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AGILE - Behinderung und Politik, Ausgabe 01/04<br />

Frankreich: Für Rechts- und Chancengleichheit, Mitbestimmung<br />

und Staatsbürgerschaft von Behinderten<br />

Von Claude Bauer<br />

Die Schweiz ist womöglich das einzige Land, das eine Invalidenversicherung geschaffen hat,<br />

die sich nicht nur auf die gesundheitliche Beeinträchtigung bezieht, sondern auch auf die<br />

Fähigkeit der betroffenen Person, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Das ist auch der<br />

Grund, wieso unser Land, als es sich anschickte, den sozialen Aspekt der Behinderung und<br />

die sozialen Umstände zu berücksichtigen, welche die Behinderung verstärken bzw.<br />

abschwächen oder sogar aufheben, nicht eine Revision des IVG einleitete, sondern ein<br />

neues Gesetz schuf: das BehiG (Behinderten-Gleichstellungsgesetz).<br />

In Frankreich liegen die Dinge anders: Die Staatssekretärin für behinderte Menschen hat im<br />

vergangenen Dezember einen Entwurf für ein "Gesetz über die Rechts- und<br />

Chancengleichheit, Mitbestimmung und Staatsbürgerschaft von Behinderten" eingebracht.<br />

Der Gesetzesentwurf trägt, wie die Ministerin betont, "dem ausdrücklichen Willen des<br />

Präsidenten der Republik" Rechnung, "die Eingliederung von Menschen mit einer<br />

Behinderung in die Gesellschaft zu einer der drei vordringlichsten Aufgaben für die nächste<br />

fünfjährige Regierungsperiode zu machen."<br />

Der Gesetzesentwurf zielt darauf ab, "die Auswirkungen der Behinderung auszugleichen,<br />

behinderten Personen eine umfassende Teilnahme am sozialen Leben zu erlauben und<br />

ihnen moderne und ohne Einschränkungen zugängliche Dienste und Leistungen zu bieten."<br />

Zugänglichkeit: Einer der zentralen Begriffe unserer Kampagne zugunsten der Initiative<br />

"Gleiche Rechte für Behinderte". Der Unterschied zwischen Frankreich und der Schweiz<br />

besteht darin, dass der Begriff "Zugänglichkeit" in unserem Nachbarland weiter gefasst wird.<br />

Der Begriff erstreckt sich dort nicht nur auf Gebäude und Dienstleistungen, sondern auch auf<br />

Schulung, auf Beschäftigung / Anstellung im weitesten Sinne, d.h. umfasst auch die<br />

Beschäftigung / Anstellung in geschützten Werkstätten.<br />

Es sei auch darauf hingewiesen, dass das Gesetz, falls es denn angenommen werden sollte,<br />

formell Auswirkungen auf zahllose andere Gesetze zeitigen wird. Heisst das, dass es<br />

einfacher ist, im französischen Gesetz kleinere, auf verschiedene Bereiche verstreute<br />

Änderungen vorzunehmen, die schliesslich zu einem Gesinnungswandel führen? Beim<br />

gegenwärtigen Stand des Projekts wird sich wohl kaum jemand auf die Äste hinauswagen<br />

und zu einer definitiven Antwort versteigen wollen. Hinzu kommt, dass das Projekt in<br />

Behindertenkreisen nicht vorbehaltlos unterstützt wird. Die UNAPEI (Union nationale des<br />

associations de parents, de personnes handicapées mentales et de leurs amis) sieht die<br />

Bestrebung zwar mehrheitlich positiv, stellt aber doch fest, dass "bestimmte wichtige<br />

Anliegen für geistig behinderte Personen noch nicht aufgenommen worden sind." So fordert<br />

UNAPEI beispielsweise mit Nachdruck, dass "der rechtliche Schutz (Vormundschaft,<br />

Beistandschaft) mit in den (finanziellen) Ausgleich integriert wird, auf den die behinderte<br />

Person Anspruch hätte." Eine marktgerechte Bezahlung des Vormunds oder Beistands soll,<br />

so UNAPEI, "die Qualität der erbrachten Dienstleistung sicherstellen."<br />

Die Präsidentin des Verbands der Gelähmten in Frankreich (Association des paralysés de<br />

France APF) ihrerseits bedauert, dass sich der Gesetzesentwurf an einer veralteten<br />

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