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erlanger examenskurs • Strafprozessrecht Februar2008 • Prof. Dr. Hans Kudlich Fall 12 (nach Examen BGH NJW 2007, 3138 m .Anm .Bosch JA 2007, 903) A stand im Verdacht, die 15-jährige M getötet zu haben. A, der sich zu dieser Zeit in anderer Sache in Strafhaft befand, hatte durch Presseberichte von dem gegen ihn bestehenden Verdacht erfahren, bestritt gegenüber einem Kriminalbeamten die Tat und teilte mit, er werde auf Anraten seines Verteidigers von seinem Schweigerecht Gebrauch machen und erst nach Akteneinsicht umfassend aussagen. Zu einer förmlichen Vernehmung des A kam es zunächst nicht. Nachdem sich der gegen A bestehende Verdacht trotz umfangreicher polizeilicher Ermittlungen nicht hatte erhärten lassen, genehmigte das AG auf Antrag der StA mit Beschluss den Einsatz eines Verdeckten Ermittlers (V). Ein erster Gesprächskontakt zwischen V und A fand im Rahmen eines arrangierten Gefangenentransports statt. In der Folgezeit besuchte der V den A mehrfach in der Justizvollzugsanstalt und begleitete ihn auf Ausgängen und Hafturlauben. Im Laufe der Zeit fasste der A Vertrauen zu V. Er erzählte V von den gegen ihn geführten Ermittlungen und überließ ihm Kopien der Ermittlungsakten zur Einsichtnahme. Dabei bestritt er, die Tat begangen zu haben. Anfang 2005 wurde A ein einwöchiger Hafturlaub bewilligt. In diesem Urlaub, den er in einer ihm von V zur Verfügung gestellten Wohnung verbrachte, sprach dieser ihn am gezielt auf den Tatvorwurf an und bedrängte ihn unter Hinweis auf das zwischen ihnen bestehende Vertrauensverhältnis, wahrheitsgemäße Angaben zu machen. A räumte schließlich seine Täterschaft ein. Die Gespräche wurden auf der Grundlage von Beschlüssen des AG abgehört und auf Tonträgern aufgezeichnet. Nachdem A über den Einsatz des Verdeckten Ermittlers und die Gesprächsaufzeichnungen informiert worden war, machte er nach Belehrung über seine Rechte als Beschuldigter in einer förmlichen Vernehmung im Wesentlichen dieselben Angaben wie gegenüber V. Vor der Vernehmung hatte ein Kriminalbeamter dessen Vorgehen als rechtlich einwandfrei und die dabei erlangten selbst belastenden Äußerungen als gerichtsverwertbar bezeichnet. Können die Angaben des A gegenüber dem V und bei der Vernehmung gegen A’s Willen verwertet werden? Vernehmung des V über Angaben des A: • In Hauptverhandlung gewissermaßen als Zeuge vom Hörensagen vernehmbar (kein Verstoß gegen Unmittelbarkeitsgrundsatz) • auch aus der Wertung des – mangels Vernehmung im Sinne des formellen Vernehmungsbegriffs ohnehin nicht unmittelbar anwendbaren – § 254 StPO ergibt sich nichts anderes, da dieser auch bei nichtrichterlicher Vernehmung in der Hauptverhandlung eine Vernehmung der Verhörsperson zuließe. • Unverwertbarkeit wg. Umständen des Bewirkens der Aussage? Vorliegend Einsatz eines Verdeckten Ermittlers, §§ 110a ff StPO: * Einsatzvoraussetzungen grds. (+) Verbrechen von besonderer Bedeutung und Unmöglichkeit anderweitiger Aufklärung, § 110a I 4 StPO (+) Anordnung durch Gericht, § 110b II 1 Nr. 1 StPO (Einsatz gegen bestimmten Beschuldigten) (+) selbstverständlich auch keine „Aufklärungspflicht“ des VE, wenn Beschuldigter beginnt von Tat zu berichten * aber: hier nach Geltendmachung des Aussageverweigerungsrechtes Einsatz des VE zur Umgehung dieses Rechtes und gezieltes Bedrängen des Beschuldigten zwar kein Verstoß gegen §§ 136, 136a, da keine Vernehmung aber in dieser Konstellation Verstoß gegen nemo-tenetur-Grundsatz („gezielte vernehmungsähnliche Situation“) * damit Aussage nach BGH unverwertbar (gewisse Abweichung von BGH[GS] in Hörfallen-Entscheidung, engere Orientierung an EGMR [zu Art. 6 EMRK, etwa Allan/Großbritannien, StV 2003, 257]) Angaben in der förmlichen Vernehmung:
erlanger examenskurs • Strafprozessrecht Februar2008 • Prof. Dr. Hans Kudlich • Verlesung: wg. § 254 StPO (–), keine richterliche Verhörsperson • Vernehmung der Verhörsperson: * grds. nach h.M. möglich, da nur Verlesung, nicht jede Verwertung verboten * aber anderes Ergebnis, wenn auch insoweit Beweisverwertungsverbot vorliegend zwar formal zutreffende Belehrung aber: Fortwirkung des vorhergehenden Verwertungsverbotes wegen engen Zusammenhangs und Bezeichnung der ersten Äußerung als verwertbar ( wohl zumindest qualifizierte Belehrung erforderlich)
Seite 1 und 2: erlanger examenskurs • Strafproze
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