>machen, auch für<br />
eine historische Ortsbestimmung in <strong>der</strong> Gegenwart und für die Zukunft<br />
notwendig. Ohne historisches Erinnern gibt es keine politische Kultur, und<br />
lei<strong>der</strong> sehen wir in Politik und Gesellschaft immer wie<strong>der</strong>, daß die Abwesenheit<br />
<strong>der</strong> historischen Perspektive, auch die Abwesenheit <strong>der</strong> historischen<br />
Bildung, sehr kurzfristig angelegte politische Entscheidungen bewirkt. Und<br />
diese so präsentistisch angelegten Entscheidungen führen fast immer in die<br />
Irre o<strong>der</strong> scheitern schnell. Also Grund genug, auch in diesem Feld dagegen<br />
anzugehen, daß die historische Erinnerung in <strong>der</strong> öffentlichen Diskussion<br />
eine bloß fragmentierte Erinnerung ist.<br />
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