im Integrationsjournal - Lehrerweb
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INTEGRATIONSJOURNAL Juni 2012<br />
Kein Tag wie jeder andere – aus dem Berufsalltag eines<br />
Beratungslehrers<br />
Fünf Minuten vor halb acht, U3 Station Zippererstraße. „S<strong>im</strong>mering-Kapfenberg, das nenn<br />
ich Brutalität.“ Warum fällt mir jetzt ein Qualtinger-Zitat ein? Weil heute eine Volksschule in<br />
S<strong>im</strong>mering mein Arbeitsplatz ist, ich spät dran bin und Beratungsgespräche vor<br />
Unterrichtsbeginn nicht zu meinen Lieblingsdisziplinen gehören. Doch es hat sich wieder<br />
einmal nicht anders einrichten lassen.<br />
Immerhin schaffe ich es pünktlich in der Schule zu sein. Die berufstätige Mutter erwartet<br />
mich schon, aber auch das eine oder andere Zetterl in meinem Postfach. Darunter eines von<br />
der Frau Direktor und eines von der Klassenlehrerin der 4.a. Auf dem ersten ein ganz<br />
sachliches „Bitte bei mir vorbeischauen“, auf dem zweiten eher so etwas wie ein Hilfeschrei.<br />
Das Gespräch mit der Mutter verläuft zufriedenstellend, es ist allerdings ein Erstgespräch<br />
und die Zeit wird knapp. Doch die Frau ist erfahren <strong>im</strong> Umgang mit Beratungsstellen und es<br />
gelingt uns gut Vereinbarungen für die Betreuung ihres Kindes zu treffen, den Rahmen für<br />
das nächste Monat abzustecken und einen neuen Termin auszumachen. Als wir uns<br />
voneinander verabschieden, läutet die Glocke zur ersten Stunde und ich werfe einen Blick<br />
auf meinen Kalender, auf die „To Do“- Liste des heutigen Tages. Neben meinen obligaten<br />
Kinderbetreuungsstunden (fünf Einzelbetreuungen, eine Kleingruppe, eine Klassenstunde)<br />
finden sich zu führende Telefonate mit Eltern, BetreuerInnen von sozialpädagogischen<br />
Wohngemeinschaften und SozialarbeiterInnen. Da werden wohl wieder einige leere<br />
Kilometer – besser gesagt Minuten - dabei sein. Deutsche und türkische Schlager auf<br />
Anrufbeantwortern, das obligate „der Kollege spricht gerade“ und des Öfteren das Wort<br />
„Außendienst“. Ganz oben auf meiner Liste ein Name, der fast jeden Tag auf derselben<br />
steht. In meinem Adressbuch befinden sich neben diesem Namen vier durchgestrichene<br />
Handynummern und eine angeblich aktuelle, unter der ich aber auch nie jemanden erreiche.<br />
Mein erster Weg führt mich zur Frau Direktor. Sie telefoniert, es hört sich wichtig an. Ich<br />
beschließe, bei der Hilfeschrei-Lehrerin vorbeizuschauen. Diese hat zwar schon mit dem<br />
Unterricht begonnen, aber ich habe Glück. Sie hat tatsächlich eine Teamlehrerin an ihrer<br />
Seite - ein mittlerweile eher seltenes Ereignis. Blicke werden ausgetauscht und die Co-<br />
Lehrerin übern<strong>im</strong>mt wie selbstverständlich den Unterricht.<br />
Bereits nach den ersten Sätzen der Lehrerin bin ich mir sicher, dass es sich bei dem<br />
Hilfeschrei um keine Lappalie handelt, sondern um etwas, das meine Tagesplanung<br />
einigermaßen durcheinander wirbeln wird. Ich kann nur hoffen, dass mir dieser Tag nicht<br />
allzu viele „Gut, dass ich dich sehe“- Begegnungen beschert. Be<strong>im</strong> Bericht der Lehrerin geht<br />
es um väterliche Gewalt unter Alkoholeinfluss. Der betroffene Bub ist bei mir in Betreuung,<br />
ich kenne die Eltern, sie bekommen auch Unterstützung durch das Amt für Jugend und<br />
Familie. Meiner Einschätzung nach sind hier keine langen Recherchen, sondern schnelles<br />
Handeln gefragt. Gestern hat das Kind <strong>im</strong> Morgenkreis erzählt und geweint, noch dazu hat<br />
die väterliche Hand be<strong>im</strong> Kind sichtbare Spuren hinterlassen. Es scheint mir Gefahr in<br />
Verzug zu sein und ich verspreche der Lehrerin, mir in der nächsten Stunde Zeit für den<br />
Zehnjährigen zu nehmen.<br />
Ich ziehe mich in mein Beratungsz<strong>im</strong>mer zurück, lege einmal ab, hole mir einen Kaffee, setz<br />
mich zum Schreibtisch und erstelle eine Prioritätenliste. Die Kleingruppe, die ich in der<br />
zweiten Stunde hätte, muss ich heute absagen. Mein weiteres Tagesprogramm hängt unter<br />
anderem davon ab, wie das Gespräch mit dem Krisenkind verläuft.<br />
Ich hole das erste Kind aus der Klasse ab. Das Mädchen ist wegen massiven Verlustängsten<br />
nach der Trennung der Eltern bei mir. Nach einem halben Jahr Training hat die Achtjährige<br />
die ersten zwei Übungen zum Gefühlsbarometer und zur Selbsteinschätzung <strong>im</strong> Nu<br />
absolviert. Auch der Rest der (halben) Stunde verläuft erfreulich entspannt. Am Beginn der<br />
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