Editorial - Agile
Editorial - Agile
Editorial - Agile
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
AGILE - Behinderung und Politik, Ausgabe 01/04<br />
in alte Verhaltensmuster zurückzufallen, die daran zu erkennen sind, dass alle schon wissen,<br />
was für den Behinderten gut ist.<br />
Selbstbestimmung (geistig) Behinderter<br />
Osbahr gibt anschliessend einen Einblick in die Independent-Living-Bewegung in den USA<br />
und bei uns und zeigt die Unterschiede verschiedener Konzepte (Rehabilitation, Integration<br />
und Normalisierung, Selbstbestimmt Leben) bezüglich der Rolle der Betroffenen, der<br />
Sonderpädagogik und ihrer VertreterInnen, der verfolgten Ziele, der Methoden und anderem<br />
mehr.<br />
Wer auf all diese Grundlegungen verzichten will, kann auf Seite 173 mit lesen beginnen. Ab<br />
hier geht es um das Konzept der Selbstbestimmung geistig Behinderter. Osbahr stellt die<br />
Self-Advocacy-Bewegung in den USA vor, wo sich erstmals Geistigbehinderte ab Mitte der<br />
1970er Jahre unter dem Namen "People First" zusammentaten, um selbst für die eigenen<br />
Belange einzustehen. Mit einem zeitlichem Abstand von rund 15 Jahren begann sich auch im<br />
deutschsprachigen Raum langsam eine solche Bewegung zu formieren, allerdings primär in<br />
lokalen Gruppen und noch weniger als übergreifende Bewegung.<br />
Selbstbestimmung mit dialogischer Begleitung<br />
Der Autor lässt Betroffene zu Wort kommen, die ihren Wunsch nach Selbstbestimmung klar<br />
formulieren. Osbahr erwähnt aber auch den Wunsch der Betroffenen auf Begleitung.<br />
Selbstbestimmung soll nicht aus dem Heim herausführen in die Isolation, sondern in ein<br />
verantwortetes Gestalten des eigenen Lebens und der Sozialkontakte in einer selbst<br />
gewählten Lebensform. Das kann nicht von heute auf morgen gelernt werden, sondern<br />
braucht Begleitung. Osbahr verwahrt sich aber dagegen, dass die BegleiterInnen die<br />
Lernschritte vorgeben und gleichsam ein Trainingsprogramm für die Betroffenen<br />
zusammenstellen und so über die Hintertür wieder jene sind, die die Zügel in der Hand<br />
halten. Sie sollen nicht Inhalte vorgeben, sondern im Dialog zur Verfügung stehen.<br />
Mit kleinen Schritten sollen Betroffene lernen, dass es auf ihre Meinung ankommt, dass sie<br />
selbst Entscheide fällen können. Dafür braucht es Wahlmöglichkeiten, die vielleicht zuerst<br />
aufgezeigt werden müssen. Und es braucht Bildungsangebote, die sich an erwachsene<br />
Geistigbehinderte richten und sie auch wie Erwachsene behandeln.<br />
Letztlich lässt sich das Dilemma, dass eine nichtbehinderte Begleitung ihre<br />
Wertvorstellungen mit einbringt, nicht ganz auflösen. Daher ist Dialog der zentrale Begriff.<br />
Die Begleitung verpflichtet sich immer wieder neu, den Wünschen der Betroffenen absolute<br />
Priorität einzuräumen. Selbstbeobachtung der BegleiterInnen ist somit unabdingbar. Diese<br />
neuen Rollen einzuüben, wird somit für alle Beteiligten – nicht nur die behinderten - eine<br />
Herausforderung sein.<br />
Angaben zum Buch<br />
Stefan Osbahr, Selbstbestimmtes Leben von Menschen mit einer geistigen Behinderung.<br />
Beitrag zu einer systemtheoretisch-konstruktivistischen Sonderpädagogik, SZH Edition 2 2003<br />
(Bd. 4 der Reihe "ISP-Universität Zürich"). Preis: Fr. 37.05<br />
Zu beziehen bei der Schweizerischen Zentralstelle für Heilpädagogik, Theaterstr. 1, 6003<br />
Luzern; Tel. 041 226 30 40; Fax 041 226 30 41; Email szh@szh.ch; Internet www.szh.ch.<br />
Seite 42 / 43