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Einstellung des Verfahrens (nach § 206a außerhalb bzw. § 260 III ...

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erlanger examenskurs • Strafprozessrecht<br />

Februar2008 • Prof. Dr. Hans Kudlich<br />

Fall 8 (<strong>nach</strong> BGHSt 42, 15 und 170; vgl. auch Examen 1998/II)<br />

Der Angeklagte A wurde kurze Zeit, <strong>nach</strong>dem ein Mord passiert war, aufgrund von Hinweisen<br />

in der Bevölkerung festgenommen und noch in derselben Nacht von der Polizei vernommen:<br />

Variante a): Der A, ein aus dem Ausland eingeflogener Killer, der kein Deutsch sprach, äußerte<br />

<strong>nach</strong> ordnungsgemäßer Belehrung mittels eines Dolmetschers, dass er einen<br />

Rechtsbeistand wünsche. Daraufhin wurde ihm das örtliche Branchentelefonbuch vorgelegt,<br />

in dem auch die zugelassenen Rechtsanwälte verzeichnet waren. A machte davon<br />

aber keinen Gebrauch; eine weitergehende Hilfestellung (insbesondere ein Hinweis auf<br />

den örtlichen Anwaltsnotdienst) wurde dem A nicht erteilt, da der vernehmende Polizist<br />

P es „im Sinne der Ermittlung für die erfolgversprechendere Maßnahme“ hielt, die Vernehmung<br />

ohne Verteidiger fortzusetzen.<br />

Variante b): A, der der deutschen Sprache unproblematisch mächtig war, wies <strong>nach</strong> seiner<br />

Belehrung insgesamt dreimal darauf hin, ohne Rechtsanwalt keine Aussagen machen zu<br />

wollen. P wies (wahrheitsgemäß) darauf hin, dass ein Anwalt wohl erst am nächsten<br />

Morgen erreichbar sein würde und setzte die Vernehmung fort. Schließlich fand sich A<br />

doch bereit auszusagen.<br />

Im Laufe der Vernehmung gab A ein Geständnis ab, das er in der Hauptverhandlung widerrief.<br />

Kann es gleichwohl in irgendeiner Weise verwertet werden?<br />

Geständnis selbst in HV (–)<br />

<br />

<br />

Verlesung: wg. § 254 StPO (–), keine richterliche Verhörsperson<br />

Vernehmung der Verhörsperson:<br />

• Grds. <strong>nach</strong> h.M. Vernehmung der (auch nicht-richterlichen) Verhörsperson trotz<br />

§ 254 StPO möglich (anders als bei § 252 StPO)<br />

• Unverwertbarkeit (der Aussage, über die Verhörsperson berichten würde) wegen<br />

Verstoßes gg. § 136 StPO?<br />

* Verstoß wäre <strong>Verfahrens</strong>fehler (allerdings <strong>nach</strong> Rechtsprechung nur revisibel,<br />

wenn bis zum in § 257 StPO genannten Zeitpunkt gerügt)<br />

* Generelles Spannungsverhältnis: einerseits effektive Gewährung <strong>des</strong> Rechts<br />

auf Verteidiger (Konsultation und Vertretung), andererseits Eigenverantwortung<br />

<strong>des</strong> Angeklagten<br />

* Anwendung im konkreten Einzelfall:<br />

* a) <strong>nach</strong> BGHSt 42, ,15 (5. Strafsenat) <strong>Verfahrens</strong>verstoß (+), gewisse<br />

„Mitwirkung“ geboten (Ausländer besonders schutzwürdig; hier war auch<br />

Hilfe möglich, Notdienst)<br />

* b) <strong>nach</strong> BGHSt 42, 170 (1. Strafsenat) <strong>Verfahrens</strong>verstoß (–), da<br />

letztlich freiwillige Äußerung (problematisch: immerhin dreimalige Äußerung;<br />

vgl. zur Abgrenzung etwa auch BGH NStZ 2006, 236 m. Anm.<br />

Bosch, JA 2006, 412), wo aus bloßer Äußerung <strong>des</strong> Beschuldigten, „er<br />

habe keinen Verteidiger“ konkludenter Wunsch abgeleitet wird, einen<br />

solchen zu mandatieren, weshalb Beschuldigter auf Möglichkeit der<br />

Pflichtverteidigung hingewiesen werden müsse)<br />

* c) Beachte allgemein: Wichtig ist insoweit nicht Kenntnis der (ohnehin<br />

schwankenden und auch zwischen den Strafsenaten im Detail umstrittenen)<br />

Kasuistik, sondern die Einordnung <strong>des</strong> Problems der Mitwirkungspflicht<br />

als Teil der Ermöglichung einer Verteidigerkonsultation und<br />

die darauf aufbauende Argumentation im Einzelfall.

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