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erlanger examenskurs • Strafprozessrecht Februar2008 • Prof. Dr. Hans Kudlich Fall 10 (nach OLG Celle NStZ 1989, 385; OLG Zweibrücken NJW 1994, 810 sowie Examen 97/II) T fuhr betrunken in seinem Wagen nach Hause. Kurz bevor T zu Hause ankam, verlor er die Kontrolle über das Fahrzeug und überschlug sich mehrmals. Schwerverletzt wurde er ins Krankenhaus eingeliefert. Variante a): Dort ordnete der Polizist P die Entnahme einer Blutprobe an. Da sich gerade kein Arzt in der Nähe befand, beauftragte er die Krankenschwester K, die er aus einem eigenen Krankenhausaufenthalt kannte und von der er wusste, dass sie immer vorsichtig mit den Patienten umging, mit der Blutentnahme. Als T die K sah, wurde er angesichts der Tatsache, dass K noch sehr jung war, misstrauisch. Auf seine Nachfrage hin erklärte P bewusst wahrheitswidrig, dass K zwar noch sehr jung, jedoch schon zugelassene Ärztin sei. T ließ daraufhin die Blutentnahme zu. Die festgestellte Blutalkoholkonzentration betrug zum Tatzeitpunkt 1,6 Promille. Variante b): Als wenige Stunden später die Polizei im Krankenhaus eintraf, bat sie um die Abnahme einer Blutprobe. Dabei wurde ihr wahrheitsgemäß erklärt, dass eine solche wegen T’s instabilen Gesundheitszustands nicht ratsam, jedenfalls aber wegen der zwischenzeitlich vorgenommenen Transfusionen nicht mehr aussagekräftig sei. Daraufhin beschlagnahmte der herbeigerufene Staatsanwalt die Spritze, mit der dem T vor der Transfusion Blut zur Bestimmung der Blutgruppe abgenommen worden war und in der sich noch ein Rest Blut befindet. Dieses wurde getestet. Ist die Blutprobe jeweils verwertbar? Einführung als Augenscheinsobjekt i.V.m. Sachverständigem bzw. mit Protokoll als Urkunde (vgl. § 256 I Nr. 4 StPO) Verwertbarkeit, wenn schon Beweiserhebung ordnungsgemäß oder zumindest kein Verwertungsverbot: a) Grundlage des Eingriffs: § 81a StPO • Voraussetzungen grds. (+), aber • kein Arzt Fehler bei Beweiserhebung * allerdings: Normzweck ist Schonung der körperlichen Unversehrtheit, nicht Subjektstellung des Beschuldigtem im Verfahren „bloße Ordnungsvorschrift“; außerdem: Zweck hat sich schon erledigt nach h.M grds. kein Verwertungsverbot * anders aber dann, wenn Polizei bewusst über Eigenschaft als Arzt täuschte (Rechtsstaat, Gedanke des § 136a StPO) hier doch unverwertbar b) Grundlage des Eingriffs: § 94 II StPO • Voraussetzungen grds. (+), insb. Anordnung nach § 98 StPO • aber: Beschlagnahmeverbot nach § 97 StPO? * Teile der Rspr.: unbeachtlich, da Maßnahme nach § 81a StPO grundsätzlich möglich gewesen wäre und Unzulässigkeit sich gerade nur aus Bemühen um Gesundheitsschutz ergibt; hier aber hier Möglichkeit gefunden, die gesundheitlich unbedenklich * aber: Maßnahme wäre im konkreten Fall nach § 81a StPO eben tatsächlich nicht möglich gewesen; § 97 StPO würde umgangen (+/-), beide Ansichten mit entsprechender Begründung vertretbar
erlanger examenskurs • Strafprozessrecht Februar2008 • Prof. Dr. Hans Kudlich Fall 11 (nach BGH NJW 2007, 930 m. Anm. Kudlich JA 2007, 391) Der Generalbundesanwalt führte gegen den Beschuldigten B ein Ermittlungsverfahren u.a. wegen des Verdachts der Gründung einer terroristischen Vereinigung. Er beantragte beim Ermittlungsrichter des BGH, „gem. § 102, § 105 I, § 94, § 98, § 169 I 2 StPO die Durchsuchung des von dem Beschuldigten benutzten Personalcomputers/Laptops, insbesondere der auf der Festplatte und im Arbeitsspeicher abgelegten Dateien (…), und deren Beschlagnahme anzuordnen“. Zur verdeckten Ausführung dieser Maßnahme sollte gestattet werden, dem Beschuldigten ein hierfür konzipiertes Computerprogramm (sog. Trojaner) zur Installation zuzuspielen, das die auf dem Computer abgelegten Dateien kopieren und zum Zwecke der Durchsicht an die Ermittlungsbehörden übertragen sollte, wenn der Beschuldigte jeweils mit dem Internet verbunden war. Darf der Ermittlungsrichter die beantragte „Online- Durchsuchung“ anordnen? * Zuständigkeit zur Anordnung einer Maßnahme nach § 102 StPO: • Ermittlungsrichter (+), vgl. grds. §§ 105, 162 StPO • bei Ermittlungen des GBA nach § 169 I StPO Ermittlungsrichter des BGH Verdacht der Beteiligung des M offenbar (+) Wohnung bzw. zumindest Sache des M (+) „Durchsuchung“? (-), § 102 StPO hat nur „offene“ Durchsuchungen vor Augen, arg e • §§ 106, 107 StPO (unabhängig davon, ob dies bloße Ordnungsvorschriften sind!) • § 110c StPO entsprechende Anwendung? (-), jedenfalls bei vorliegendem massivem Grundrechtseingriff wegen allgemeinen Gesetzesvorbehalts (unabhängig von Art. 103 II GG, der nach h.M. im Strafprozessrecht nicht gilt) keine belastende Analogie zulässig Rückgriff auf andere Befugnisnormen: • § 100a StPO (-), keine Überwachung der (laufenden) Telekommunikation beantragt; außerdem * ohnehin (-) bei Dokumenten * aber auch bei bereits gesendeten oder aber zuhause empfangenen e-mails kein laufender Kommunikationsvorgang mehr (vgl. auch BVerfG NJW 2006, 976 m. Anm. Jahn, JuS 2006) • Ermittlungsgeneralklausel des § 163 I 2 StPO legitimiert jedenfalls auch nicht so schwerwiegende Eingriffe
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