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erlanger examenskurs • Strafprozessrecht Februar2008 • Prof. Dr. Hans Kudlich Fall 17 (nach Examen 1995/I) Als L in der Hauptverhandlung gegen ihren nichtehelichen Lebensgefährten A als Zeugin aufgerufen wurde, erklärte sie, dass sie keine Aussage machen wolle. Sie habe gehört, dass eine Ehefrau im Prozess gegen ihren Mann nicht aussagen müsse. Wenn dies der Fall sei, dann müsse auch ihr ein Zeugnisverweigerungsrecht zustehen, denn die Interessen der Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft seien nicht anders zu bewerten als die von Ehegatten. Allein auf den Trauschein könne es insoweit nicht ankommen. Steht L ein Zeugnisverweigerungsrecht zu? § 52 I StPO: grds. nach Wortlaut (–), da • keine Ehefrau • neLGin auch nicht ohne weiteres Verlobte • neLGin auch keine Lebenspartnerin (nur eingetragene Partner i.S.d. Lebenspartnerschaftsgesetzes) analoge Anwendung? • Im Strafprozessrecht zwar nach h.M. keine Anwendbarkeit von Art. 103 II GG, aber Analogieverbot nach aus allgemeinem Gesetzesvorbehalt möglich; allerdings Analogie zu Gunsten grds. möglich • Regelungslücke vertretbar, da zumindest historischer Gesetzgeber nicht an neLG gedacht haben mag (andererseits: bei späteren Reformen des Zeugenrechts nicht aufgegriffen) • arg. e Art. 6 GG nicht zwingend dagegen ( rechtfertigt nur umgekehrt Verstoß gg. Art. 3 GG) • Interessenlage auf ersten Blick ähnlich • aber Unbestimmtheit (Welche Kriterien: Dauer? gemeinsame Kinder? gemeinsamer Hausstand? Andererseits auch Kriterium der Verlobung unsicher) insoweit dann doch keine vollständig vergleichbare Lage (nicht nur subjektiver Interessenkonflikt, sondern auch objektiv formale Bindung erforderlich) • Rechtsprechung des BVerfG (zum Zeugnisverweigerungsrecht für Sozialarbeiter): Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege verbietet grds. Ausdehnung des Katalogs der §§ 52, 53 StPO nach h.M. Zeugnisverweigerungsrecht (-) § 55 StPO? je nach näheren Umständen denkbar; wäre aber jedenfalls kein Zeugnisverweigerungs- (sondern nur ein thematisch beschränktes Auskunftsverweigerungs-) Recht
erlanger examenskurs • Strafprozessrecht Februar2008 • Prof. Dr. Hans Kudlich Fall 18 (nach BGH NJW 2007, 230 m. Anm. Bosch JA 2007, 312) In einer gegen M geführten Hauptverhandlung wegen eines Sprengstoffanschlags wurde der Zeuge Z geladen. Gegen Z war zunächst wegen des Vorwurfs der Beteiligung an dem Anschlag ein Verfahren eingeleitet worden, das jedoch mit einem rechtskräftigen Freispruch des Z endete. In der Hauptverhandlung berief er sich aber über die ihm als Zeugenbeistand bestellte Rechtsanwältin auf ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 I StPO und begründete dieses damit, dass er durch die Beantwortung jeglicher Frage zur Sache die Gefahr einer Wiederaufnahme des gegen ihn geführten Strafverfahrens auslösen würde. Er beantwortete lediglich eine nicht belastende Frage zu seiner Körpergröße und wurde dann im allseitigen Einverständnis vom Vorsitzenden entlassen. Kann M eine Verurteilung erforderlich mit der Revision angreifen? Zur Zulässigkeit der Revision keine näheren Angaben im Sachverhalt, daher bei Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen von Zulässigkeit auszugehen, insbesondere • gegen erstinstanzliches Urteil nach § 333 StPO (nahe liegend) oder jedenfalls als Sprungrevision nach § 335 StPO statthaft • M als Angeklagter rechtsmittelberechtigt, vgl. § 296 StPO • bei Verurteilung auch erforderliche Beschwer Begründetheit der Revision nach § 337 StPO, wenn • Rechtsfehler vorliegt und • Urteil auf diesem Rechtsfehler beruht oder absoluter Revisionsgrund nach § 338 StPO vorliegt Hier möglicherweise durch schnelle Entlassung des Z aus Zeugenstandes keine hinreichend Sachaufklärung (§ 244 II StPO), die mit [in Praxis oft erhobener, aber zumeist erfolgloser] sog. Aufklärungsrüge angegriffen werden kann • Voraussetzung: wissentliche, rechtsirrige oder auf Mangel an Sorgfalt beruhende unvollständige Sachverhaltsaufklärung • grds. nach § 244 II StPO alle zur Wahrheitsfindung geeigneten Beweismittel heranzuziehen; hier aber „Verzicht“ auf Zeugen zutreffend, soweit Berufung auf Auskunftsverweigerungsrecht berechtigt • vorliegend durchaus zweifelhaft, da * Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO zwar trotz rechtskräftigen Freispruchs wegen Möglichkeit der Wiederaufnahme (vgl. § 362 Nr. 4 StPO) denkbar, aber * Auskunftsverweigerungsrecht grds. nicht umfassend, sondern nur themenbezogen und * nach Ermessen des Gerichts Aufforderung an Zeugen, Gefährdung i.S.d. § 55 StPO nach § 56 StPO glaubhaft zu machen • aber: möglicherweise Geltendmachung wegen einvernehmlicher Zeugenentlassung ausgeschlossen? * gegen Entlassung des Zeugen als Maßnahme der Verhandlungsleitung Rechtsbehelf nach § 238 II StPO möglich
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