Die Vertreibung der Deutschen aus dem Osten - Konrad-Adenauer ...
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Karl Schlögel<br />
Leuten vom Funktionärskörper, scheint an einer Aufklärung, einer Entspannung<br />
und Historisierung nichts zu liegen. Liegt es daran, daß ihnen<br />
damit die Existenzberechtigung entzogen würde?<br />
Der Gewinn dieses Herangehens liegt auf <strong>der</strong> Hand. Es ist ein Verfahren,<br />
das systematisch eine „plädierende Geschichtsschreibung“ unterläuft – ein<br />
Terminus, den Helmut Fleischer geprägt hat, also eine Geschichtsschreibung,<br />
die immerzu für o<strong>der</strong> gegen, pro o<strong>der</strong> contra sein muß, die immer für<br />
o<strong>der</strong> gegen etwas argumentieren muß. Der Haupttypus <strong>der</strong> Geschichtsschreibung,<br />
von <strong>dem</strong> ich hier gesprochen habe, ist ein an<strong>der</strong>er: er sammelt<br />
und trägt zusammen, er ist Synopse, Enzyklopädie; er erzählt und hört zu;<br />
er „versetzt sich in die Zeit“, anstatt sie von oben herab abzufertigen; er<br />
scheut den Vorwurf des Historismus nicht; er will nicht unbedingt rechthaben,<br />
son<strong>der</strong>n zuerst wahrhaben und wahrnehmen. Ihn interessieren nicht<br />
die nationalen Züge, son<strong>der</strong>n heute würde man sagen: die zivilisationsgeschichtlichen<br />
und die anthropologischen Grundlagen menschlichen Verhaltens<br />
in einer bestimmten historischen Situation. <strong>Die</strong>se Geschichtsschreibung<br />
verfährt selbstverständlich auch komparativ, macht aber auch dar<strong>aus</strong><br />
keine Ideologie und keinen Fetisch.<br />
Das wäre schon sehr viel. Ich würde sogar sagen: sehr, sehr viel. Denn es<br />
handelte sich um einen äußerst komplexen, vor<strong>aus</strong>setzungsreichen Vorgang:<br />
Zuhören können impliziert, daß man die Sprachen versteht, in denen<br />
diese Erfahrung artikuliert worden ist; das sind in Europa fast zwei Dutzend<br />
Sprachen – eine Kompetenz, die heutzutage kaum noch jemand aufbringt<br />
– vielleicht Otto von Habsburg. Es ginge um einen Akkumulationsprozeß,<br />
<strong>der</strong> schon <strong>aus</strong> forschungspraktischen Gründen außerordentlich<br />
anstrengend wäre. Es bedürfte <strong>der</strong> Kompetenz eines Historikers, <strong>der</strong> in den<br />
Nationalgeschichten ebenso bewan<strong>der</strong>t ist wie in <strong>der</strong> allgemeinen europäischen<br />
Geschichte des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts. Man müßte sich <strong>aus</strong>kennen in <strong>der</strong><br />
europäischen Archivlandschaft, in einer Landschaft, die von mehr als nur<br />
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