Editorial - Agile
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AGILE - Behinderung und Politik, Ausgabe 01/04<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
<strong>Editorial</strong><br />
„Eingliederung vor Rente“ – mit der 5. IVG-Revision gilt es ernst! ............... 3<br />
Schwerpunkt: IVG-Revision - Endlich "Eingliederung vor Rente"?<br />
Reformen in der Invalidenversicherung sind unumgänglich......................... 4<br />
Eine IV ausschliesslich auf Bundesebene?.................................................. 8<br />
Weniger Renten für psychisch Behinderte? ................................................. 12<br />
Zeitlich beschränkte Renten? Eher Pauschalbeträge für<br />
die berufliche Wiedereingliederung .............................................................. 15<br />
Sozialpolitik<br />
Sozialpolitische Rundschau ......................................................................... 18<br />
Das Parlament zementiert die Diskriminierung behinderter<br />
Versicherter in der zweiten Säule!................................................................ 21<br />
Ein landesweites Pilotprojekt für alle Behindertengruppen........................... 23<br />
Festbindungen im Kanton Waadt ................................................................. 26<br />
Abstimmungsempfehlung für den 16. Mai: Ja zur Erhöhung der<br />
Mehrwertsteuer, Nein zur 11. AHV-Revision................................................ 27<br />
Gleichstellung<br />
Wieso zwei Gleichstellungsbüros?............................................................... 28<br />
Erwartungen eines Mitglieds des Gleichstellungsrates ................................ 30<br />
Gabriela Blatter: Neue Mitarbeiterin der DOK-Fachstelle "égalité-handicap" 32<br />
Andreas Rieder: Erster Leiter des Eidgenössischen Büros für<br />
die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen.................................. 33<br />
Frankreich: Für Rechts- und Chancengleichheit, Mitbestimmung<br />
und Staatsbürgerschaft von Behinderten ..................................................... 34<br />
Arbeit<br />
Wann findet die nächste Aktionswoche "Arbeit für Behinderte" statt?.......... 36<br />
Kurznachrichten ........................................................................................... 37<br />
Bildung und Kultur<br />
Kursprogramm AGILE – PROCAP............................................................... 38<br />
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Behindertenszene<br />
Neue Bereichsleiterin Sozialpolitik ............................................................... 39<br />
Mit Arnold Schneider verliert die Selbsthilfe einen grossen Kämpfer ........... 40<br />
Medien<br />
Selbstbestimmtes Leben von Menschen mit einer geistigen Behinderung... 41<br />
Kurzhinweise auf Publikationen ................................................................... 43<br />
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AGILE - Behinderung und Politik, Ausgabe 01/04<br />
„Eingliederung vor Rente“ – mit der 5. IVG-Revision gilt es ernst!<br />
Die Sozialversicherungen sind in aller Munde, und die Invalidenversicherung ist es ganz<br />
besonders. Es vergeht beinahe kein Tag mehr, ohne dass irgendein Medium darüber<br />
berichtet oder sich jemand verlautbaren lässt. Das ist, angesichts des Handlungsbedarfs, der<br />
bei der IV besteht, gut so – auf die verunglimpfenden, auf Entsolidarisierung zielenden Voten<br />
gewisser Exponenten der nationalen Politik und die reisserischen und tendenziösen Berichte<br />
einzelner Medien hätten wir allerdings gerne verzichtet. Es sind vor allem folgende<br />
Lösungen, die derzeit öffentlich diskutiert werden: verstärkte interinstitutionelle<br />
Zusammenarbeit, Früherfassung, Arbeitsvermittlung, verbesserte Eingliederung generell.<br />
Das alles sind Massnahmen, die von uns, den Vertreterinnen und Vertretern der betroffenen<br />
Menschen, seit Jahren propagiert und gefordert werden: damit der Leitsatz der IV<br />
„Eingliederung vor Rente“ endlich Wirklichkeit werde! Daran sollten alle interessiert sein, die<br />
Menschen mit einer Behinderung sind es auf jeden Fall: In einer Gesellschaft, in der die<br />
Arbeit einen dermassen hohen Stellenwert besitzt, ist eine Stelle zu haben für sie - noch<br />
mehr als für andere - entscheidend, um am sozialen Leben teilhaben zu können. Und je<br />
mehr Menschen sich wieder in den Arbeitsprozess integrieren beziehungsweise gar nicht erst<br />
herausfallen, desto eher stabilisiert sich das Ausgabenwachstum der IV. Nicht die Höhe der<br />
Leistungen ist das Problem, sondern die Zunahme der Rentnerinnen und Rentner. Die<br />
Leistungen sind im Gegenteil noch immer zu niedrig und müssen ausgebaut werden. Oder<br />
sind die IV-Renten heute etwa auch nur annähernd existenzsichernd?<br />
Die erwähnte Debatte über Verbesserungen bei der IV spielt sich nicht im luftleeren Raum<br />
ab. Kaum ist die 4. IVG-Revision in Kraft getreten (am 1.1.2004), steht uns die nächste<br />
unmittelbar bevor! Schon jetzt über die konkreten Inhalte der 5. Revision zu sprechen, hat<br />
zugegebenermassen etwas Spekulatives. Nach heutigem Informationsstand werden wir erst<br />
Ende März wissen, was genau die Exekutive vorschlägt. Dann nämlich soll die<br />
Vernehmlassung beginnen. Wir wagen es also, etwas zu spekulieren: Mit dieser Ausgabe<br />
unserer Zeitschrift wollen wir Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, aufzeigen, was in etwa<br />
Gegenstand der Revision sein wird, was wir zu erwarten haben. Wir wollen Informationen<br />
und auch Interpretationen liefern, damit Sie gewappnet sind, wenn es los geht, wenn wir alle<br />
gehalten sind, Stellung zu nehmen zum Entwurf, den uns der Bundesrat in rund einem Monat<br />
vorlegt.<br />
Dr. Therese Stutz Steiger<br />
Präsidentin AGILE<br />
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Reformen in der Invalidenversicherung sind unumgänglich<br />
Von Colette Nova 1<br />
Vor den eidgenössischen Wahlen haben sich Politiker und die Medien auf die IV gestürzt.<br />
Der positive Aspekt des teilweise hässlichen Getöses: Endlich ist zur Kenntnis genommen<br />
worden, dass bei der IV ein dringender Handlungsbedarf besteht. Seit Jahren wird der<br />
Bevölkerung ein Demographie-Kollaps der AHV eingeredet, und es werden harte<br />
Sparmassnahmen ergriffen (11. AHV-Revision) oder geplant (Rentenaltererhöhung) – völlig<br />
zu Unrecht. Denn es ist nicht die AHV, sondern die IV, die in finanziellen Schwierigkeiten<br />
steckt. Trotz mehrmaligen Finanzspritzen hat sie nämlich Defizite in der Grössenordnung von<br />
1,5 Milliarden Franken pro Jahr, und ihre Schulden bei der AHV beliefen sich Ende 2003 auf<br />
ca. 4,5 Milliarden Franken. Grund: Immer mehr Menschen erhalten eine IV-Rente. Innert 10<br />
Jahren ist die Anzahl RentenbezügerInnen um 65% von 140'000 auf 232'000 angestiegen.<br />
Die Zunahme betrifft vor allem Invaliditäten aus psychischen Gründen, vor allem bei jüngeren<br />
Menschen. Sie hat auch eine Kosten- und Prämienexplosion in der beruflichen Vorsorge zur<br />
Folge. Im europäischen Vergleich hat die Schweiz die grössten Zuwachsraten und am<br />
meisten jüngere NeurentnerInnen. Gerade das ist beunruhigend, da junge<br />
RentenbezügerInnen lange Zeit in der IV bleiben und deshalb hohe Kosten verursachen. Sie<br />
fehlen der AHV und der IV aber auch als "Langzeitzahler". Und obwohl die IV-Rente ihnen<br />
ein zwar tiefes, aber immerhin regelmässiges Einkommen garantiert, bedeutet die Invalidität<br />
für diese Menschen auch eine soziale und wirtschaftliche Marginalisierung. Wenn die Rente<br />
einmal gewährt ist, haben diese Personen nämlich keinen Anreiz, sich wieder in das<br />
Erwerbsleben und die Gesellschaft zu integrieren. Vor allem aber erhalten sie dann dazu<br />
auch keine Hilfe mehr.<br />
Vielfältige und komplexe Gründe für die Zunahme der Invaliditäten<br />
Selbsternannte Experten, die sich gegenseitig mit aus der Luft gegriffenen Zahlen über "IV-<br />
Missbrauch" überbieten, sind in den letzten Monaten wie Pilze aus dem Boden geschossen.<br />
Die Wirklichkeit ist jedoch viel komplexer: Ein unzureichender Gesundheitsschutz am<br />
Arbeitsplatz – vor allem gesundheitlich belastende Arbeitszeiten – sowie ein oftmals extremer<br />
Leistungsdruck, verbunden mit Arbeitsplatz-Unsicherheit, führen zu gesundheitlichen<br />
Problemen und schliesslich zu Invaliditäten. Zudem wollen viele Arbeitgeber Personen mit<br />
reduzierter Leistungsfähigkeit nicht (mehr) beschäftigen und schieben sie in die IV ab.<br />
Nischenjobs und wenig anspruchsvolle Arbeitsplätze sind wegrationalisiert worden, aus<br />
"latenten" Invaliden sind so "offene" Invalide geworden. Ältere ausländische Arbeitnehmende<br />
mit geringer beruflicher Qualifikation haben bei Gesundheitsproblemen kaum Möglichkeiten,<br />
eine neue Stelle in einem anderen Bereich zu finden. Sozialhilfestellen schieben ihre Kunden<br />
ebenfalls gerne in die IV ab, dort sind sie "versorgt" – aber sie erhalten dort auch kein<br />
Coaching mehr. Ärzte in immer grösserer Zahl, insbesondere Psychiater, wollen ihre Praxen<br />
ebenfalls füllen und "medikalisieren" über einen ausgeweiteten Krankheitsbegriff komplexe<br />
Lebensprobleme, deren Ursache und Lösung eigentlich anderswo lägen. Nichtmedizinische,<br />
invaliditätsfremde Faktoren können auf diese Weise in diffuse Krankheitsbilder und<br />
1 Colette Nova ist geschäftsführende Sekretärin des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB)<br />
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schliesslich in Invaliditäten münden. Es liegt auf der Hand: Es gibt keine simplen Lösungen<br />
für diese komplexen Probleme.<br />
IV für Herausforderungen ungenügend gerüstet<br />
Mit der 4. IVG-Revision sind auf den 1.1.04 regionale medizinische Dienste geschaffen<br />
worden, welche die medizinische Beurteilung von Rentengesuchen verbessern und<br />
vereinheitlichen sollen. Selbst mit dieser Neuerung, die ihre Wirkungen erst noch entfalten<br />
muss, ist die IV schlecht gerüstet für die heutigen Herausforderungen. Ausländische<br />
Erfahrungen und solche aus der Unfallversicherung zeigen: Invaliditäten könnten oftmals<br />
vermieden werden, wenn bei Personen mit längerer Arbeitsunfähigkeit frühzeitig<br />
Massnahmen ergriffen werden könnten. Je länger diese Personen "weg vom Fenster", d.h.<br />
vom Arbeitsplatz sind, desto mehr sinken ihre Wiedereingliederungschancen und der<br />
Gesundheitszustand verschlechtert sich. Doch die IV erfährt viel zu spät von diesen Fällen.<br />
Nach ein- oder mehrjähriger Abwesenheit vom Arbeitsplatz sind ihre<br />
Wiedereingliederungsmassnahmen nur noch selten erfolgreich. Bis die IV ein Dossier<br />
eröffnen kann, ist es deshalb oft schon zu spät. Das Verfahren selbst dauert dann auch im<br />
besten Falle relativ lang. Erfahrungsgemäss sinken während dieser Zeit die<br />
Wiedereingliederungschancen weiter. Gerade die komplexen Fälle mit unklarer Diagnose<br />
dauern dann lange, überlasten und überfordern die IV-Stellen.<br />
Zentral: Frühere und verstärkte Wiedereingliederung<br />
Der IV müssen die Mittel gegeben werden, damit sie rechtzeitig und adäquat handeln kann.<br />
Personen mit längerdauernder Arbeitsunfähigkeit müssen von der IV frühzeitig, d.h. nach 1-3<br />
Monaten, erfasst werden können. Sie muss diese Fälle von den eindeutigen Fällen<br />
aussortieren und ihnen nachgehen. Sie muss in enger Zusammenarbeit mit den Betroffenen,<br />
deren Arbeitgebern, den regionalen medizinischen Diensten, den Arbeitsvermittlern und den<br />
Berufsberatern die Situation abklären. Dort, wo noch Chancen bestehen, eine Invalidisierung<br />
zu vermeiden, muss die IV Massnahmen einleiten bzw. anregen, die die Wiedereingliederung<br />
bezwecken. Damit ein solches System funktionieren kann, braucht es Meldepflichten für die<br />
Arbeitgeber und allfällige Krankentaggeld-Versicherer sowie eine Mitwirkungspflicht der<br />
Betroffenen. Eine zeitliche Befristung der neuen Renten ist als ergänzende Massnahme<br />
sinnvoll, unter der Voraussetzung, dass die IV die Betroffenen mit auf sie zugeschnittenen<br />
Unterstützungsangeboten begleitet.<br />
Auch die Arbeitgeber müssen soziale Verantwortung wahrnehmen<br />
Die Arbeitgeber müssen in diesem Prozess mitwirken, d.h. bereit sein, Schonarbeitsplätze,<br />
angepasste Arbeitszeiten oder Arbeitsplatzwechsel vorzunehmen bzw. anzubieten.<br />
Entlassungen verschärfen die Probleme nur, weil Menschen mit gesundheitlichen Problemen<br />
kaum Chancen auf eine neue Stelle haben und dann fast unweigerlich in der IV landen. Auch<br />
bei den Arbeitgebern braucht es also einen Mentalitätswechsel, sonst nützt ein<br />
Frühinterventionssystem nichts. Zudem müssen sie mehr Arbeitsplätze für<br />
leistungsreduzierte, behinderte und teilinvalide Arbeitnehmende anbieten. Einige Arbeitgeber<br />
tun dies auch heute schon freiwillig. Viele Arbeitgeber und ihre Verbände wollen jedoch keine<br />
soziale Verantwortung wahrnehmen. Gleichzeitig fordern sie tiefere Kosten bei der IV und ein<br />
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grösseres Engagement der betroffenen Personen. Das geht aber nicht auf! Deshalb fordert<br />
der SGB die Schaffung von ökonomischen Anreizen für Arbeitgeber: durch einen besseren<br />
Kündigungsschutz bei Krankheit und ein Quotensystem für die Beschäftigung von<br />
Behinderten. Zudem sind Investitionen in die Prävention (besserer Gesundheitsschutz am<br />
Arbeitsplatz) billiger als in der Wiedereingliederung und als Renten. "Wiedereingliederung vor<br />
Rente": Die Umsetzung dieses Grundsatzes darf nicht alleine dem IV-Apparat und den<br />
Betroffen aufgebürdet werden. Auch die Arbeitgeber müssen das ihre dazu beitragen!<br />
Die IV-Strukturen verbessern<br />
Bei den Rentenquoten gibt es grosse Unterschiede unter den Kantonen, die sich nur<br />
teilweise durch objektive Faktoren erklären lassen. Sie sind auch auf unterschiedliche<br />
Vorgehensweisen und Dossierbehandlungen der IV-Stellen zurückzuführen, vor allem bei der<br />
Wiedereingliederung. Obwohl die IV eine eidgenössische Versicherung ist, haben die<br />
Versicherten also keine Chancengleichheit. Eine frühere, bessere und einheitliche<br />
Wiedereingliederung und eine Harmonisierung der Rentenzusprache setzen voraus, dass die<br />
Unterschiede reduziert werden. Dazu muss der Bund mehr Kompetenzen erhalten und<br />
einheitliche Vorgaben durchsetzen können. Eine stärkere Aufsicht des Bundes setzt<br />
Änderungen der heutigen, veralteten Strukturen voraus. Dezentrale Stellen "vor Ort", nahe<br />
bei den Versicherten, braucht es aber auf jeden Fall weiterhin, eine Zentralisierung der IV in<br />
Bern würde also keinen Sinn ergeben. Die Vertreter der Beitragszahlenden fordern zudem, in<br />
der IV neu Mitsprache- und Mitwirkungsrechte zu erhalten, ähnlich wie in der SUVA oder in<br />
der Arbeitslosenversicherung. Gegenwärtig stehen mehrere Modelle zur Diskussion.<br />
Sachliche Diskussion statt populistische Verunglimpfung<br />
Diejenigen, die aus Populismus von einem massiven "Missbrauch" der IV sprechen, haben<br />
bisher keine Lösungsvorschläge präsentiert. Es wurden aber schon andere Vorschläge ins<br />
Spiel gebracht, die problematisch bis gefährlich sind. Personen mit bestimmten<br />
medizinischen Diagnosen von vornherein vom Anspruch auf eine IV-Rente auszuschliessen,<br />
würde die Funktion der IV als Existenzsicherung bei Invalidität zerstören. Stattdessen<br />
müssen die versicherungsmedizinischen Ressourcen und Kompetenzen der IV ausgebaut<br />
werden, damit sie solche Fälle besser abklären kann. Eine ähnlich negative Wirkung wie ein<br />
Ausschluss von bestimmten Diagnosen hätte die Einführung einer Mindestbeitragsdauer. In<br />
einer Versicherung, die auch bei Geburts- und Frühinvalidität Leistungen erbringt, in der die<br />
ganze Bevölkerung von Geburt an versichert ist und in der es um die Existenzsicherung geht,<br />
wäre das zudem systemfremd. Die Abschaffung von Leistungen, die insgesamt für die IV-<br />
Rechnung "peanuts", für die einzelnen Behinderten aber sehr wichtig sind, wie etwa die<br />
Übernahme von Transportkosten, ergibt ebenfalls keinen Sinn. Eine Einschränkung der<br />
Verfahrensrechte der Versicherten – etwa durch Kostenpflichtigkeit oder gar Abschaffung der<br />
Einsprachemöglichkeit – mag auf den ersten Blick angesichts der Prozesslawine verlockend<br />
klingen, kann aber nicht die Lösung sein, da damit elementare Rechtsgrundsätze der<br />
Versicherten verletzt würden.<br />
Der Handlungsbedarf ist anerkannt. Es braucht tiefgreifende Reformen. Es muss ohne<br />
Verzögerung gehandelt werden, dies umso mehr, als es nach einer Gesetzesrevision auch<br />
noch Zeit für die Umsetzung und für den Aufbau der neuen Strukturen braucht. Deshalb ist<br />
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es zentral, dass die 5. IVG-Revision im Parlament objektiv und lösungsorientiert behandelt<br />
wird. Das Kochen von populistischen "Missbrauchs"-Süppchen oder pseudo-föderalistische<br />
Machtkämpfe zwischen den IV-Stellen und dem Bund, wie wir sie in der 4. IVG-Revision<br />
erlebt haben, bringen uns nicht weiter und würden wertvolle Zeit vergeuden!<br />
Am 16. Mai ein JA zur Erhöhung der Mehrwertsteuer<br />
Auch mit allen diesen Kostendämpfungs-Massnahmen kommt man nicht um zusätzliche<br />
Einnahmen für die IV herum. Die Defizite der IV müssen finanziert und die Schulden bei der<br />
AHV zurückbezahlt werden. Das Parlament hat deshalb die Erhebung von 0,8<br />
Mehrwertsteuer-Prozent zugunsten der IV beschlossen. Das ist knapp, voraussichtlich sogar<br />
zuwenig, aber eine erste Entlastung. Für dieses 0,8 % MWSt-Prozent braucht es eine<br />
Verfassungsbestimmung, über die Volk und Stände am 16. Mai 2004 abstimmen. FDP, SVP<br />
und Wirtschaft bekämpfen diese Vorlage, sie greifen das darin ebenfalls enthaltene MWSt-<br />
Prozent zugunsten der AHV an. Diese Haltung ist angesichts der schwierigen finanziellen<br />
Situation der IV verantwortungslos. Es ist deshalb unbedingt wichtig, für die<br />
Mehrwertsteuervorlage zu mobilisieren und ihr zuzustimmen.<br />
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Eine IV ausschliesslich auf Bundesebene?<br />
Von Ursula Schaffner 2<br />
Im Vorfeld des Vernehmlassungsverfahrens zur 5. IVG-Revision wird in verschiedenen<br />
Kreisen darüber diskutiert, welche Vor- und Nachteile eine Zentralisierung der IV-Stellen<br />
beim Bund haben könnte. Dabei ist bereits der unterschiedliche Sprachgebrauch interessant.<br />
Die IV-Stellenleiter-Konferenz (IVSK) diskutiert die Frage unter dem Titel, ob die IV inskünftig<br />
ausschliesslich als Bundeslösung zu konzipieren sei. 3 In der Botschaft zur Neugestaltung des<br />
Finanzausgleichs (NFA) ist zu lesen, „Finanzierung und Vollzug der individuellen Leistungen<br />
[gemeint sind IV-Leistungen; U.S.] sollen ausschliesslich Bundessache werden.“ 4 Das<br />
Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) seinerseits spricht von Harmonisierung der<br />
Vollzugspraxis des IVG. 5<br />
Um was geht es?<br />
In der Botschaft zur NFA wird der Ruf nach Zentralisierung folgendermassen begründet:<br />
Damit würden einfachere, durchschaubare Strukturen geschaffen (Zusammenführen von<br />
Regelung, Aufgaben- und Ausgabenkompetenzen), und der Bund könne die volle<br />
Verantwortung für die Leistungen der IV übernehmen, was die Vereinheitlichung der<br />
Rechtsanwendung erleichtere. Schliesslich erhalte der Bund die Möglichkeit, eine schlankere<br />
und somit kostengünstigere Administration zu schaffen. Trotz der Zentralisierung auf<br />
organisatorischer Ebene sollen die IV-Stellen nach wie vor regional präsent bleiben.<br />
Ebenfalls laut der Botschaft zur NFA soll anderseits das Sonderschulwesen – da die<br />
Schulhoheit bei den Kantonen liegt – sowie die fachliche und finanzielle Verantwortung für<br />
den Bereich Bau und Betrieb von Institutionen voll an die Kantone übergehen.<br />
Die Diskussion um eine einheitlichere Bundeslösung beim Vollzug der individuellen<br />
Leistungen des IVG wurde zusätzlich durch die Tatsache angefacht, dass es grosse<br />
Unterschiede in der Rentenquote zwischen den Kantonen gibt. So bezogen im Kanton Basel-<br />
Stadt 2003 8,8% der Wohnbevölkerung eine IV-Rente, im Kanton Nidwalden dagegen nur<br />
3,5%.<br />
Heutige Situation<br />
Mit der 3. IVG-Revision, welche am 1. Januar 1992 in Kraft trat, wurden die damaligen IV-<br />
Sekretariate, IV-Regionalstellen und IV-Kommissionen zu den heutigen 26 kantonalen IV-<br />
Stellen zusammengefasst. Die Kantonalisierung wurde gegen den starken Widerstand unter<br />
anderem von ASKIO (heute AGILE), Procap und DOK durchgesetzt. Die Behinderten-<br />
Organisationen argumentierten damals, es seien überregionale, jeweils mehrere Kantone<br />
2 Ursula Schaffner ist die neue Bereichsleiterin Sozialpolitik von AGILE. Ihr Porträt finden Sie weiter hinten in<br />
dieser Ausgabe.<br />
3 „Perspektiven für die Invalidenversicherung. Handlungsfelder im Hinblick auf die 5. IVG-Revision“, Papier der<br />
IV-Stellenleiter-Konferenz, August 2003, S. 27 ff.<br />
4 Botschaft des Bundesrates zur NFA vom 14.11.2001, BBL 2002, 2291, S. 162 ff.<br />
5 Gemäss Aussage im Rahmen der Sitzung der AHV/IV-Kommission vom 29.1.2004<br />
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umfassende IV-Stellen einzurichten, um eine möglichst optimale Transparenz, Kompetenz,<br />
Effizienz und Bürgernähe zu gewährleisten.<br />
Heute führen die kantonalen IV-Stellen insbesondere Abklärungen für individuelle Leistungen<br />
durch und verfügen diese. Sie stehen dabei unter der Aufsicht des BSV. Ebenfalls auf<br />
Bundesebene wird grundsätzlich geregelt und entschieden, welche Leistungen unter welchen<br />
Voraussetzungen gesprochen werden können, wie auch die Ausgabenkompetenz beim Bund<br />
liegt. Die Organisation der IV-Stellen inklusive die Personalpolitik liegt dagegen in der Hand<br />
der Kantone, wogegen die Finanzierung zu 87,5% durch den Bund erfolgt.<br />
Diese Strukturen sind wenig transparent und erschweren die Kontrolle des Vollzugs durch<br />
den Bund. Zudem gewährt das IVG den IV-Stellen einen relativ grossen Ermessensspielraum<br />
bei der Zusprechung oder Ablehnung von Leistungen.<br />
Verschiedene Untersuchungen<br />
Um die Gründe für die divergierenden kantonalen Rentenquoten zu ermitteln, wurden<br />
verschiedene Untersuchungen durchgeführt. Das Büro BASS (Büro für arbeits- und<br />
sozialpolitische Studien in Bern) führte im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms 45<br />
"Probleme des Sozialstaates" eine entsprechende Analyse durch. Die Ergebnisse werden<br />
der Öffentlichkeit anfangs März vorgestellt. Es kann hier so viel gesagt werden, als dass die<br />
interkantonalen Unterschiede bei den Rentenquoten nur zu einem kleinen Teil auf Faktoren<br />
zurückzuführen sind, welche von den IV-Stellen offensichtlich beeinflusst werden können.<br />
Eine Studie hat auch die IVSK durchgeführt. 6 Diese zeige, dass bei anderen Zweigen der<br />
Sozialversicherung noch grössere interkantonale Abweichungen beim Vollzug bestünden als<br />
bei der IV. Auffällig sei dies insbesondere bei der SUVA, welche zentral organisiert ist.<br />
Ebenfalls grössere interkantonale Unterschiede seien beim Vollzug der ALV und beim KVG<br />
festzustellen. Da die IV nach anderen Leistungsträgerinnen in der Regel als letzte<br />
Versicherung zum Zug komme, liegt es nach Auffassung der IVSK auf der Hand, dass diese<br />
letzte Versicherung die Ungleichheiten ihrer Vorgängerinnen erbe. Die IVSK stellt deshalb in<br />
Frage, ob die unterschiedliche Rentenquote ein relevanter Faktor beim Vergleich der<br />
Vollzugspraxis der IV-Stellen sei.<br />
Vor- und Nachteile einer stärkeren Zentralisierung<br />
Die folgenden Argumente beruhen auf diversen Telefongesprächen mit IV-Stellen-Leitern,<br />
dem Geschäftsführer von Procap sowie auf Diskussionen innerhalb des AGILE-<br />
Zentralsekretariats.<br />
6 Ein Papier, welches die Untersuchungsergebnisse enthält, wird gemäss telefonischer Auskunft von Werner<br />
Durrer, Leiter IV-Stelle Luzern, von der IVSK am 17./18.2.2004 verabschiedet, d.h. nach Redaktionsschluss.<br />
Die Angaben in diesem Abschnitt beruhen auf einem mit Herrn Durrer am 20.1.2004 geführten<br />
Telefongespräch.<br />
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Die Nachteile:<br />
• Die Verwaltung wird zusätzlich gestärkt und ist gleichzeitig weit weg von der Kundin, vom<br />
Kunden.<br />
• Ein Umbau der Vollzugsorganisation kostet sehr viel Geld und wird nicht ohne weiteres zu<br />
einem Verschwinden der kantonal unterschiedlichen Rentenquoten führen.<br />
• Bereits heute existieren verschiedene Formen der regionalen Zusammenarbeit, z.B. in<br />
den Bereichen Recht und Medizin sowie Wirtschaft. Das heisst, faktisch ist eine partielle<br />
Zentralisierung bereits am Entstehen. Auf ihr könnte weiter aufgebaut werden.<br />
• Im Bereich der Wiedereingliederung braucht es lokale und regionale Kenntnisse sowie<br />
eine Vernetzung mit der Politik und Wirtschaft vor Ort, Voraussetzungen, welche das BSV<br />
nicht erbringen kann.<br />
• Wenn die Rechtsanwendung bisher offenbar uneinheitlich war, liegt dies unter anderem<br />
an der mangelnden Kontrolle durch das BSV. Eine Vereinheitlichung der<br />
Rechtsanwendung durch eine Zentralisierung könnte, wenn überhaupt, nur mit<br />
zusätzlichem Personal erreicht werden.<br />
• Mit der seit 1996 angebotenen vereinheitlichten Ausbildung von IV-Stellen-Angestellten,<br />
welche vom BSV abgesegnet ist, hat bereits eine zunehmende Vereinheitlichung der<br />
Rechtsanwendung eingesetzt.<br />
• Die heutige relative Unabhängigkeit der IV-Stellen von der politischen Agenda ist im<br />
Sinne der Anspruchsberechtigten. Sachliche Kriterien stehen im Vordergrund beim<br />
Entscheid über die Leistungserbringung. Läge die Entscheidkompetenz beim BSV, wären<br />
die Entscheide über die Erbringung oder Verweigerung von Leistungen vermehrt den<br />
politischen Auseinandersetzungen im Parlament ausgesetzt, welche heute oft einseitig<br />
mit ökonomischen und betriebswirtschaftlichen Argumenten geführt werden.<br />
Die Vorteile:<br />
• Die Rechtsanwendung würde vereinheitlicht. Dieses Ziel ist einerseits im Sinne der<br />
Anspruchsberechtigten selber, da damit die Akzeptanz von Entscheiden erhöht werden<br />
kann. Andererseits besteht ein übergeordnetes Interesse, dass der Staat bei einer<br />
Bundesversicherung eine „unité de doctrine“ im Vollzug hat.<br />
• Das BSV hätte verstärkte Einflussmöglichkeiten auf die Vollzugsstrategien und damit auf<br />
die Harmonisierung des Vollzugs der einzelnen IV-Stellen.<br />
• Eine einheitliche Vollzugsstrategie, insbesondere der Primat „Eingliederung vor Rente“, ist<br />
bei einer Zentralisierung aufgrund der heute zur Verfügung stehenden Daten einfacher<br />
durchzusetzen als beim jetzigen dezentralen Vollzug.<br />
• Die einzelnen IV-Stellen stünden in einem verstärkten Wettbewerb zu einander und<br />
müssten ihre Leistungen unter neuen Gesichtspunkten miteinander vergleichen.<br />
• Die Struktur des Vollzugs wäre durchschaubarer, die Akzeptanz des IV-Vollzugs würde<br />
sich erhöhen.<br />
• Das Lobbying würde für die Behinderten-Selbsthilfeorganisationen einfacher.<br />
Fazit<br />
Neben der Abwägung einzelner Vor- und Nachteile müsste eine verstärkte Kompetenz des<br />
Bundes beim IVG-Vollzug in den Gesamtzusammenhang der tatsächlich bei der IV<br />
bestehenden Probleme gestellt werden. Es wird ebenfalls zu beachten sein, wie die<br />
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Vorgaben der NFA mit den Anliegen der 5. IVG-Revision zu vereinbaren sind. Da bisher erst<br />
wenige Details der 5. IVG-Revision bekannt sind, ist noch unklar, welche Lösungen dem<br />
Bund zur Harmonisierung des Vollzugs des IVG vorschweben.<br />
Aus Sicht der Betroffenen und der Behindertenselbsthilfe wird der im März 2004 erwartete<br />
Vernehmlassungsvorschlag zur 5. IVG-Revision sicher darauf hin zu prüfen sein, welche Vorund<br />
Nachteile ihnen/ihr eine allfällige Neuorganisation oder Neuausrichtung des Vollzugs<br />
bringen würde. Die wichtigen Fragen hier sind: Könnten mit einer verstärkten Kontrolle der<br />
IV-Stellen durch das BSV die unbestritten zu lange dauernden Verfahren verkürzt werden?<br />
Und wäre die Zentralisierung der IV-Stellen beim Bund tatsächlich eine erfolgsversprechende<br />
Massnahme, um das Kostenwachstum bei der IV zu verlangsamen?<br />
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Weniger Renten für psychisch Behinderte?<br />
Von Françoise Steiner 7<br />
Christoph Blocher hat im Wahlkampf den Ton angegeben: Der Schweiz gehe es schlecht,<br />
und schuld daran seien die Ausländer. Die IV sei in einem schlechten Zustand: Der Fehler<br />
hier liege bei den ausländischen Rentnern und bei psychisch Behinderten, die im Kern<br />
falsche Behinderte, sogenannte "Scheininvalide" seien und lieber eine Rente bezögen als<br />
arbeiten zu gehen.<br />
Woher kommt dieser gehässige Ton? Wieso schiebt auch der "Patron" der Arbeitgeber, Peter<br />
Hasler, die Schuld auf die Behinderten?<br />
Ist diese ganze Aktion nicht vielmehr ein Mittel, die Bevölkerung von den tatsächlichen<br />
Problemen und Ungerechtigkeiten in diesem Land abzulenken?<br />
Ich habe noch nie gehört, dass sich diese Alphatiere der Schweizer Politik in ähnlicher Weise<br />
aufgehalten hätten über die um sich greifende Armut, über stagnierende oder sinkende<br />
Löhne bei der Mittelklasse, über Hungerlöhne in gewissen Berufssparten, über "working<br />
poors"; schon gar nicht über sagenhafte Spitzenlöhne und goldene Fallschirme, die für<br />
gewisse "Eliten" ausgeschüttet bzw. aufgespannt werden.<br />
Wissenschaftlich unhaltbar<br />
Das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) hat die populistischen Äusserungen von Herrn<br />
Blocher zu den Ausländern dementiert, indem es Mitte Januar eine Studie publiziert hat, die<br />
aufzeigt, dass Invalidität häufiger bei Schweizerinnen und Schweizern auftritt als bei<br />
Ausländerinnen und Ausländern und dass der Anteil Leistungsbezüger, die im Ausland<br />
wohnen (13% im Jahr 2002), zur Zeit niedriger ist als z.B. 1990 (17%). Weiter zeigt die<br />
Studie auf, dass die Verteilung der Renten zwischen Schweizern und Ausländern stabil<br />
geblieben ist.<br />
Ich hoffe, das BSV publiziere demnächst eine Studie zu den "Scheininvaliden", die dieser<br />
unglückseligen Kampagne gegen Menschen, die unter einer nach aussen hin nicht<br />
sichtbaren Behinderung leiden, ein Ende setzt.<br />
Wer sind nun genau diese Behinderten, die gewisse Personen am liebsten aus der Liste der<br />
IV-RentenbezügerInnen streichen möchten?<br />
Die IV-Stellen-Konferenz hat letzten August eine Liste publiziert, auf der die "nichtinvalidisierenden<br />
Krankheiten" aufgeführt sind. Zu letzteren gehören gemäss Liste:<br />
• Verhaltensstörungen und psychische Störungen, die auf den Konsum von<br />
psychotropen Substanzen zurückzuführen sind<br />
• Depressive Episoden (sämtliche Schweregrade)<br />
• Depressive Störungen mit rezidivierendem Charakter<br />
• Dysthymia<br />
• posttraumatische Belastungsstörungen<br />
7 Françoise Steiner ist Verantwortliche für Sozialpolitik bei Procap und Vertreterin für psychisch Behinderte im<br />
Gleichstellungsrat.<br />
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AGILE - Behinderung und Politik, Ausgabe 01/04<br />
• Anpassungsstörungen<br />
• Somatoforme Symptome<br />
• Neurasthenie<br />
• Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen<br />
• Chronic Fatigue Syndrom (CFS)<br />
• Adipositas<br />
• Schmerzkrankheit<br />
• Fibromyalgie<br />
Es ist richtig, dass die Erhöhung der Anzahl von IV-RentenbezügerInnen u.a. auch deshalb<br />
so ausgeprägt ausfällt, weil die Diagnostik in den Bereichen Neurose, auf das jeweilige<br />
Umfeld zurückzuführende reaktive Störungen, Borderline-Situationen sowie depressive und<br />
psychosomatische Störungen erweitert und ausgebaut wurde.<br />
Man muss sich allerdings auch mit der Frage auseinandersetzen, wieso diese Störungen<br />
gehäuft auftreten. Es gibt zahlreiche Faktoren, die dafür verantwortlich zeichnen:<br />
• Veränderungen des Arbeitsmarktes, die sich in Druck am Arbeitsplatz, in<br />
Arbeitslosigkeit und psychischem Stress äussern können; Streichung von<br />
Nischenarbeitsplätzen, die es fragilen Personen ermöglichten, in Unternehmen<br />
integriert zu bleiben; Überweisung von älteren oder für nicht ausreichend produktiv<br />
eingeschätzten Arbeitern an die IV etc.<br />
• Entwicklung der Gesellschaft, die sich z.B. in einer Erhöhung der Scheidungsrate,<br />
alleinerziehenden Elternteilen oder Einsamkeit äussert, was wiederum zu psychischen<br />
oder psychosomatischen Krankheiten führen kann.<br />
• Enttabuisierung der psychischen Krankheiten, die eine Erhöhung der psychiatrischen<br />
Konsultationen nach sich zieht und vom Gefühl der Schande befreit, welches früher<br />
die psychischen Erkrankungen begleitete.<br />
Leider nicht sichtbar!<br />
Es ist ein Irrtum zu glauben, psychische und psychosomatische Krankheiten seien keine<br />
"richtigen" Behinderungen bzw. würden nicht "invalidisierend" wirken. Alle, die jemals<br />
psychisch erkrankt sind, wissen, wie stark derartige Störungen schmerzen und paralysieren<br />
können. Wer an einer psychischen Krankheit leidet, will nur eines: Den ursprünglichen<br />
Zustand wieder herstellen und die normalen Aktivitäten wieder aufnehmen.<br />
Leider behindert eine derartige Krankheit immer stärker, je länger sie dauert. Die betroffene<br />
Person verliert ihre Stelle und hat kaum eine Chance, eine andere zu finden. Es ist also<br />
durchaus die Behinderung, welche ihr das Arbeiten verunmöglicht. Das Dumme ist nur, dass<br />
man die Behinderung nicht sieht. Und gerade dieser Umstand kann sehr behindernd wirken.<br />
Es wäre ungerecht, diskriminierend und ausgrenzend, die Renten für psychisch Behinderte<br />
zu streichen. Es wäre ein Schritt zurück in eine Vergangenheit, in der ausschliesslich für<br />
nach aussen hin sichtbare Behinderungen Renten gesprochen wurden.<br />
Es wäre auch ein Rückfall in die Ghettoisierung der psychischen Behinderung – und das<br />
muss unbedingt vermieden werden.<br />
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AGILE - Behinderung und Politik, Ausgabe 01/04<br />
Für eine Person, die unter einer psychischen Behinderung leidet, ist es ausgesprochen<br />
wichtig, akzeptiert zu werden. Man muss ihr auch die finanziellen Mittel zur Verfügung<br />
stellen, damit sie ihren Lebensunterhalt bestreiten kann. Ohne diese Unterstützungen gehen<br />
die Perspektiven verloren und die Krankheit verschlimmert sich zusehends, was wiederum zu<br />
langdauernden und kostspieligen Hospitalisationen und manchmal sogar zu einem willentlich<br />
herbeigeführten Tod führen kann.<br />
Übersetzung: [Scrive] – Rolf Hubler<br />
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AGILE - Behinderung und Politik, Ausgabe 01/04<br />
Zeitlich beschränkte Renten?<br />
Eher Pauschalbeträge für die berufliche Wiedereingliederung<br />
Von Claude Bauer<br />
Innenminister Pascal Couchepin hat bereits anlässlich des traditionellen Ausflugs auf die<br />
Sankt Petersinsel im Mai 2003 in Bezug auf die 5. IVG-Revision – unter anderem –<br />
angekündigt, dass die Renten zeitlich beschränkt werden könnten. Die erste Reaktion auf die<br />
Ankündigung, aus dem Bauch heraus und ohne Filterung durch Nachdenken, war:<br />
"Katastrophal!". Man muss sich nur einmal die Zeit und die Energie vor Augen führen, die<br />
aufgewendet werden müssen, um eine Rente zugesprochen zu erhalten – das kann ein, zwei<br />
oder sogar noch mehr Jahre dauern. Da vergeht einem die Lust, die ganze Übung wieder<br />
und wieder durchzuexerzieren, z.B. alle zwei Jahre (das ist die Zeitdauer, die in diesem<br />
Zusammenhang am häufigsten erwähnt wird).<br />
Per definitionem ist eine Rente ein "jährliches Einkommen, das jedes Jahr fällig wird…". 8<br />
Eine zeitlich befristete Rente kann es folglich gar nicht geben, bei Couchepins Vorschlag<br />
handelt es sich also vielmehr um einen Pauschalbetrag, der z.B. verteilt über 24 Monate<br />
ausgeschüttet wird. Von daher wäre es angebracht, statt von befristeter Rente von einer<br />
Pauschale für die berufliche Wiedereingliederung zu sprechen. Wer sich das Ganze ein<br />
bisschen eingehender überlegt, muss zum Schluss kommen, dass diese Pauschale für die<br />
berufliche Wiedereingliederung ein durchaus brauchbarer Vorschlag ist, sofern sie mit einem<br />
klaren Ziel und einigen klar formulierten Bedingungen verknüpft wird. Das Ziel muss, in<br />
Übereinstimmung mit dem erklärten Grundsatz der IV, sein: "Wiedereingliederung vor<br />
Rente". Die Bedingungen müssen einen Bezug aufweisen zu diesem Grundsatz, und die<br />
zentralen Begriffe müssten lauten: "Beschleunigung", "berufliche Integration".<br />
So früh und so schnell wie möglich<br />
Es liegt auf der Hand, dass man eine Entscheidung schneller und leichter fällen kann, wenn<br />
man weiss, dass sie nur auf zwei Jahre hinaus Auswirkungen haben wird (und nicht auf 10,<br />
20 oder mehr Jahre hinaus). Das ist nun aber genau das, worum es geht: Es ist zu hoffen,<br />
dass die Arbeit der IV-Stellen schneller einsetzt und unendlich viel zügiger abläuft. Der<br />
Presse war zu entnehmen, dass der Direktor des Schweizerischen Arbeitgeberverbandes,<br />
Peter Hasler, die Idee unterstützt, dass der erkrankte Arbeitnehmer, dessen Arzt oder<br />
Arbeitgeber dazu verpflichtet wird, eine mehr als 30 Tage (aufgerechnet z.B. auf drei<br />
Monate) dauernde Absenz der IV-Stelle oder einem Früherkennungs-Zentrum zu melden;<br />
dies auch für den Fall, dass die Absenz (noch) nicht auf eine Behinderung zurückzuführen<br />
ist. Die IV-Stelle bzw. das zuständige Zentrum müsste dann Massnahmen treffen, die darauf<br />
abzielen, die Arbeitsstelle für den betroffenen Arbeitnehmer zu erhalten oder ihm innert<br />
kurzer Frist eine besser geeignete Stelle zu finden. Sofern sinnvolle Sicherheitsvorkehrungen<br />
vorgesehen werden, haben behinderte Personen guten Grund, sich ebenfalls hinter dieses<br />
Prinzip zu stellen.<br />
8 Vgl. Larousse.<br />
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AGILE - Behinderung und Politik, Ausgabe 01/04<br />
Ziel dabei kann nicht sein, die Renten restriktiver zu verteilen als bis anhin; es geht in erster<br />
Linie darum, so vielen Versicherten wie möglich ihre Arbeitsstelle zu erhalten. Wenn man nun<br />
wirklich will, dass Personen mit einer bestehenden oder voraussichtlichen künftigen<br />
Behinderung ihre Arbeitsstelle behalten (womöglich nach einer Umschulung) oder eine neue<br />
finden können, so wird man nicht mehr am Personal sparen dürfen, das dazu ausgebildet ist,<br />
in den Unternehmen Stellen zu suchen. Das ist die klassische Form einer Investition: Man<br />
gibt hundert Rappen aus und gewinnt damit hundert Franken. Im vorliegenden Fall geht es<br />
darum, die IV besser zu organisieren, damit der Grundsatz "Integration vor Rente" mehr und<br />
mehr zum Tragen kommen kann.<br />
Besser Arbeitsstellen als Renten: erste Versuche<br />
Die IV-Stelle Luzern und Profil Sankt Gallen haben vor drei Jahren begonnen, nach diesem<br />
Grundsatz zu arbeiten. Es wurden persönliche Kontakte zu Unternehmen geknüpft. Im<br />
Gegensatz zu den IV-Stellen kann die Stiftung Profil ihre Kunden, die sie unterstützt, dazu<br />
verpflichten, einen Motivationsnachweis zu erbringen. Dieser kann beispielsweise darin<br />
bestehen, dass in Eigeninitiative Anstrengungen zur Stellensuche unternommen – und<br />
nachgewiesen – werden. Immerhin kann selbst die IV-Stelle dank des Netzes an<br />
Unternehmen, bei denen sie sich als Spezialistin für Wiedereingliederung positionieren<br />
konnte, einen gewissen Erfolg ausweisen: Die Zahlen zeigen auf, dass ein/e<br />
ArbeitsvermittlerIn rund 50 Arbeitsplätze pro Jahr in der freien Wirtschaft für Personen mit<br />
einer Behinderung finden kann. Von den 50 Personen ist mindestens die Hälfte nicht mehr<br />
auf eine Rente angewiesen, gut ein Viertel bezieht eine halbe Rente, 6 % eine Viertelrente<br />
und etwa 10 % sind, trotz Anstellung, auf eine volle Rente angewiesen. 9 Laut dem Vorsteher<br />
der IV-Stelle Luzern können dank diesem Vorgehen mehrere hunderttausend Franken pro<br />
Jahr und ArbeitsvermittlerIn eingespart werden, und dies nach Abzug des Salärs und der<br />
Sozialleistungen für den/die betreffende/n IV-Stellen-Angestellte/n.<br />
Welche Vorkehrungen müssen gegeben sein?<br />
Schnelligkeit<br />
Wenn die Abklärungsmittel und die Reaktionszeit der IV-Stellen so bleiben, wie sie sind -<br />
heute kann es zwei Jahre dauern, bis der Entscheid vorliegt -, so ist eine Wiederaufnahme<br />
des Verfahrens nach beispielsweise 2 Jahren unzulässig. Der Entscheid in Bezug auf die<br />
Integrationspauschale müsste deshalb notwendigerweise viel rascher erfolgen als der<br />
gegenwärtige Rentenentscheid. Natürlich kann eine derart rasch gefällte Entscheidung nicht<br />
sämtliche Zuteilungskriterien erfüllen, die bei einer endgültig gesprochenen Rente zur<br />
Anwendung gelangen müssen. Nachprüfungen werden nicht zu vermeiden sein. Wir möchten<br />
aber schon jetzt warnen vor Neueinschätzungen, wie sie in gewissen Fällen vorgenommen<br />
wurden. Der folgende Fall hat sich zwar nicht in einer IV-Stelle ereignet, ist aber deshalb<br />
nicht weniger real: Eine Person, der beide Augen herausgenommen worden waren, musste<br />
sich periodisch einem Sehtest unterziehen… Nachahmenswert ist das garantiert nicht!<br />
9 Neue Zürcher Zeitung vom 16. Januar 2004.<br />
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Zwar sollte darauf geachtet werden, dass die Bürokratie nicht unnötig aufgeblasen wird – auf<br />
der anderen Seite dürfte es klar sein, dass die IV-Stellen oder Früherkennungs-Zentren über<br />
das nötige Personal verfügen müssen, um rasch handeln zu können: Alle guten Ideen und<br />
Vorsätze werden nicht in der Lage sein, behinderten Personen eine Stelle zu finden, wenn<br />
das für diese Arbeit nötige Personal fehlt.<br />
Betreuung an der Arbeitsstelle und administrative Betreuung<br />
Es liegt auf der Hand: Die Aufgabe, die ganze Maschinerie erneut anzuwerfen, bevor die<br />
aktuelle Rente abgelaufen ist, sollte nicht den Versicherten überwälzt werden, sondern viel<br />
eher der IV-Stelle. Unabhängig davon, ob der Versicherte seine Stelle behält oder eine neue<br />
antreten kann (eventuell nach einer Weiterbildung / Umschulung), obliegt es klar den IV-<br />
Stellen, die betroffenen Personen mehr oder weniger eng zu begleiten, und sei es nur, damit<br />
der Arbeitgeber nicht seine ganze Zeit damit zubringen muss, die betroffene Person speziell<br />
zu betreuen. Es ist leicht nachvollziehbar, dass Arbeitgeber – besonders solche aus dem<br />
KMU-Bereich, welche zahlenmässig die grössten Arbeitgeber der Schweiz darstellen – kein<br />
zweites Mal eine behinderte Person beschäftigen werden, wenn sie feststellen, dass ihnen<br />
dieses Engagement zuviel Zusatzarbeit beschert.<br />
Wenn die zeitlich beschränkten Renten zur Regel werden sollten, so bleibt zu hoffen, dass<br />
Ausnahmefälle mit Vernunft gehandhabt werden. So zum Beispiel, wenn eine Person, selbst<br />
wenn sie arbeiten möchte, dazu einfach keine Chance hat. Die betroffenen Personen sollten<br />
ein Recht auf eine Rente haben, die ihnen so rasch als möglich zugesprochen wird und die<br />
nicht immer wieder neu beantragt werden muss.<br />
Übersetzung: [Scrive] – Rolf Hubler<br />
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Sozialpolitische Rundschau<br />
Von Claude Bauer<br />
Wer seinen Hund ertränken will, muss nur behaupten, er sei räudig<br />
Der Sozialstaat kann heutzutage durchaus mit einem Hund verglichen werden, und die<br />
Räude heisst "S’hett-kes-Fränkli-meh". Kein sehr schöner Name, Sie gehen da sicher mit mir<br />
einig, aber was sich hinter dem Namen verbirgt, ist noch um einiges hässlicher.<br />
Am 19. Dezember 2003 hat das Parlament das Entlastungsprogramm 2003 verabschiedet.<br />
Unter anderen Einsparungen sieht das Gesetz auch zwei Kürzungen vor, die Auswirkungen<br />
haben werden auf das Leben von Menschen mit einer Behinderung. In beiden Fällen bleibt<br />
die Höhe der Beiträge im Jahr 2004 zwar auf demselben Niveau wie bis anhin; es ist<br />
allerdings vorgesehen, die Beiträge bei den kollektiven Leistungen der IV im Jahr 2005 um<br />
CHF 41 Mio. und im Jahr 2006 um CHF 81 Mio. zu kürzen, währenddem die Beiträge im<br />
Bereich Öffentlicher Verkehr und Massnahmen, die hier gemäss dem am 1. Januar 2004 in<br />
Kraft getretenen Bundesgesetz über die Beseitigung von Benachteiligungen von Menschen<br />
mit Behinderungen (Behindertengleichstellungsgesetz BehiG) getroffen werden sollen, im<br />
Jahr 2005 um CHF 6,5 Mio. und im Jahr 2006 um CHF 10 Mio. gekürzt werden sollen. Wenn<br />
man zudem weiss, dass von allen Seiten her Steuererleichterungen gefordert (und nicht<br />
selten gewährt) werden, so kommt man zum Schluss, dass ein erklärter Wille besteht, diesen<br />
hässlichen Hund namens Sozialstaat zu ertränken.<br />
Es nützt letztlich auch nichts zu wissen, dass Vergleiche nichts beweisen. Ironischerweise<br />
hat das Bundesamt für Statistik im Dezember ein neues System zur Darstellung der<br />
nationalen wirtschaftlichen Eckdaten präsentiert, das den internationalen Vergleich<br />
erleichtern soll. Wendet man das System auf die letzten zwölf Jahre an, werden jene Werte<br />
nach oben korrigiert, die man uns jeweils präsentiert, um zu erklären, warum kein Geld mehr<br />
vorhanden sei: Das Bruttoinlandsprodukt BIP und das prozentuale Wirtschaftswachstum.<br />
Invalidenversicherung: Die Neuerungen der 4. Revision sind in Kraft getreten<br />
Die Hilflosenentschädigung für Personen, die zu Hause leben, wurde verdoppelt. Für<br />
Minderjährige, die zu Hause leben und auf intensive Betreuung angewiesen sind, sind<br />
zusätzliche Leistungen vorgesehen. Die Hilflosenentschädigung wird auf der Basis der AHV-<br />
Renten (siehe weiter unten) berechnet und entwickelt sich somit im Gleichschritt mit<br />
letzteren.<br />
Taggelder werden künftig unabhängig von Zivilstand und Geschlecht ausgerichtet.<br />
Hinzu kommt eine Kinderzulage für Kinder unter 18 Jahren (bzw. unter 25 Jahren, sofern sie<br />
sich noch in Ausbildung befinden).<br />
Die Dreiviertel-Rente wird eingeführt. Künftig wird bei einem Invaliditätsgrad ab 40% eine<br />
Viertelrente, ab 50% eine halbe Rente, ab 60 % eine Dreiviertel-Rente und ab 70% eine<br />
ganze Rente zugesprochen. In einem Übergangsreglement ist festgehalten, dass bei den<br />
über 50-jährigen Personen mit einer ganzen Rente der Besitzstand gewahrt bleibt. Bei<br />
jüngeren Personen hingegen, deren Invaliditätsgrad zwischen 66 2 / 3 % und 69,9% beträgt,<br />
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wird die ganze Rente im Verlauf des Jahres 2004 in eine Dreiviertel-Rente umgewandelt.<br />
Gleichzeitig werden halbe Renten, die an Personen mit einem Invaliditätsgrad zwischen 60%<br />
und 66 2 / 3 % ausgerichtet werden, in Dreiviertel-Renten umgewandelt.<br />
Renten für Härtefälle und Zusatzrenten werden aufgehoben.<br />
Die Versicherten haben künftig Anspruch auf aktive Unterstützung bei der Stellensuche und<br />
auf eine Weiterbetreuung für den Fall, dass sie bereits eine Stelle gefunden haben.<br />
Die IV übernimmt künftig Kosten für Fort- und Weiterbildungen, sofern diese die<br />
Arbeitsfähigkeit erhalten oder verbessern.<br />
Regionale ärztliche Dienste führen Untersuchungen durch, die medizinische Abklärung<br />
erfolgt somit nicht mehr ausschliesslich auf der Basis von schriftlichen Unterlagen.<br />
Ergänzungsleistungen<br />
Schwer oder mittel behinderte Personen, die zu Hause wohnen und deren Auslagen für<br />
Pflege und Betreuung von der Hilflosenentschädigung der IV nicht gedeckt werden, können<br />
künftig spezielle Ergänzungsleistungen beanspruchen. Bei einem mittleren<br />
Behinderungsgrad kann der entsprechende Betrag bis zu CHF 60’000 und bei einer<br />
schweren Behinderung bis zu CHF 90’000 betragen.<br />
KVG: dasselbe in Grün und zurück zum Start<br />
Wirklich dasselbe? Kaum, schliesslich haben wir in der Zwischenzeit ein – partiell – neues<br />
Parlament gewählt, und letzteres hat einen – ebenfalls partiell – neuen Bundesrat bestellt.<br />
Der Stand der Dinge ist rasch erklärt: Nach drei Jahren Debattierens in beiden Kammern und<br />
v.a. in Ratskommissionen hat der Nationalrat am vergangenen 17. Dezember die Teilrevision<br />
des KVG verworfen. Man wagt kaum daran zu denken, wieviele Stunden sich<br />
hochqualifizierte Spezialisten vergebens mit der Materie auseinandergesetzt haben mögen.<br />
Jede andere private oder öffentliche Firma, die so gehandelt hätte, wäre unverzüglich zur<br />
Räson gerufen worden. Zu Recht. Es ist nun kaum vorstellbar, dass der Innenminister –<br />
angesichts der Überzeugungen, die er vertritt – einen Revisionsvorschlag auf den Tisch<br />
zaubert, der mehr Rücksicht nimmt auf kleine Einkommen im Allgemeinen oder auf die<br />
wirtschaftliche Lage von Behinderten im Speziellen. Und selbst wenn dem so wäre: Es<br />
spricht kaum etwas dafür, dass das neue Parlament diese Version glatter über die Bühne<br />
brächte als die vorherige.<br />
Schauen wir also für den Moment, was die vom Genfer Mouvement populaire des familles<br />
lancierte und vom Konsumentinnenforum und einigen linken Parteien unterstützte<br />
Volksinitiative "Für eine soziale Einheitskrankenkasse" 10 bringen könnte.<br />
Wird sie die erforderliche Anzahl Unterschriften erreichen? Und falls ja: Findet sie<br />
anschliessend beim Volk Gehör?<br />
Es sei weiter darauf hingewiesen, dass im Bereich Gesundheit / Krankenkassen am 1.<br />
Januar die neue, gesamtschweizerisch gültige Tarifstruktur TARMED in Kraft getreten ist.<br />
10 Unterschriftenbögen können bei nachfolgender Adresse bestellt werden: Secrétariat du MPF, rue Michel-<br />
Chauvet 22, CP 155, 1211 Genève 17, Tel. 022 786 47 02, mpf-ge@bluewin.ch. Unter<br />
www.admin.ch/ch/d/pore/vi/ut/i_316.de.pdf können Unterschriftenbögen im PDF-Format heruntergeladen<br />
werden.<br />
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Der Katalog mit der Auflistung von rund 4'600 ärztlichen Leistungen soll die Transparenz und<br />
damit die Vergleichbarkeit verbessern. Wer weiss, vielleicht lässt sich dadurch sogar der<br />
weitere Anstieg der Gesundheitskosten dämpfen.<br />
11. AHV-Revision: Wieso man am 16. Mai 2004 NEIN stimmen muss 11<br />
Immer noch wegen dieser berühmt-berüchtigten Hunderäude mit Namen "S’hett-kes-Fränklimeh"<br />
sieht die am 3. Oktober 2003 vom Parlament verabschiedete 11. AHV-Revision vor,<br />
das Rentenalter für Frauen auf 65 Jahre zu erhöhen … und einen gegen Null tendierenden<br />
Betrag für die soziale Abfederung des flexiblen Rentenalters auszugeben. Zwei Regelungen,<br />
die für Behinderte und besonders für behinderte Frauen ganz klar von Nachteil sind:<br />
Zahlreiche Personen mit einer Behinderung ermüden schneller als die übrige Bevölkerung.<br />
Sie werden schneller müde im Verlauf eines einzelnen Tages, aber auch im Verlauf der<br />
Jahre. Vor die Wahl gestellt zu werden, um jeden Preis ein Jahr länger durchzuhalten oder<br />
eine Rentenkürzung in Kauf nehmen zu müssen, ist alles andere als erfreulich. Zudem zeitigt<br />
die Erhöhung des Rentenalters der Frauen auch ganz generell Auswirkungen auf die IV bzw.<br />
deren LeistungsempfängerInnen: Während des zusätzlichen Arbeitsjahres bleiben die IV-<br />
Rentnerinnen bei der IV-Kasse und treten nicht in die AHV über; mit anderen Worten: Das<br />
Defizit der IV wird sich weiter erhöhen. Und anschliessend kann man verkünden, es gebe<br />
zuviele Leistungsempfänger(innen!) und die Anzahl Rentnerinnen nehme in<br />
schwindelerregendem Ausmass zu. Von hier zum Rotstift ist es nur noch ein kleiner Schritt!<br />
Das Parlament hat weiter darauf verzichtet, vorzeitige Pensionierungen ebendieser Frauen<br />
abzufedern. Diejenigen Frauen, die darauf verzichten, für "so kurze Zeit" eine IV-Rente zu<br />
beantragen, werden schmerzlich bestraft, wenn sie vorzeitig in Rente gehen, und sei die<br />
Zeitspanne noch so kurz. AGILE empfiehlt somit allen Leserinnen und Lesern, ein Nein<br />
einzulegen. Und nicht nur dies: Überzeugen Sie Verwandte, Freunde und Bekannte,<br />
ebenfalls ein Nein einzulegen!<br />
Kommt hinzu (oder besser: -weg), dass die 11. AHV-Revision vorsieht, die Renten nicht<br />
mehr wie bis anhin alle zwei, sondern nur noch alle drei Jahre anzupassen. Weil die IV die<br />
Rente der AHV frankenmässig übernimmt, entgehen den behinderten RentenbezügerInnen<br />
so in jedem dritten Jahr bis zu 40 Franken monatlich. Kommentar überflüssig!<br />
Finanzierung der AHV und der IV: Legen Sie am 16. Mai ein JA ein 12<br />
Der Bundesbeschluss über die Finanzierung der AHV / IV sieht eine Anhebung der<br />
Mehrwertsteuersätze um 0,8 Prozent für die IV und 1,0 Prozent für die AHV vor. Auch zu<br />
diesem Geschäft bezieht AGILE klar Stellung und empfiehlt seiner Leserschaft, ein Ja<br />
einzulegen und das Umfeld dazu zu bewegen, ein Gleiches zu tun. Diese Erhöhung der<br />
Mehrwertsteuersätze ist unumgänglich für die Sanierung der Sozialversicherungen; hinzu<br />
kommt, dass die Mehrwertsteuer mehr und mehr zu einem der sozialsten Mittel wird, die<br />
finanziellen Belastungen der Bevölkerung auszugleichen.<br />
Falls es wieder heissen sollte: "S’hett-kes-Fränkli-meh"…<br />
Übersetzung: [Scrive] – Rolf Hubler<br />
11 Siehe auch Abstimmungsvorschau weiter unten in dieser Ausgabe.<br />
12 Siehe auch Abstimmungsvorschau weiter unten / oben in dieser Ausgabe.<br />
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AGILE - Behinderung und Politik, Ausgabe 01/04<br />
Das Parlament zementiert die Diskriminierung behinderter<br />
Versicherter in der zweiten Säule!<br />
Von Irène Häberle 13<br />
Nur wenige Tage vor der Abstimmung über die Behinderten-Gleichstellungsinitiative im Mai<br />
verabschiedete der Nationalrat im Differenzbereinigungsverfahren eine Ergänzung zum<br />
Artikel 23 des Berufsvorsorgegesetzes (BVG), die - entgegen dem ursprünglichen Willen des<br />
Gesetzgebers - die Diskriminierung behinderter Versicherter durch die Gerichtspraxis der<br />
letzten Jahre zementiert. Inzwischen hat - auf Druck des Vorstehers des Departements des<br />
Innern - im September auch der Ständerat die Fassung des Nationalrates übernommen.<br />
Eingliederung vor Rente?<br />
Im Gegensatz zu andern Staaten kennt das schweizerische Sozialversicherungssystem den<br />
Grundsatz „Eingliederung vor Rente“. Das heisst, Menschen mit einer gesundheitlichen<br />
Schädigung bekommen nicht einfach eine Rente zugesprochen, sondern sind „gezwungen“,<br />
auf dem Arbeitsmarkt ihre verbliebene Arbeitskraft zu verwerten. Der erwähnte Grundsatz ist<br />
sowohl seitens der Beschäftigten als auch des Sozialversicherungssystems und der<br />
Volkswirtschaft klar zu bejahen (selbst wenn, wie im Abstimmungskampf dargelegt wurde,<br />
zur Zeit die Erwerbslosenrate von behinderten Menschen um die 50% beträgt). Der<br />
Gesetzgeber hat mit der Einführung des Obligatoriums der beruflichen Vorsorge am 1.<br />
Januar 1985 diesem Grundsatz Rechnung getragen, indem er die vorbehaltlose Aufnahme<br />
aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu den gleichen Bedingungen forderte. Unter<br />
Einfluss der Versicherungswirtschaft ist die Gerichtspraxis in den letzten Jahren leider dazu<br />
übergegangen, immer mehr gesundheitlich Geschädigte vom obligatorischen Vorsorgeschutz<br />
auszuklammern. Wer heute bei Aufnahme der Erwerbstätigkeit nicht mehr als 80%<br />
erwerbsfähig ist, hat im Invaliditätsfall aus gleicher Ursache keinen Versicherungsschutz zu<br />
erwarten. So hat ein Gericht einer Frau, die 22 Jahre lang zu 80% im gleichen Betrieb<br />
gearbeitet hatte, im Invaliditätsfall selbst die obligatorischen Minimalleistungen ihrer<br />
Pensionskasse verweigert. Dies, obwohl sie wie alle andern Versicherten ihre Beiträge<br />
bezahlt hatte und sich auf Grund ihres Vorsorgeausweises versichert wähnte. (Nach den<br />
neuen Bestimmungen des Nationarates würde sich einzig die Grenze von 80% auf 60%<br />
verringern, aber sonst nichts ändern.)<br />
Am 1. Januar 1995 trat das Freizügigkeitsgesetz in Kraft, das unter anderem in Artikel 14<br />
auch die Erhaltung des Vorsorgeschutzes im überobligatorischen Bereich für Stellenwechsler<br />
regelt. Von den für alle Versicherten vorteilhaften Bestimmungen sind ohne jedwelche<br />
gesetzliche Grundlage wiederum jene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer als einzige<br />
ausgeschlossen, die beim Wechsel des Arbeitgebers und der Pensionskasse nur<br />
teilarbeitsfähig sind. Nur wer gleich vollinvalid wird oder bei Teilarbeitsfähigkeit seine Stelle<br />
nicht wechselt, geniesst den vollen Versicherungsschutz. Auch diese Praxis läuft dem<br />
Grundsatz „Eingliederung vor Rente“ total zuwider.<br />
13 Dr. phil. Irène Häberle, Pensionskassenexpertin und Versicherungsmathematikerin, ist Mitglied der<br />
Eidgenössischen BVG-Kommission<br />
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Grundlos und diskriminierend<br />
Menschen mit einer Behinderung haben die genau gleichen Vorsorgebedürfnisse wie alle<br />
andern Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Wenn ihre Arbeitsfähigkeit wegfällt, entsteht<br />
wie bei den andern eine schmerzliche Vorsorgelücke. Im Gegensatz zu Personen ohne<br />
Gesundheitsschaden können sie sich aber nicht oder nur erschwert in „Selbstverantwortung“<br />
privat versichern lassen. Sie sind daher ganz besonders auf die Vorsorge in der zweiten<br />
Säule angewiesen.<br />
Die Diskriminierung behinderter Versicherter in der zweiten Säule ist weder rechtlich noch<br />
versicherungstechnisch zu rechtfertigen! Es ist unerklärlich, warum sie das Parlament im<br />
Rahmen der 1. BVG-Revision nicht aufgehoben, sondern geradezu noch zementiert hat.<br />
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Ein landesweites Pilotprojekt für alle Behindertengruppen<br />
Von Katharina Kanka 14<br />
Bekanntlich liegt die 4. IVG-Revision hinter uns. Seit Anfang 2004 gilt die für Minderjährige<br />
wie Erwachsene vollzogene Vereinheitlichung der Hilflosenentschädigungen (HE). Neu<br />
anerkannt wird der Bedarf auf dauernde lebenspraktische Begleitung. Für Versicherte,<br />
welche zu Hause leben, wurden die Ansätze verdoppelt. Personen mit einer HE<br />
mittleren/schweren Grades können unter Umständen höhere Ergänzungsleistungen (EL) für<br />
Krankheits- und Behinderungskosten geltend machen. Diesen Leistungsanpassungen stehen<br />
mit der Streichung der Zusatzrenten nicht unerhebliche, steigende Einsparungen - in den<br />
ersten zehn Jahren durchschnittlich 214 Mio., später bis zu 532 Mio. Franken jährlich -<br />
gegenüber. Damit wurde dem im Vernehmlassungsverfahren vielfach geäusserten Antrag,<br />
dass die durch die Streichung der Zusatzrenten erzielten Einsparungen vollumfänglich der<br />
Finanzierung einer Assistenzentschädigung zugute kommen sollen, bislang nur bedingt<br />
entsprochen.<br />
Kaum Wahlfreiheit<br />
In der Debatte des von den Kantonen mehrheitlich unterstützten Modells Langenberger/<br />
Stähelin, welches auf dem Versicherungsprinzip basierte und einhellig als "Modell der<br />
Zukunft" bezeichnet wurde, ist das Ausweichen auf die EL zurecht kritisiert worden. Durch<br />
die damit praktizierte Anwendung des Bedarfsprinzips wird jeglicher Anreiz für eine<br />
Erwerbstätigkeit der Betroffenen erstickt.<br />
Auch zeigt die derzeitige EL-Diskussion in den Kantonen, dass diese kaum die geforderte<br />
Wahlfreiheit sicherstellen werden. Das Splitting auf verschiedene Finanzierer verstellt deren<br />
Blick auf die Vollkosten. Der ambulante wie auch stationäre Sektor ist einseitig auf<br />
vorgeschriebene (teure) Leistungserbringer ausgerichtet. Organisieren die Behinderten und<br />
ihre Familien die notwendige Hilfe Dritter selber, führt dies zu Leistungskürzungen. Folge<br />
dieses Betreuungsmonopols ist: 1. Die Fremdbestimmung der Betroffenen. Eingliederung,<br />
Eigeninitiative, Selbstverantwortung und Autonomie gehen dabei verloren. 2. Es entsteht die<br />
typische Behindertenkarriere: "Sonderschule – Werkstätte – Wohnheim – Rente".<br />
Lösungsansätze<br />
Mit Hilfe integrativer Massnahmen und subjektorientierter flexibler Leistungen soll eine<br />
Alternative zur institutionellen Betreuung gesucht werden. Assistenzmodelle können den<br />
Betroffenen ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen, ihre Privatsphäre respektieren und<br />
kostengünstig sein.<br />
In den Übergangsbestimmungen der 4. IVG-Revision wurde die Durchführung von<br />
Pilotprojekten für die Jahre 2005 bis 2007 beschlossen. Mit diesen muss der Bund<br />
unverzüglich Massnahmen prüfen, welche den BezügerInnen einer HE der IV eine<br />
selbstbestimmte und eigenverantwortliche Lebensführung mit weitgehender Wahlfreiheit<br />
14 Katharina Kanka ist Präsidentin der Fachstelle Assistenz Schweiz (FAssiS).<br />
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ermöglichen. Die Entschädigung soll sich aus einer Pauschale und einem individuellen<br />
Budget zusammensetzen, das in einem vernünftigen Verhältnis zu den Heimkosten steht.<br />
Die Fachstelle Assistenz Schweiz (FAssiS) hatte bereits lange zuvor mit den<br />
NationalrätInnen Pascale Bruderer, Maya Graf, Jürg Stahl und Marc F. Suter sowie<br />
Ständerat Eugen David ein Konzept erarbeitet, welches sich ans Modell Langenberger<br />
anlehnt. Unterstützt von AGILE, Cap Contact, FTIA, der Genossenschaft SL und Procap ist<br />
daraus unter sachkundiger Begleitung vom St. Galler Wirtschaftsconsulter Rolf Widmer die<br />
Eingabe "Pilotprojekt Assistenzbudget" entstanden, welche pünktlich Ende November 03<br />
beim Bundesamt für Sozialversicherungen eingereicht wurde. Dieses wird nun gemeinsam<br />
mit sieben weiteren Projektvorschlägen – jene beschränken sich auf einzelne<br />
Behindertengruppen oder Kantone – von verschiedenen Gremien begutachtet.<br />
Pilotprojekt Assistenzbudget<br />
Bei der Ablehnung des Modells Langenberger wollte der Ständerat keinen "Sprung über<br />
einen Wassergraben" machen, "bei dem man ernsthaft Gefahr läuft, sich die Füsse nass zu<br />
machen". Als Grund genannt wurde die äusserst dürftige Datenlage im Bereich der<br />
Langzeitpflege und Betreuung. Das "Pilotprojekt Assistenzbudget" möchte darum<br />
wissenschaftlich abgesicherte Grundlagen für den politischen Entscheidprozess liefern. Die<br />
primären Ziele sind:<br />
• Angaben über die Nachfrage einzelner Zielgruppen (aufgeschlüsselt nach Anzahl,<br />
Behinderungsart, Schweregrad, Alter, Wohnform etc.) sollen gewonnen werden<br />
• eine realistische Bedarfsbemessung ist zu entwickeln<br />
• ökonomische (Umlagerungs)effekte sind zu evaluieren<br />
• Koordination soll das Schwarz-Peter-Spiel zwischen den Finanzierern mit stets<br />
steigenden Gesamtkosten beenden. Einer individuellen standardisierten<br />
Bedarfsabklärung kommt dabei zentrale Bedeutung zu.<br />
Um die Zielsetzungen erreichen zu können, muss das "Pilotprojekt Assistenzbudget" gross<br />
genug sein und repräsentative Daten liefern. Es sollte also niemand aufgrund seiner<br />
Behinderung, seines Alters (Minderjährige/Erwachsene), seines Wohnkantons<br />
ausgeschlossen werden. Dabei ist auch eine gute Durchmischung hinsichtlich<br />
Hilflosigkeitsgrad und Aufenthaltsort vor Projektteilnahme (im Heim/zu Hause)<br />
sicherzustellen. Das Projekt ist darum landesweit ausgerichtet. Die Anmeldeunterlagen<br />
werden allen BezügerInnen einer HE zugesendet. Für die Auszahlung an Assistenzgeldern<br />
ist als Zielwert eine Projektgrösse von 1000 Teilnehmenden vorgesehen. Diese wird in ihrer<br />
Zusammensetzung die Grundeinheit aller HE-BezügerInnen widerspiegeln.<br />
Innovationen statt Einheitsbrei<br />
Dass eine solche Konzeption mit allen Behindertengruppen möglich und sinnvoll ist, zeigen<br />
bereits jene 18 Organisationen der privaten Behindertenhilfe (Institutionen und<br />
Behindertenorganisationen), welche das Angebot der vorgesehenen Trägerschaft genutzt<br />
und bislang bereits 277 Plätze reserviert haben. Im Gegenzug verpflichten sie sich zu einer<br />
informellen Unterstützung der Teilnehmenden. Damit ist bereits ein weiterer Schritt gemacht:<br />
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AGILE - Behinderung und Politik, Ausgabe 01/04<br />
Das "Pilotprojekt Assistenzbudget" fordert nämlich die Initiative der Betroffenen und jene der<br />
Selbsthilfe heraus. Bewusst verzichtet es auf den Aufbau einer eigenen Beratungs- und<br />
Betreuungsstruktur, da derartige Leistungen u.a. im Rahmen von den Artikeln 73 und 74 IVG<br />
bereits finanziert werden. Es ist zu erwarten, dass sich neue Angebote (z.B. Übernahme der<br />
Buchhaltung und Abrechnung der Lohnnebenkosten im Arbeitgebermodell) auf dem freien<br />
Markt entwickeln. Dieser Prozess soll nicht durch voreilige Eingriffe beeinträchtigt werden.<br />
Im März/April wird die AHV-/IV-Kommission Stellung nehmen, bevor der Bundesrat im Juni<br />
entscheidet. Sollte es fürs "Pilotprojekt Assistenzbudget" gut aussehen, werden AGILE,<br />
FAssiS, Cap Contact und FTIA rechtzeitig eine schlanke Trägerschaft für die Durchführung<br />
gründen. Rückendeckung erhalten sie aus einem grossen Patronatskomitee, welches sie<br />
ideell unterstützt.<br />
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AGILE - Behinderung und Politik, Ausgabe 01/04<br />
Festbindungen im Kanton Waadt<br />
CB/IM/KG "Wer handelt, kann nicht sicher sein zu gewinnen. Sicher ist hingegen: Wer nicht<br />
handelt, verliert." Die erste Ausgabe unserer Zeitschrift des Jahres 2002 klärte zusammen<br />
mit Solidarité-Handicap mental und Autisme Suisse romande über Fälle von Festbindungen<br />
in einer Waadtländer Institution auf. In den folgenden Ausgaben unserer Zeitschrift haben wir<br />
weiter über die Aktionen der oben erwähnten Organisationen berichtet. Der dritten Nummer<br />
des Jahres 2002 haben wir das Unterschriftenformular für eine kantonale Petition beigelegt<br />
(nur der französischen Ausgabe), die an die Gesundheits- und Fürsorgedirektion des<br />
Kantons Waadt gerichtet war. Die Anstrengungen haben schliesslich Früchte getragen: Wir<br />
freuen uns gemeinsam mit Solidarité-Handicap mental über die Nachricht, dass die<br />
Petitionskommission des Kantons Waadt dem Grossen Rat empfohlen hat, die Petition<br />
gegen Festbindungen anzunehmen. Die Kommission hat anerkannt, dass im soziokulturellerzieherischen<br />
Bereich Gesetzeslücken bestehen, die es zu füllen gilt. Das Dossier wird dem<br />
Staatsrat übergeben, der als Exekutivorgan die nötigen rechtlichen Vorkehrungen treffen<br />
wird. Das kann einige Zeit dauern, und man muss aufpassen, dass das Dossier nicht in der<br />
Schublade verstaubt. Eine erste Schlacht ist aber gewonnen.<br />
Wir möchten uns bei dieser Gelegenheit bei all jenen bedanken, welche die Petition<br />
unterschrieben und weitergeleitet haben.<br />
Übersetzung: [Scrive] – Rolf Hubler<br />
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AGILE - Behinderung und Politik, Ausgabe 01/04<br />
Abstimmungsempfehlung für den 16. Mai: Ja zur Erhöhung der<br />
Mehrwertsteuer, Nein zur 11. AHV-Revision<br />
BA / Am 16. Mai kommen zwei eidgenössische Vorlagen zur Abstimmung, die aus<br />
behindertenpolitischer Sicht bedeutsam sind: Die Erhöhung der Mehrwertsteuer zugunsten<br />
von AHV und IV sowie das Referendum gegen die 11. AHV-Revison.<br />
Referendum gegen die 11. AHV-Revision<br />
AGILE empfiehlt dringend, das Referendum gegen die 11. AHV-Revision zu unterstützen,<br />
also NEIN zu stimmen. Dafür gibt es im wesentlichen zwei Gründe: 1. Die AHV-Renten sollen<br />
nur noch alle drei statt wie bisher alle zwei Jahre der Teuerung angepasst werden. Damit<br />
spart die AHV 150 Mio. Franken im Jahr. Weil die IV die Rente der AHV frankenmässig<br />
übernimmt, entgehen den behinderten RentenbezügerInnen in jedem dritten Jahr bis zu 40<br />
Franken monatlich. 2. Auf eine soziale Abfederung des flexiblen Rentenalters wird<br />
weitestgehend verzichtet und damit das in der 10. AHV-Revision abgegebene Versprechen<br />
gebrochen! Das ist nicht nur unsozial, weil die vorzeitige Pensionierung das Privileg<br />
Gutverdienender bleibt, es belastet auch die mit grossen finanziellen Problemen kämpfende<br />
IV unnötig: Menschen mit Behinderung spüren die Auswirkungen des Leistungsdrucks häufig<br />
stärker als Nichtbehinderte und können nicht bis zum obligatorischen Rentenalter ausharren.<br />
Das gilt auch für Menschen, die einer harten körperlichen Arbeit nachgehen. Ihnen bleibt als<br />
Ausweg nur der Bezug einer IV-Rente.<br />
Auf einen Nenner gebracht, handelt es sich bei der 11. AHV-Revision um eine reine<br />
Sparvorlage, die voll zu Lasten der weniger Privilegierten geht.<br />
1,8% mehr Mehrwertsteuer zugunsten von IV und AHV<br />
Ebenfalls am 16. Mai findet die Abstimmung über die 1,8%-ige Erhöhung der Mehrwertsteuer<br />
zugunsten von IV und AHV statt. Ein Prozent davon ist für die AHV vorgesehen, 0,8% für die<br />
IV. Hier empfehlen wir unbedingt, ein Ja in die Urne zu legen und nach Kräften zu<br />
mobilisieren. Für die Sanierung des schwer defizitären Sozialwerks IV ist diese Erhöhung<br />
unumgänglich, was rechtsbürgerliche Politiker nicht daran hindert, in unverantwortlicher<br />
Weise dagegen anzukämpfen. Auch das neu in der Debatte aufgetauchte Argument, die IV<br />
brauche zwar das Geld, die AHV jedoch nicht, deshalb sei Nein zu stimmen und später<br />
separat über die 0,8%-ige Erhöhung zugunsten der IV zu beschliessen, verfängt nicht:<br />
Darauf zu vertrauen, dass dieser Beschluss dann effektiv und vor allem noch rechtzeitig<br />
nachgeholt wird, ist angesichts der aktuellen politischen Stimmung - Sparen um jeden Preis,<br />
keine bis wenig Rücksicht auf Schwächere – in höchstem Mass gefährlich.<br />
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AGILE - Behinderung und Politik, Ausgabe 01/04<br />
Wieso zwei Gleichstellungsbüros?<br />
CB / Mit dem Inkrafttreten des Behinderten-Gleichstellungsgesetzes (BehiG) haben zwei<br />
Büros ihre Arbeit aufgenommen. Nicht selten wird die Frage gestellt: "Wieso zwei?" Die<br />
Antwort ist ziemlich einfach: Weil das eine ohne das andere unvollständig wäre.<br />
Das Gesetz sagt unmissverständlich: "Der Bundesrat schafft ein Büro für die Gleichstellung<br />
von Menschen mit Behinderungen. Dieses fördert insbesondere: die Information über die<br />
Gesetzesgrundlagen und die Richtlinien zur Verhinderung, Verringerung oder Beseitigung<br />
der Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen; die Programme und Kampagnen<br />
[zugunsten der Integration von Menschen mit Behinderungen]; die Analyse und<br />
Untersuchungen im Bereich der Gleichstellung und Integration von Behinderten; die<br />
Koordination der Tätigkeiten der auf diesem Gebiet tätigen öffentlichen und privaten<br />
Einrichtungen." 15 In Bezug auf Information, Beratung und Evaluation präzisiert das Gesetz,<br />
dass der Bund Informationskampagnen durchführen sowie Private und Behörden beraten<br />
und ihnen Empfehlungen abgeben kann (es sei explizit auf die "Kann"-Formulierung<br />
hingewiesen…). Es liegt auf der Hand, dass der Bund, welche Information er auch verbreitet,<br />
immer seinen eigenen Standpunkt verteidigen wird – und das muss nicht unbedingt der<br />
Standpunkt des Behinderten sein, der, als Beispiel, einer Diskriminierung ausgesetzt ist.<br />
Caroline Klein, die lange Zeit als Gleichstellungsbeauftragte tätig war, bevor sie ab diesem<br />
Jahr die Leitung der von der DOK getragenen Gleichstellungsfachstelle übernommen hat, ist<br />
überzeugt, dass die ersten Rechtssprechungsfälle, die sich aus der Anwendung des<br />
Gesetzes ergeben, von zentraler Wichtigkeit sein werden. Die DOK-Fachstelle wird somit in<br />
erster Linie Betroffene juristisch beraten, die aufgrund ihrer Behinderung<br />
Ungleichbehandlungen erfahren. Weiter wird die Fachstelle Informationen aufbereiten und<br />
weiterleiten, Analysen der Gesetzgebung / Umsetzung veranlassen und eine Dokumentation<br />
aufbauen. Gemeinsam mit der Fachstelle ist AGILE von der Wichtigkeit des Auftrags derart<br />
überzeugt, dass die Organisation einen Gleichstellungsrat gefordert – und zugestanden<br />
erhalten – hat, der sich aus Behinderten zusammensetzt, welche sämtliche grossen<br />
Behinderungsgruppen vertreten. Der Gleichstellungsrat legt die Strategie für die Arbeit der<br />
Fachstelle fest und berät diese auf operativer Ebene. 16 Nachstehend finden Sie eine Liste mit<br />
den Mitgliedern des von AGILE angeregten Gleichstellungsrates. Die Mitglieder des<br />
Gleichstellungsrates wurden vom Vorstand von AGILE gewählt.<br />
Wer behauptet, wir hätten die Fachstelle Gleichstellung der DOK nicht nötig, da es ja schon<br />
ein eidgenössisches Gleichstellungsbüro für Menschen mit Behinderungen gebe, kann<br />
gerade so gut sagen, man brauche keinen Verteidiger, schliesslich gebe es ja schon einen<br />
Staatsanwalt oder einen Richter.<br />
15 Art. 19 BehiG<br />
16 Siehe auch den nachfolgenden Beitrag von Cyril Mizrahi<br />
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AGILE - Behinderung und Politik, Ausgabe 01/04<br />
Die Mitglieder des Gleichstellungsrats:<br />
Henri Daucourt, Porrentruy (JU)<br />
ehem. Berufsoffizier<br />
Vertreter für: Hirnverletzte<br />
Jörg Frey, Oberburg (BE)<br />
Geschäftsführer Procap Emmental<br />
Vertreter für: Geistigbehinderte<br />
Lorenzo Giacolini, Monte Carasso (TI)<br />
Direktor FTIA<br />
Vertreter für: Körperbehinderte ohne Rollstuhl<br />
Daniel Hadorn, Brunnen (SZ)<br />
Fürsprecher, Gerichtsschreiber Eidg. Versicherungsgericht<br />
Vertreter für: Gehörlose<br />
Urs Kaiser, Solothurn<br />
Dr.phil, Psychologe<br />
Vertreter für: Blinde<br />
Jakob Litschig, Zürich<br />
Arzt, Psychiater<br />
Vertreter für: Psychisch Behinderte<br />
Cyril Mizrahi, Genf<br />
lic.iur., Generalsekretär Föderation der Studentenvereinigungen Uni Lausanne<br />
Vertreter für: Sehbehinderte<br />
Ruedi Prerost, Novaggio (TI)<br />
lic. iur., sozialpolitischer Berater Pro Infirmis<br />
Vertreter für: Körperbehinderte, die auf den Rollstuhl angewiesen sind<br />
Susi Schibler-Reich, Zürich<br />
Leiterin Fachstelle Soziale Arbeit und Leistungscontrolling Pro Senectute Schweiz<br />
Vertreterin für: Menschen, die im AHV-Alter von Behinderung betroffen werden<br />
Françoise Steiner, Biel<br />
Verantwortliche für Sozialpolitik Procap<br />
Vertreterin für: Psychisch Behinderte<br />
Irène Zurfluh-Müller, Schattdorf (UR)<br />
Sozialpädagogin<br />
Vertreterin für: Schwerhörige, zusätzlich für Geistigbehinderte<br />
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AGILE - Behinderung und Politik, Ausgabe 01/04<br />
Erwartungen eines Mitglieds des Gleichstellungsrates<br />
Von Cyril Mizrahi 17<br />
Der Gleichstellungsrat ist von AGILE ins Leben gerufen worden. Er soll Garant dafür sein,<br />
dass die Erfahrung von Menschen mit Behinderungen von der Fachstelle Gleichstellung der<br />
DOK berücksichtigt wird. Die Mitglieder des Gleichstellungsrates sind alle direkt von einer<br />
Behinderung betroffen und wurden in erster Linie als Repräsentanten einer Gruppe von<br />
Behinderten (und nicht als Vertreter einer bestimmten Vereinigung) gewählt.<br />
Strategische Ausrichtung, Beratung und Public Relations: Das ist das Programm, das auf uns<br />
wartet. Kaum hat der Gleichstellungsrat seine Arbeit aufgenommen, habe ich mich<br />
unvorsichtigerweise schon dazu bereit erklärt, AGILE mitzuteilen, welche Erwartungen ich an<br />
den Rat habe und zu sagen, in welche Richtung und auf welche Weise ich als ein neues<br />
Mitglied des besagten Rates «am Karren reissen» will.<br />
Ein Wort zunächst zum "Rahmen", der uns vorgegeben wurde, zu den Kompetenzen des<br />
Rates. Ich gebe zu – und es ist ein offenes Geheimnis –, ich bin kein ausgesprochener<br />
Freund des New Public Managements, das sich hinter der Unterscheidung zwischen<br />
"strategischen" und "operativen" Aufgaben verbirgt und wo alles funktioniert wie in einem x-<br />
beliebigen Verein. Dass ich mich schliesslich doch als Kandidat zur Verfügung gestellt habe,<br />
hat damit zu tun, dass der Rahmen, der letztlich vorgegeben wurde, in meinen Augen viel<br />
interessanter ist als jener, der im ursprünglichen Projekt vorgesehen war. Das ursprüngliche<br />
Projekt wurde im Verband, dem ich angehöre (Schweizerischer Blinden- und<br />
Sehbehindertenverband SBV), im Frühling 2003 vorgestellt. Das Projekt erschien mir<br />
unausgereift. Insbesondere wurde nicht klar aufgezeigt, wie die Aufgaben zwischen dem<br />
eidgenössischen Gleichstellungsbüro und der Fachstelle Gleichstellung der DOK aufgeteilt<br />
werden sollten. Ausschlaggebend für meinen Entscheid war zudem die Tatsache, dass sich<br />
der Rat auch in operative Aufgaben "hineinknien" soll: Verfassen von Texten,<br />
Medienkontakte usw.<br />
Natürlich will ich aber in erster Linie von der Möglichkeit sprechen, Entscheidungen zu<br />
treffen, d.h. also etwa in Absprache mit der DOK (dem "Brötchengeber") die strategische<br />
Ausrichtung in Bezug auf die Gleichstellung festzulegen. Wir könnten beispielsweise die<br />
Dossiers definieren, die prioritär zu behandeln sind. Das wird keine einfache Aufgabe sein,<br />
wird doch von uns erwartet, dass wir vor allem anderen unsere jeweilige Behindertengruppe<br />
vertreten – und es ist bekannt, dass Prioritäten nicht immer und überall gleich gesetzt<br />
werden. Ich für meinen Teil werde das Thema "Zugang zur Arbeitswelt" in den Vordergrund<br />
stellen. Dies nicht deshalb, weil oft – und zu Unrecht – behauptet wird, das Thema betreffe<br />
besonders Blinde und Sehbehinderte, sondern weil ich überzeugt bin, dass sich die<br />
Bevölkerung problemlos vorstellen kann, dass Behinderte allerlei ausgefallenen und<br />
wunderbaren Beschäftigungen (Gleitschirmfliegen, Wettkampfsport) nachgehen, nur nicht<br />
17 Cyril Mizrahi ist sehbehindert. Er wurde nicht zuletzt auch deshalb von AGILE in den Gleichstellungsrat<br />
gewählt, weil er zwei Eigenschaften auf sich vereinigt: Er ist Romand, und er ist jung.<br />
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AGILE - Behinderung und Politik, Ausgabe 01/04<br />
einer geregelten Beschäftigung. Man wird oft den Eindruck nicht los, ein Behinderter, der<br />
eine Stelle hat, habe vor allem eines gehabt: eine grosse Portion Glück.<br />
Wir könnten auch die Vorgehensweisen definieren, die wir bevorzugt einsetzen (meiner<br />
Meinung nach gehört das auch zur "Strategie" – ganz sicher bin ich mir allerdings nicht…).<br />
Der Jurist in mir meldet sich zu Wort: Das kantonale Recht im Bereich Gleichstellung ist noch<br />
Brachland. Progressive Gesetzgebungen haben in der Vergangenheit allerdings oft die Form<br />
von kantonalen Gesetzen angenommen. So hat beispielsweise ein Abgeordneter im Kanton<br />
Waadt vorgeschlagen, bei der Besetzung von öffentlichen Ämtern seien bei gleicher<br />
Qualifikation die Kandidaturen von Menschen mit einer Behinderung vorzuziehen. Neben den<br />
öffentlichen Ämtern ist auch die Bildung – der Türöffner zum Arbeitsmarkt – ein Bereich, in<br />
dem auf kantonaler Ebene vieles in Gang gesetzt werden könnte.<br />
Ich bin der Ansicht, die Rolle des Gleichstellungsrates sollte sich nicht darauf beschränken,<br />
die Umsetzung der gegenwärtigen Gesetzgebung auf Bundesebene zu begleiten (obwohl es<br />
stimmt, dass Ausbildung und Arbeit hier vernachlässigt werden). Der Gleichstellungsrat sollte<br />
seinen Blick auch in die Zukunft richten und prospektiv aktiv werden. Ich hoffe, dass der Rat,<br />
indem wir unsere verschiedenen Sichtweisen austauschen und in Einklang bringen,<br />
aufklärend wirkt und aufzeigt, dass Gleichstellung unteilbar ist. Genauso wie die Menschen<br />
mit einer Behinderung, welche für diese Gleichstellung einstehen.<br />
Übersetzung: [Scrive] – Rolf Hubler<br />
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AGILE - Behinderung und Politik, Ausgabe 01/04<br />
Gabriela Blatter: Neue Mitarbeiterin der DOK-Fachstelle "égalitéhandicap"<br />
Ich bin in Bern geboren (Jg. 1974) und aufgewachsen. Meine Mutter stammt aus Madrid und<br />
mein Vater aus dem Kanton Zürich. Aus diesem Grund bin ich zweisprachig (deutschspanisch)<br />
aufgewachsen und besitze seit Ende 2003 auch die spanische Staatsbürgerschaft.<br />
In meiner Freizeit spiele ich Geige und Tennis, reite, und im Winter fahre ich vor allem Ski. In<br />
den Ferien reise ich gerne, sei es in die nähere Umgebung oder an ferne Destinationen.<br />
Die gesamte Schulzeit absolvierte ich in Bern und beendete diese im Juni 1994 mit der<br />
Matura Typus B mit Italienisch im Hauptfach. Danach entschied ich mich für ein Jurastudium<br />
und immatrikulierte mich im Wintersemester 94/95 an der Uni Bern. Meine Interessen lagen<br />
mehrheitlich in den Bereichen Strafrecht, Kriminologie und öffentliches Recht. Als Wahlfächer<br />
belegte ich Kriminalistik, forensische Psychiatrie und Rechtsmedizin. Die Lizentiatsarbeit<br />
verfasste ich zum Thema "Willensfreiheit und Steuerungsfähigkeit" im Fach forensische<br />
Psychiatrie. Darin geht es kurz gesagt um die Frage, ob alles im Leben der Menschen<br />
vorbestimmt ist, oder ob wir über einen freien Willen verfügen und dementsprechend auch für<br />
unsere Entschlüsse und Taten zur Rechenschaft gezogen und verantwortlich gemacht<br />
werden können.<br />
Nach dem Lizentiat habe ich mich entschlossen, mein Studium weiterzuführen, und mit der<br />
Ausbildung zur Fürsprecherin begonnen. Diese beinhaltete ein einjähriges Anwaltspraktikum,<br />
welches ich im Advokaturbüro Alexander Feuz in Bern absolvierte, wo ich auch schon<br />
während meiner Studienzeit gearbeitet hatte. Danach war ich für weitere 6 Monate am<br />
Obergericht des Kantons Bern bei der Generalprokuratur (Generalstaatsanwaltschaft) tätig.<br />
Im Mai 2003 beendete ich diese Ausbildung mit dem Erhalt des bernischen<br />
Fürsprecherpatents (Rechtsanwalt).<br />
Kurz darauf fing ich eine Teilzeitstelle in der Advokatur an, und seit dem 1.2.2004 bin ich<br />
zusätzlich zu 60% bei der Fachstelle "égalité-handicap" in Bern als Juristin angestellt. Hier<br />
beschäftige ich mich mit Fragen zur Behindertengleichstellung. Die Gründe für mein<br />
Interesse an dieser Tätigkeit sind unterschiedlich. Zum einen tritt mit dem BehiG ein Gesetz<br />
in Kraft, das ein neues Rechtsgebiet erfasst. Die Auseinandersetzung damit ist sicher<br />
anspruchsvoll, aber auch sehr interessant und kreativ. Ein anderer wichtiger Grund ist die<br />
Tatsache, dass ich seit meiner Geburt an einer genetischen Krankheit leide, dem MCE-<br />
Syndrom. Die Krankheit an sich ist nicht behandelbar, das dadurch bedingte unkontrollierte<br />
Knochenwachstum, das zu diversen Beeinträchtigungen des Bewegungsapparates führte,<br />
zog allerdings jährliche Spitalaufenthalte und Operationen nach sich. Die daraus<br />
entstandenen Schwierigkeiten, sei es mit der Schule oder den Transportmöglichkeiten,<br />
haben mich schon früh für die Problematik der Gleichstellung und Diskriminierung<br />
Behinderter sensibilisiert.<br />
Aus all diesen Gründen glaube ich, mit meinen eigenen Erfahrungen einen Teil zur<br />
Gleichberechtigung der behinderten Menschen beitragen zu können.<br />
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Andreas Rieder: Erster Leiter des Eidgenössischen Büros für die<br />
Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen<br />
BA / Am 1. März 2004 wird Andreas Rieder seine Tätigkeit als erster Leiter des<br />
Eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (EBGB)<br />
aufnehmen. Seine Aufgabe wird es sein, ein Team aufzubauen und mit diesem zusammen<br />
die Bundesaufgaben im Bereich der Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen<br />
wahrzunehmen. Insbesondere berät das Büro interessierte Stellen und finanziert Projekte zur<br />
Integration von Menschen mit Behinderungen. Es arbeitet dabei eng mit den<br />
Behindertenorganisationen zusammen.<br />
Andreas Rieder wurde 1967 in Worb (Kt. Bern) geboren, wo er auch aufwuchs. Nach der<br />
Matura studierte er während dreier Jahre Geschichte und Staatsrecht an der Universität<br />
Bern. Danach begann er ein Studium der Rechtswissenschaften, das er 1996 mit dem<br />
Lizentiat abschloss. Als Assistent von Prof. Walter Kälin am Institut für öffentliches Recht der<br />
Universität Bern hatte er Gelegenheit, sich vertieft mit völker- und verfassungsrechtlichen<br />
Themen zu befassen. Seine wissenschaftliche Arbeit im Bereich des<br />
Menschenrechtsschutzes und seine Tätigkeit beim Sekretariat der Eidgenössischen<br />
Kommission gegen Rassismus (EKR) sensibilisierten Andreas Rieder für Mechanismen<br />
gesellschaftlicher und rechtlicher Ausgrenzung, gerade auch von Menschen mit<br />
Behinderungen. In seiner 2002 abgeschlossenen Dissertation setzte er sich mit einem<br />
Aspekt des verfassungsrechtlichen Diskriminierungsverbots auseinander.<br />
Diskriminierung und Gleichstellung beschäftigten Andreas Rieder auch während seiner<br />
anschliessenden Tätigkeit als Oberassistent am Institut für Europarecht an der Universität<br />
Freiburg. Sein Engagement für den Verein Menschenrechte Schweiz (MERS) gibt ihm<br />
Gelegenheit, seine Kenntnisse in die Praxis einfliessen zu lassen. Als neuer Leiter des EBGB<br />
freut er sich nun auf die grosse Herausforderung, sich für die Gleichstellung von Menschen<br />
mit Behinderungen einzusetzen.<br />
Seine Freizeit verbringt Andreas Rieder, der mit seiner Partnerin in Bern wohnt, gerne mit<br />
Kochen, mit Spaziergängen, Wanderungen und Volleyball, mit einem Buch oder im Kino.<br />
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Frankreich: Für Rechts- und Chancengleichheit, Mitbestimmung<br />
und Staatsbürgerschaft von Behinderten<br />
Von Claude Bauer<br />
Die Schweiz ist womöglich das einzige Land, das eine Invalidenversicherung geschaffen hat,<br />
die sich nicht nur auf die gesundheitliche Beeinträchtigung bezieht, sondern auch auf die<br />
Fähigkeit der betroffenen Person, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Das ist auch der<br />
Grund, wieso unser Land, als es sich anschickte, den sozialen Aspekt der Behinderung und<br />
die sozialen Umstände zu berücksichtigen, welche die Behinderung verstärken bzw.<br />
abschwächen oder sogar aufheben, nicht eine Revision des IVG einleitete, sondern ein<br />
neues Gesetz schuf: das BehiG (Behinderten-Gleichstellungsgesetz).<br />
In Frankreich liegen die Dinge anders: Die Staatssekretärin für behinderte Menschen hat im<br />
vergangenen Dezember einen Entwurf für ein "Gesetz über die Rechts- und<br />
Chancengleichheit, Mitbestimmung und Staatsbürgerschaft von Behinderten" eingebracht.<br />
Der Gesetzesentwurf trägt, wie die Ministerin betont, "dem ausdrücklichen Willen des<br />
Präsidenten der Republik" Rechnung, "die Eingliederung von Menschen mit einer<br />
Behinderung in die Gesellschaft zu einer der drei vordringlichsten Aufgaben für die nächste<br />
fünfjährige Regierungsperiode zu machen."<br />
Der Gesetzesentwurf zielt darauf ab, "die Auswirkungen der Behinderung auszugleichen,<br />
behinderten Personen eine umfassende Teilnahme am sozialen Leben zu erlauben und<br />
ihnen moderne und ohne Einschränkungen zugängliche Dienste und Leistungen zu bieten."<br />
Zugänglichkeit: Einer der zentralen Begriffe unserer Kampagne zugunsten der Initiative<br />
"Gleiche Rechte für Behinderte". Der Unterschied zwischen Frankreich und der Schweiz<br />
besteht darin, dass der Begriff "Zugänglichkeit" in unserem Nachbarland weiter gefasst wird.<br />
Der Begriff erstreckt sich dort nicht nur auf Gebäude und Dienstleistungen, sondern auch auf<br />
Schulung, auf Beschäftigung / Anstellung im weitesten Sinne, d.h. umfasst auch die<br />
Beschäftigung / Anstellung in geschützten Werkstätten.<br />
Es sei auch darauf hingewiesen, dass das Gesetz, falls es denn angenommen werden sollte,<br />
formell Auswirkungen auf zahllose andere Gesetze zeitigen wird. Heisst das, dass es<br />
einfacher ist, im französischen Gesetz kleinere, auf verschiedene Bereiche verstreute<br />
Änderungen vorzunehmen, die schliesslich zu einem Gesinnungswandel führen? Beim<br />
gegenwärtigen Stand des Projekts wird sich wohl kaum jemand auf die Äste hinauswagen<br />
und zu einer definitiven Antwort versteigen wollen. Hinzu kommt, dass das Projekt in<br />
Behindertenkreisen nicht vorbehaltlos unterstützt wird. Die UNAPEI (Union nationale des<br />
associations de parents, de personnes handicapées mentales et de leurs amis) sieht die<br />
Bestrebung zwar mehrheitlich positiv, stellt aber doch fest, dass "bestimmte wichtige<br />
Anliegen für geistig behinderte Personen noch nicht aufgenommen worden sind." So fordert<br />
UNAPEI beispielsweise mit Nachdruck, dass "der rechtliche Schutz (Vormundschaft,<br />
Beistandschaft) mit in den (finanziellen) Ausgleich integriert wird, auf den die behinderte<br />
Person Anspruch hätte." Eine marktgerechte Bezahlung des Vormunds oder Beistands soll,<br />
so UNAPEI, "die Qualität der erbrachten Dienstleistung sicherstellen."<br />
Die Präsidentin des Verbands der Gelähmten in Frankreich (Association des paralysés de<br />
France APF) ihrerseits bedauert, dass sich der Gesetzesentwurf an einer veralteten<br />
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AGILE - Behinderung und Politik, Ausgabe 01/04<br />
Vorstellung von Behinderung orientiert: Für APF "rührt das eigentliche Missverständnis<br />
daher, dass der Textentwurf moderne – europäische und internationale – Definitionskonzepte<br />
für eine Person, die mit einer Behinderung umgehen muss, nicht berücksichtigt." Das Gesetz<br />
sei "eher auf die Person als auf die Umgebung ausgerichtet", es behandle das Problem der<br />
Behinderung "mit Blick auf die behinderte Person und nicht mit Blick auf eine Person, die in<br />
einer bestimmten Umgebung behindert wird", was einen grundsätzlichen Unterschied in der<br />
Auffassung von Behinderung darstelle.<br />
Wir sprechen hier selbstredend erst von einem Gesetzesentwurf, und es bleibt abzuwarten,<br />
wie er aussieht, nachdem er durch die "parlamentarische Mangel" gedreht wurde. Um die<br />
Auswirkungen des Entwurfs genauer abzuschätzen zu können, müsste man ihn viel<br />
detaillierter studieren, als ich dies getan habe, und man müsste darüber hinaus auch<br />
sämtliche übrigen Gesetze ins Auge fassen, die angepasst werden müssten. Interessant<br />
wäre es auch zu wissen, ob die finanziellen Aufwendungen, die zur Umsetzung des<br />
Gesetzes getätigt werden müssten, auch tatsächlich zur Verfügung gestellt werden, oder ob<br />
das entsprechende Budget nicht, wie das manchmal der Fall ist, an allen Ecken und Enden<br />
beschnitten wird! Kurzum: Es gibt viele Ungewissheiten. Das ändert allerdings nichts daran,<br />
dass die eingeleitete Diskussion und die angekündigte Prioritätensetzung zu begrüssen sind.<br />
Hingewiesen sei zum Schluss noch auf die optimistische Haltung der Staatssekretärin für<br />
behinderte Menschen, die ihrer Hoffnung Ausdruck gab, dass das Gesetz bereits am 1.<br />
Januar 2005 zur Anwendung gelangen könne!<br />
Übersetzung: [Scrive] – Rolf Hubler<br />
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AGILE - Behinderung und Politik, Ausgabe 01/04<br />
Wann findet die nächste Aktionswoche "Arbeit für Behinderte"<br />
statt?<br />
CB / Die Aktionswoche "Arbeit für Behinderte" fand im November letzten Jahres statt. Schon<br />
zum Zeitpunkt, als sich der AGILE-Vorstand für die Durchführung der Aktionswoche<br />
entschied, stellte sich die Frage, ob der Anlass wiederholt werden oder ob er ein einmaliger<br />
Versuch bleiben solle. Die Antwort drängte sich von selbst auf: Eine derartige Aktion erntet<br />
nicht unbedingt schon beim ersten Mal ausgiebig Früchte; man muss die Botschaft mehrfach<br />
wiederholen und unter die Leute bringen, bis sie von allen Arbeitgebern vernommen wird. Wir<br />
waren uns von Beginn weg einig, dass wir die Aktion jedes Jahr oder alle zwei Jahre<br />
wiederholen sollten.<br />
Zu unserer ersten Aktionswoche können wir bereits jetzt sagen, dass sie gute und weniger<br />
gute Resultate zeitigte. Bis wir allerdings sämtliche Facetten überblickt und alle Resultate<br />
ausgewertet haben, wird es Ende Februar werden. Die Sponsoren, auf die wir angewiesen<br />
sind, um die Aktionswoche durchzuführen, haben ihre Budgets für das Jahr 2004 natürlich<br />
längst verabschiedet. Angesichts dieser Ausgangslage haben wir uns dazu entschlossen, die<br />
nächste Aktionswoche nicht im Jahr 2004, sondern erst im Jahr 2005 durchzuführen. Bis<br />
nächsten Sommer sollten wir einen Kampagnen-Plan aufgestellt haben und daran gehen<br />
können, die Aktionswoche "Arbeit für Behinderte" 2005 zu organisieren.<br />
Übersetzung: [Scrive] – Rolf Hubler<br />
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AGILE - Behinderung und Politik, Ausgabe 01/04<br />
Kurznachrichten<br />
CB / In Frankreich wird der sogenannte Cheque-Dienst («chèque service») schon seit<br />
mehreren Jahren angeboten. Nun ist dieser Dienst auch im Kanton Genf eingeführt worden.<br />
Verantwortlich dafür zeichnen das Gesundheits- und Fürsorgedepartement sowie das<br />
Wirtschaftsdepartement. Der Dienst ist in erster Linie dazu geschaffen worden, jenen Genfer<br />
ArbeitgeberInnen, die Haushalthilfen beschäftigen, die administrative Arbeit zu erleichtern,<br />
die aufgewendet werden muss, um das Haushaltspersonal zu «deklarieren». Der/die<br />
ArbeitgeberIn überweist Chèque Service einen Vorschuss, mit dem die Sozialkosten gedeckt<br />
werden können. Chèque Service kümmert sich anschliessend um die Berechnung und<br />
Auszahlung der Sozialkosten an die verschiedenen Kassen (AHV / IV / EO, Arbeitslosigkeit,<br />
Mutterschaft, Unfall). Wie lange dauert es noch, bis auf gesamtschweizerischer Ebene ein<br />
vergleichbarer Dienst für Behinderte, die regelmässig oder unregelmässig<br />
Unterstützungspersonal beschäftigen, eingeführt wird?<br />
Übersetzung: [Scrive] – Rolf Hubler<br />
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AGILE - Behinderung und Politik, Ausgabe 01/04<br />
Kursprogramm AGILE – PROCAP<br />
Detaillierte Unterlagen und Anmeldeformulare erhalten Sie bei den durchführenden<br />
Organisationen.<br />
Gleichstellung – jetzt wird’s konkret!<br />
Wie setzen wir die neuen Rechtsinstrumente ein (Art. 8 Abs. 2 BV sowie das neue BehiG)?<br />
Menschen mit einer Behinderung sind bereits durch Art. 8 Abs. 2 der Bundesverfassung vor<br />
Diskriminierungen geschützt. Zusätzlich ist am 1.1.2004 das neue Behinderten-<br />
Gleichstellungsgesetz zusammen mit zwei Verordnungen in Kraft getreten. Welche<br />
Möglichkeiten beinhalten diese Rechtsinstrumente? Was für Verbesserungen bringen sie<br />
uns? Wie kommen wir zu unserem Recht? Wie muss in einem solchen Fall genau<br />
vorgegangen werden? Wann kann ich vor Gericht, wann gehe ich besser andere Wege?<br />
Datum/Ort:<br />
Zielgruppe:<br />
Mitwirkende:<br />
Anmeldung:<br />
8. Juni 2004, Sozialversicherungsanstalt des Kantons Zürich<br />
Ehrenamtliche und professionelle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der<br />
Behindertenorganisationen sowie interessierte Betroffene<br />
Dr. iur. C. Klein, Leiterin von Egalité Handicap – Fachstelle der DOK<br />
Th. Giancotti, Bildungsverantwortliche AGILE<br />
bis am 26. 4.2004 an AGILE<br />
„Wahre Freundschaft soll nicht wanken......“<br />
So lautet zwar der Liedtext. Was passiert jedoch mit Freundschaften, die einer<br />
Bewährungsprobe ausgesetzt sind? Ausgelöst zum Beispiel durch eine unfallbedingte<br />
Behinderung oder eine Krankheit. Am diesjährigen Procap-Frauenkurs tauschen Frauen ihre<br />
diesbezüglichen Erfahrungen aus und suchen nach konstruktiven Bewältigungsstrategien.<br />
Datum/Ort:<br />
Leitung:<br />
Zielpublikum:<br />
Anmeldung:<br />
12./13. Juni, Kappel am Albis<br />
Christine Morger, Sozialarbeiterin HFS/Familientherapeutin IEF<br />
Frauen mit Behinderung und Bezugspersonen<br />
an Procap<br />
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AGILE - Behinderung und Politik, Ausgabe 01/04<br />
Neue Bereichsleiterin Sozialpolitik<br />
BA / Ursula Schaffner (Jahrgang 1957) hat als Nachfolgerin von Hannes Schnider anfangs<br />
Januar 2004 ihre Arbeit bei AGILE aufgenommen. Inhaltliche Schwerpunkte ihrer Tätigkeit<br />
werden Fragen rund um die Existenzsicherung (Sozialversicherungen, Arbeit,<br />
Assistenzentschädigung), selbstbestimmte Lebensformen sowie soziale, schulische und<br />
berufliche Integration sein. Sie wird in der Redaktion von "agile" mitarbeiten, betreut inhaltlich<br />
die AGILE-eigene Dokumentation und wird AGILE in verschiedenen Gremien vertreten wie<br />
etwa in der AHV/IV-Kommission, im IV-Ausschuss sowie in der Arbeitsgruppe "Integration"<br />
von economiesuisse.<br />
Die zu 70% angestellte Heilpädagogin (Diplom Uni Freiburg) und Juristin (Lizentiat Uni Basel)<br />
freut sich, ihre beiden Ausbildungen und ihre vielfältigen beruflichen und ausserberuflichen<br />
Erfahrungen bei AGILE optimal verbinden und zur Geltung bringen zu können. Als Tochter<br />
einer im Schwerhörigenwesen engagierten Mutter, welche eine der ersten Logopädinnen in<br />
der Schweiz war, kam Ursula Schaffner früh mit hör- und sprachbehinderten Kindern und<br />
Jugendlichen in Kontakt. Die gelebte humanistische Haltung ihres Vaters prägte ihr<br />
Gerechtigkeitsempfinden sowie ihre Überzeugung, dass jedermann und jede Frau seinen<br />
und ihren Teil an das erfolgreiche Zusammenleben einer Gesellschaft beizutragen hat.<br />
Nach dem Studium der klinischen Heilpädagogik arbeitete Frau Schaffner in verschiedenen<br />
Institutionen mit geistig- und mehrfachbehinderten Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen.<br />
Sie engagierte sich jeweils auch auf der strukturellen Ebene, da sie die in einigen Heimen<br />
herrschenden teilweise unwürdigen Zustände kaum ertrug. Diese Engagements führten sie<br />
weiter zum Jurastudium. Sie wollte die politischen Mechanismen dieses Landes besser<br />
verstehen und die Instrumente kennen lernen, um mit ihren Anliegen effizienter und in der<br />
Hoffnung auf grösseren Erfolg an den richtigen Orten durchzudringen. Nach Abschluss des<br />
Jurastudiums erwarb sich Frau Schaffner breite juristische Erfahrungen in sozial- und<br />
finanzpolitischen Projekten mit internationalen Bezügen, so z.B. bei der Aktion Finanzplatz<br />
Schweiz und bei der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft gegen Kinderprostitution. In den<br />
vergangenen fünf Jahren war sie bei der Berner Rechtsberatungsstelle für Asylsuchende<br />
tätig, ab 1999 als Stellenleiterin.<br />
Schliesslich pflegt Ursula Schaffner eine rege Beziehung zu ihrer heute 22jährigen geistig<br />
behinderten Nichte und unterstützt sie und ihre Mutter regelmässig in rechtlichen Belangen.<br />
Als Ausgleich zu den emotional oft sehr anstrengenden, eher kopflastigen beruflichen<br />
Engagements betreibt Ursula Schaffner seit bald 20 Jahren Aikido, eine japanische<br />
Kampfkunst, hat einen grossen Blumen- und Gemüsegarten und liest sehr gerne.<br />
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AGILE - Behinderung und Politik, Ausgabe 01/04<br />
Mit Arnold Schneider verliert die Selbsthilfe einen grossen<br />
Kämpfer<br />
Von Christian Hugentobler 18 (Überarbeitung für agile: BA)<br />
Mit Arnold Schneider verliert die schweizerische Behinderten-Selbsthilfe eines ihrer<br />
Aushängeschilder. Arnold glaubte unerschütterlich an sie, dieser Glaube war die Quelle<br />
seiner grossen Schaffenskraft und Energie. Er war überzeugt, dass wir behinderten<br />
Menschen unser Schicksal in die eigene Hand nehmen und unsere Probleme selber lösen<br />
müssen. Er glaubte fest daran, dass überzeugende Lösungen nur dann zustande kommen,<br />
wenn wir bei einer Sache von Anfang mitgestaltend dabei sind. Für uns alle, die wir uns auch<br />
in der Selbsthilfe engagieren, war Arnold ein Vorbild. Auch nach harten Rückschlägen hat er<br />
sich und andere nicht geschont, nie aufgegeben und seine Bemühungen und Anstrengungen<br />
fortgesetzt.<br />
Arnold war auf verschiedenen Ebenen für die Selbsthilfe tätig: Einerseits engagierte er sich<br />
bei AGILE, der Dachorganisation. Er war bis zu seinem Tod Mitglied von deren<br />
sozialpolitischer Kommission. Nicht immer pflegeleicht, sorgte er für angeregte, teils sogar<br />
hitzige Diskussionen und insbesondere dafür, dass nichts Wichtiges unters Eis ging.<br />
Anderseits war Arnold ein äusserst aktives und engagiertes Mitglied des Schweizerischen<br />
Blinden- und Sehbehindertenverbands (SBV). Er hat während vieler Jahre im Zentralvorstand<br />
mitgearbeitet und sich in zahlreichen Kommissionen und Arbeitsgruppen für die Anliegen<br />
blinder und sehbehinderter Menschen eingesetzt. Einige Jahre fungierte er auch als<br />
Zentralsekretär des SBV. Sein Ideenreichtum ist legendär. So gehen mehrere Einrichtungen,<br />
die nicht mehr wegzudenken sind, ursprünglich auf seine Ideen zurück. Dass blinde und<br />
sehbehinderte Menschen täglich über den elektronischen Kiosk Zugriff auf die neusten<br />
Ausgaben von knapp 30 Periodika haben und diese mit Hilfe ihrer eigenen Hilfsmittel lesen<br />
können, ist unter anderem Arnolds Initiative zu verdanken. Das beliebte Informationssystem<br />
Televox des SBV war ursprünglich Arnolds Idee. Die Schaffung der EDV-Beratungsstelle des<br />
SBV mit vier Mitarbeitenden geht, wie sein letztes Werk, die Stiftung „Zugang für alle“,<br />
ebenfalls auf seine Initiative zurück. Sein Engagement beschränkte sich aber keineswegs nur<br />
auf die Technik. Er setzte sich auch sozialpolitisch für die Anliegen blinder und<br />
sehbehinderter Menschen ein.<br />
Man könnte noch vieles aufzählen, was Arnold initiiert, gefördert und realisiert hat. Nachdem<br />
sein Kampf zu Ende ist, bleibt uns nur folgender Wunsch: dass in der Selbsthilfe noch viele<br />
nachkommen werden, die mit Arnolds Energie und Ideenreichtum die Sache der behinderten<br />
Menschen voranzutreiben in der Lage sind.<br />
18 Christian Hugentobler ist Präsident des Schweizerischen Blinden- und Sehbehindertenverbandes (SBV).<br />
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AGILE - Behinderung und Politik, Ausgabe 01/04<br />
Selbstbestimmtes Leben von Menschen mit einer geistigen<br />
Behinderung<br />
Für Sie gelesen von Bettina Gruber<br />
Selbstbestimmung gehört heute zu den zentralen Begriffen in der Behindertenselbsthilfe.<br />
Lässt sich nun dieser Leitbegriff auch auf für geistig behinderte anwenden, und wenn ja,<br />
unter den gleichen Rahmenbedingungen, wie dies Körperbehinderte für sich einfordern? Mit<br />
dieser Fragestellung machte sich Stefan Osbahr an die Arbeit; seine leicht überarbeitete<br />
Dissertation ist in Buchform - bereits in zweiter Auflage - einem interessierten Publikum<br />
zugänglich.<br />
Um es gleich vorwegzunehmen: Er kommt zu einem positiven Ergebnis, zeigt aber auf, dass<br />
geistig Behinderte auf dem Weg zu Selbstbestimmung Begleitung brauchen und wie diese<br />
Begleitung zu denken ist – nebst strukturellen Veränderungen wie etwa einem Übergang zu<br />
Subjektfinanzierung. Bis Leser und Leserin zu diesem Fazit gelangen, müssen sie sich<br />
allerdings durch viele Buchseiten mit anspruchsvoller Fachsprache durchbeissen. Eigentlich<br />
wäre man und frau gewarnt, präzisiert doch der Untertitel des Buches: "Beitrag zu einer<br />
systemtheoretisch-konstruktivistischen Sonderpädagogik". Wer sich von diesen<br />
Wortungetümen dennoch nicht abschrecken lässt, wird reich belohnt. (Eine kleine Schwäche<br />
für theoretische Begründungen sollten Sie allerdings schon mitbringen.)<br />
Konstruktivistischer Ansatz<br />
So befassen sich die ersten rund hundert Seiten mit Systemtheorie bzw. einem Plädoyer für<br />
einen konstruktivistischen Ansatz. Was sehr verkürzt etwa heissen will: Der Mensch erkennt<br />
nie die Welt an sich, sondern er interpretiert das, was er durch seine Sinne wahrnimmt.<br />
Wirklichkeit ist somit immer eine Deutung des Wahrgenommenen. Der Mensch entwickelt<br />
sich aus eigenem Antrieb weiter, indem er ständig Neues in sein Denken einpasst. Er<br />
überprüft seine Denksysteme und verändert sie. So entsteht eine Spirale aus<br />
Wahrnehmungen und Deutungen, in der der Mensch sich selbst immer wieder neu gestaltet,<br />
eben konstruiert.<br />
Solange wir vom Menschen allgemein reden, werden diese Ausführungen sicher breite<br />
Zustimmung finden. Was ist aber, wenn sie konkret auf geistig Behinderte angewandt<br />
werden? Osbahr geht an diesem Punkt keine Kompromisse ein, sondern besteht auf der<br />
vollen Gültigkeit dieser Grundlagen auch für Schwerstbehinderte - eigentlich logisch, aber<br />
leider trotzdem nicht Allgemeingut.<br />
Spannend sind die Ausführungen, die aufzeigen, dass Begriffe wie "Behinderung" oder<br />
"geistige Behinderung" nicht objektive Tatsachen benennen, sondern Konstrukte sind, um<br />
Wahrnehmungen bezüglich anderer Menschen ins eigene Denksystem einzuordnen.<br />
"Behinderung" beschreibt nicht den objektiven Zustand eines Gegenübers, sondern wird zur<br />
Erklärung eigener Probleme bei der Wahrnehmung dieses Gegenübers und bei der<br />
Kommunikation mit ihm als Begriff konstruiert. Osbahr vertritt hier eine Sicht der Dinge, die<br />
sich noch nicht bei allen Sonderpädagogen und -pädagoginnen durchgesetzt haben dürfte.<br />
Wenigstens in der konkreten Begegnung mit Behinderten im Heimalltag besteht die Gefahr,<br />
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AGILE - Behinderung und Politik, Ausgabe 01/04<br />
in alte Verhaltensmuster zurückzufallen, die daran zu erkennen sind, dass alle schon wissen,<br />
was für den Behinderten gut ist.<br />
Selbstbestimmung (geistig) Behinderter<br />
Osbahr gibt anschliessend einen Einblick in die Independent-Living-Bewegung in den USA<br />
und bei uns und zeigt die Unterschiede verschiedener Konzepte (Rehabilitation, Integration<br />
und Normalisierung, Selbstbestimmt Leben) bezüglich der Rolle der Betroffenen, der<br />
Sonderpädagogik und ihrer VertreterInnen, der verfolgten Ziele, der Methoden und anderem<br />
mehr.<br />
Wer auf all diese Grundlegungen verzichten will, kann auf Seite 173 mit lesen beginnen. Ab<br />
hier geht es um das Konzept der Selbstbestimmung geistig Behinderter. Osbahr stellt die<br />
Self-Advocacy-Bewegung in den USA vor, wo sich erstmals Geistigbehinderte ab Mitte der<br />
1970er Jahre unter dem Namen "People First" zusammentaten, um selbst für die eigenen<br />
Belange einzustehen. Mit einem zeitlichem Abstand von rund 15 Jahren begann sich auch im<br />
deutschsprachigen Raum langsam eine solche Bewegung zu formieren, allerdings primär in<br />
lokalen Gruppen und noch weniger als übergreifende Bewegung.<br />
Selbstbestimmung mit dialogischer Begleitung<br />
Der Autor lässt Betroffene zu Wort kommen, die ihren Wunsch nach Selbstbestimmung klar<br />
formulieren. Osbahr erwähnt aber auch den Wunsch der Betroffenen auf Begleitung.<br />
Selbstbestimmung soll nicht aus dem Heim herausführen in die Isolation, sondern in ein<br />
verantwortetes Gestalten des eigenen Lebens und der Sozialkontakte in einer selbst<br />
gewählten Lebensform. Das kann nicht von heute auf morgen gelernt werden, sondern<br />
braucht Begleitung. Osbahr verwahrt sich aber dagegen, dass die BegleiterInnen die<br />
Lernschritte vorgeben und gleichsam ein Trainingsprogramm für die Betroffenen<br />
zusammenstellen und so über die Hintertür wieder jene sind, die die Zügel in der Hand<br />
halten. Sie sollen nicht Inhalte vorgeben, sondern im Dialog zur Verfügung stehen.<br />
Mit kleinen Schritten sollen Betroffene lernen, dass es auf ihre Meinung ankommt, dass sie<br />
selbst Entscheide fällen können. Dafür braucht es Wahlmöglichkeiten, die vielleicht zuerst<br />
aufgezeigt werden müssen. Und es braucht Bildungsangebote, die sich an erwachsene<br />
Geistigbehinderte richten und sie auch wie Erwachsene behandeln.<br />
Letztlich lässt sich das Dilemma, dass eine nichtbehinderte Begleitung ihre<br />
Wertvorstellungen mit einbringt, nicht ganz auflösen. Daher ist Dialog der zentrale Begriff.<br />
Die Begleitung verpflichtet sich immer wieder neu, den Wünschen der Betroffenen absolute<br />
Priorität einzuräumen. Selbstbeobachtung der BegleiterInnen ist somit unabdingbar. Diese<br />
neuen Rollen einzuüben, wird somit für alle Beteiligten – nicht nur die behinderten - eine<br />
Herausforderung sein.<br />
Angaben zum Buch<br />
Stefan Osbahr, Selbstbestimmtes Leben von Menschen mit einer geistigen Behinderung.<br />
Beitrag zu einer systemtheoretisch-konstruktivistischen Sonderpädagogik, SZH Edition 2 2003<br />
(Bd. 4 der Reihe "ISP-Universität Zürich"). Preis: Fr. 37.05<br />
Zu beziehen bei der Schweizerischen Zentralstelle für Heilpädagogik, Theaterstr. 1, 6003<br />
Luzern; Tel. 041 226 30 40; Fax 041 226 30 41; Email szh@szh.ch; Internet www.szh.ch.<br />
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AGILE - Behinderung und Politik, Ausgabe 01/04<br />
Kurzhinweise auf Publikationen<br />
Die IV in Zahlen 2003<br />
CB / Die neue Broschüre der SAEB über Kostenbeiträge, Geldbeträge, Preislimiten und<br />
Ergänzungsleistungen der IV kann zu einem Preis von 5 Franken (ab 10 Exemplaren zu 3.50<br />
pro Stück), Versandkosten inbegriffen, bezogen werden bei:<br />
Stiftung Battenberg, Lernbüro, Postfach, 2500 Biel 8<br />
Fax 032 341 98 29<br />
Gut unterwegs mit öffentlichen Verkehrsmitteln<br />
CB / Ob ein Handbuch brauchbar ist, kann man erst beim Benutzen feststellen, so auch bei<br />
der neuen Broschüre der SBB „Reisende mit Handicap“, die jetzt in den Bahnhöfen gratis<br />
aufliegt. Wir stellen mit Zufriedenheit fest, dass diese Ausgabe ein bisschen weniger<br />
„lehrerhaft“ und angenehmer in der Handhabung ist als die vorherige.<br />
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