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LUFTWAFFEN - Netteverlag

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Vom Sinn des AFG-Einsatzes der Bundeswehr. Was bleibt?<br />

Vom Aufhelfen zum Selbsthelfen<br />

Am 7. Oktober 2001 um etwa 21.00 Uhr begann<br />

der Krieg gegen das Taliban-Regime<br />

in Afghanistan. Deutschland ist am Hindukusch<br />

seit dem Jahreswechsel 2001 auf 2002<br />

mit Truppen vertreten. Derzeit sind dort<br />

etwa 5 000 Bundeswehrsoldaten im Einsatz.<br />

Bis Ende 2014 sollen die Bundeswehr und<br />

alle anderen internationalen Kampftruppen<br />

aus Afghanistan abgezogen werden.<br />

Dadurch gewinnt die Frage, welche ethischen<br />

Grundsätze beim bevorstehenden<br />

Abzug der Stabilisierungskräfte aus Afghanistan<br />

und bei der Übergabe der Verantwortung<br />

an einheimische Sicherheitskräfte<br />

zu beachten sind, aktuelle Bedeutung. Die<br />

Gemeinschaft Katholischer Soldaten (GKS)<br />

leistet hierzu auf der Grundlage der katholischen<br />

Friedenslehre einen Beitrag und erinnert<br />

an die Aussage des II. Vatikanischen<br />

Konzils: „Wer als Soldat im Dienst des Vaterlandes<br />

steht, betrachte sich als Diener<br />

der Sicherheit und Freiheit der Völker. Indem<br />

er diese Aufgabe recht erfüllt, trägt er<br />

wahrhaft zu Festigung des Friedens bei.“<br />

(GS79). Die Frage stellt sich, ob bzw. wie<br />

dieses soldatische Selbstverständnis in einer<br />

islamischen Umwelt wie Afghanistan (überzeugend<br />

und nachhaltig) vermittelt werden<br />

kann, ohne dass es als christliche Missionierung<br />

oder westliche Überfremdung verstanden<br />

wird. Nun gibt es im Islam durchaus<br />

Ansätze einer glaubensübergreifenden<br />

Ethik, die in einem „werte-basierten“ Zugang<br />

zum Koran bestehen (Chandra Muzaffar)*.<br />

Zu den fundamentalen Werten, die<br />

man im Koran finden kann, gehören Freiheit,<br />

Verlässlichkeit, Gerechtigkeit, Freundlichkeit,<br />

Gnade, Liebe, Gleichheit, Aufrichtigkeit,<br />

Mitgefühl, Fairness und Hingabe<br />

zur Sache der Armen und Unterdrückten.<br />

Diese Werte sind universeller Natur und<br />

vereinen „alle Menschen als Brüder und<br />

Schwestern, die derselben conditio humana<br />

unterworfen sind.“* Auf dieser Basis sollte<br />

es möglich sein, die nachstehenden Thesen<br />

der GKS als gemeinsame Verpflichtung<br />

für deutsche Soldaten und Einheimische<br />

in Afghanistan zu kommunizieren. (*http://<br />

de.quantara.de/Koranische-Ethik-fuer-den-interreligiösen-Dialog/681c644i1p10....)<br />

Übergabe in Verantwortung<br />

Ethische Grundsätze für die Beendigung eines<br />

Militäreinsatzes im Rahmen einer Friedensmission<br />

der Vereinten Nationen<br />

Mit einer Friedensmission verfolgen die Vereinten<br />

Nationen das Ziel, ein von Krieg und Terror heimgesuchtes<br />

Land zu befrieden, damit es eigenverantwortlich<br />

für den (Wieder)Auf- und Ausbau der<br />

staatlichen Ordnung sorgen kann. Militäreinsätze<br />

im Namen und im Rahmen des Völkerrechts sind<br />

dann ethisch gerechtfertigt, wenn sie einerseits<br />

dem Schutz vor Terror und schweren Menschenrechtsverletzungen<br />

und andererseits dem Aufbau<br />

einer gerechten und stabilen Ordnung dienen.<br />

Die Frage, welche ethischen Grundsätze beim bevorstehenden<br />

Abzug der Stabilisierungskräfte der<br />

internationalen Staatengemeinschaft (ISAF) aus<br />

Afghanistan und bei der Übergabe der Verantwortung<br />

an einheimische Sicherheitskräfte zu beachten<br />

sind, gewinnt wieder aktuelle Bedeutung.<br />

Die GKS versucht darauf eine Antwort und erinnert<br />

in diesem Zusammenhang an die katholische<br />

Friedenslehre, die ein ziemlich umfassendes ethisches<br />

Koordinatensystem bietet, wenn es darum<br />

geht, Frieden und Sicherheit lokal, regional und<br />

global zu verorten.<br />

1. Eine Übergabe in Verantwortung wird nur auf<br />

der Basis eines gemeinsam abgestimmten, schlüssigen<br />

Konzeptes für die Friedenskonsolidierung<br />

gelingen. Dazu müssen die beteiligten Akteure ihr<br />

Einzelinteresse zurückstellen, um dem afghanischen<br />

Volk eine Zukunft in Frieden und Sicherheit<br />

zu ermöglichen. Im Sinne christlicher Nächstenliebe<br />

gilt es, durch Hilfe zur Selbsthilfe (Subsidiarität)<br />

auf der Grundlage langfristiger Partner- und<br />

Patenschaft (Solidarität) die Voraussetzungen und<br />

Rahmenbedingungen für den Auf- und Ausbau eines<br />

geordneten Staatswesens zu schaffen.<br />

2. Der notwendige politische und zivile Aufbau eines<br />

funktionierenden Gemeinwesens ist so lange<br />

durch die internationale Gemeinschaft zu sichern,<br />

bis einheimische Militär- und Polizeikräfte dazu<br />

in der Lage sind. In der Phase des Übergangs ist<br />

ein Mindestmaß an Stabilität erforderlich, um den<br />

Wiederaufbau voranzubringen und das Erreichte<br />

zu sichern. Ein vorzeitiger und unkoordinierter<br />

Abzug der internationalen Truppen ist zu vermeiden,<br />

weil er ein Machtvakuum schaffen würde, in<br />

dem Hass und Gewalt wieder ausbrechen und das<br />

Land erneut in Gesetzlosigkeit und Chaos stürzen<br />

könnte.<br />

3. Mit der Übernahme der Verantwortung für die<br />

Sicherheit durch einheimische Kräfte darf das<br />

internationale Engagement nicht beendet werden.<br />

Der Abzug der internationalen Streitkräfte<br />

muss mit der glaubwürdigen Selbstverpflichtung<br />

zum langfristigen Engagement verbunden sein.<br />

Schließlich haben die Staaten, die sich militärisch<br />

oder auf andere Weise engagieren, eine moralische<br />

Verpflichtung gegenüber der einheimischen<br />

Bevölkerung übernommen. Ihre Hilfe ist so lange<br />

notwendig, bis ein stabiler Versöhnungsprozess<br />

eingeleitet ist und der Aufbau nachhaltig Früchte<br />

trägt.<br />

4. Wenn die Übernahme der Verantwortung auf<br />

Dauer erfolgreich sein soll, bedarf es der aktiven<br />

Mitwirkung der Bevölkerung, die in einem Land<br />

mit geringer Alphabetisierung erst entsprechend<br />

AFGHANISTAN<br />

ausgebildet und angeleitet werden muss. Die<br />

einheimischen Autoritäten müssen sich ihrer<br />

Verantwortung bewusst werden und eine handlungsfähige<br />

Regierung bilden, die das Wohl des<br />

ganzen Volkes im Blick hat und jede Form von<br />

Gewalt bekämpft. Der Erfolg beim Aufbau und bei<br />

der Entwicklung des Landes hängt direkt und wesentlich<br />

ab von der Einsicht in die Notwendigkeit<br />

entsprechender Maßnahmen und vom Willen und<br />

Einsatz der Betroffenen, sie konsequent um- und<br />

durchzusetzen.<br />

5. Die dem Schutz der Menschenrechte und der<br />

Achtung des Lebens dienenden Grundsätze und<br />

Regeln des humanitären Völkerrechts gelten allgemein.<br />

Sie verlangen, militärische Gewaltanwendung<br />

zu begrenzen. In der Phase des Übergangs<br />

sollten die internationalen Streitkräfte - soweit es<br />

der notwendige Schutz der Soldaten zulässt - weitgehend<br />

auf militärische Gewalt verzichten. Indem<br />

Streitkräfte zu den Folgen ihres Tuns oder Unterlassens<br />

stehen, sich zu Fehlern bekennen und<br />

Schäden bestmöglich beseitigen, leisten sie gerade<br />

in ihrer Wahrhaftigkeit und ihrem Verantwortungsbewusstsein<br />

einen Beitrag zur Versöhnung.<br />

6. Bei der Beendigung von militärischen Einsätzen<br />

sind erhebliche Anstrengungen erforderlich, um<br />

dem Anspruch einer Übergabe in Verantwortung<br />

gerecht werden zu können. Der Schwerpunkt der<br />

Unterstützung muss sich auf Felder wie Bildung,<br />

Gesundheitswesen, Infrastruktur, Aufbau von<br />

Verwaltung, Justiz und Polizei verlagern. Dafür<br />

müssen hinreichende finanzielle Mittel erschlossen<br />

werden.<br />

7. Die internationale Gemeinschaft hat in vormaligen<br />

Krisengebieten gezeigt, dass sie unter Beteiligung<br />

militärischer Kräfte Sicherheit stabilisieren<br />

und Frieden erfolgreich sichern kann. Mit solchen<br />

Einsätzen schafft sie auch die Voraussetzung für<br />

eine nachhaltige Krisenprävention.<br />

Regierung und Parlament stehen in der Pflicht,<br />

die Notwendigkeit einer Friedensmission in einer<br />

ganzheitlichen Konzeption zu begründen<br />

und vom Ende des Einsatzes her zu denken.<br />

Die Bevölkerung, insbesondere die Soldaten,<br />

die Leib und Leben einsetzen, und deren Familien<br />

haben ein Recht auf umfassende Information,<br />

um Sinn und Notwendigkeit ihres<br />

Einsatzes zu verstehen und zu akzeptieren.<br />

Die GKS fordert daher für jeden Einsatz Transparenz<br />

und eine grundlegende Strategie, die<br />

auch das Ende einer Mission mit bedenkt.<br />

Die Inhalte / Punkte dieses Textes wurden vom<br />

Sachausschuss Sicherheit & Frieden der GKS zusammengetragen<br />

und von Helmut Jermer redaktionell<br />

bearbeitet. Horst Schuh formulierte den<br />

Vorspann.<br />

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