100 Jahre KÖLN- MÜLHEIM
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Maschinenkonstrukteur, zuletzt als Gruppenleiter in einer Konstruktionsabteilung<br />
und bin dann bis zur Rente dort geblieben. Damals<br />
wurden viele junge Leute auch ohne Berufsausbildung angestellt.<br />
Sie wurden angelernt und konnten aufsteigen.<br />
EMB: Wie hat sich dann die Keupstraße entwickelt?<br />
WH: Das fing so Ende der 50er – Anfang der 60er <strong>Jahre</strong> an. Ich erinnere<br />
mich noch gut an die ersten Geschäfte, die eröffnet wurden.<br />
Zum Beispiel neben unserem Haus das Geschäft Osterroth<br />
für Lederwaren oder das Radio- und Schallplattengeschäft der Fa.<br />
Hochstätter. Als Deutschland 1964 die Fußball-WM gewann, gab es<br />
da eine öffentliche Radioübertragung – wir standen alle vor dem<br />
Geschäft auf der Straße, hörten zu und fieberten mit. Es war eine<br />
sehr lebendige Geschäftsstraße, mit Bäckereien, Lebensmittelgeschäften,<br />
allen möglichen Fachgeschäften und Kneipen. Bis 1967/68<br />
war es eine rein deutsche Straße. Dann kamen die ersten Italiener,<br />
Spanier und Griechen, die meist bei F & G und auch bei KHD arbeiteten.<br />
Ein spanischer Arbeiter wohnte auch kurz in unserem Haus.<br />
Anfang der 70er <strong>Jahre</strong> kamen dann die ersten Türken, die alle auch<br />
bei F & G und KHD arbeiteten.<br />
Es waren keine jungen Leute, eher ältere, mit denen ich auch zusammen<br />
gearbeitet habe. Sie waren sehr bescheiden und sehr<br />
freundlich. Meine Mutter fand sie sehr höflich. Sie war damals<br />
schon ziemlich gebrechlich – sie hatte Herzprobleme und Wasser<br />
in den Beinen – und wenn wir rausgingen, musste ich sie stützen.<br />
Wenn ich mit meiner Mutter auf dem Fußweg lief, dann machten sie<br />
Platz für uns. In der Keupstraße wohnten damals alle Nationalitäten,<br />
es gab keine Probleme, auch nicht bei der Arbeit. Im Haus Nr. 70<br />
hatte die Fa. Steinberg eine Stoffhandlung und Änderungsschneiderei<br />
eröffnet, in der Italienerinnen und Griechinnen arbeiteten, die<br />
auch in der Keupstraße wohnten. Alle lebten friedlich zusammen,<br />
nach dem kölschen Motto: „Jeck loss Jeck elans“.<br />
EMB: Und die Vielfalt hat sich dann verändert?<br />
WH: Ja. Es driftete auseinander. Einerseits, weil die Kultur der Italiener,<br />
Spanier und Griechen ja der unseren näher ist, als die der<br />
Türken. Die Türken waren Muslime und hatten ganz andere Sitten.<br />
So gingen sie nicht in die Kneipen, weil sie ja keinen Alkohol trinken,<br />
sondern sie eröffneten Teestuben für Männer. Und sie gingen<br />
nicht zum Bäcker, um Brötchen zu kaufen, sondern eröffneten ihre<br />
eigenen Bäckereien, die Fladenbrotstuben, was wiederum die Deutschen<br />
nicht aßen. Allmählich kam es zu einem Bevölkerungsaustausch:<br />
die Türken investierten ihr Geld und kauften Wohnungen<br />
und Häuser in der Keupstraße. Sie eröffneten ihre eigenen Geschäfte<br />
und Restaurants, es war ein jahrelanger Prozess.<br />
Keupstraße in den 1930er <strong>Jahre</strong>n.<br />
34 Keupstraße zwischen Kriegsende und Jahrhundertwende