LUFTWAFFEN - Netteverlag
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GESCHICHTE<br />
April 1945<br />
Österreich, Fliegerhorst Hörsching, Halle<br />
5. Herrlich klarer blauer Himmel. Bestes<br />
Flugwetter. Aber nicht für uns, denn die<br />
Lufthoheit hatten bereits die Alliierten<br />
mit ihren Bomberverbänden übernommen.<br />
Das Radio meldete wie fast täglich<br />
zur gleichen Zeit gegen 11.40 h: „Achtung,<br />
Luftgefahr! Starke Feindverbände<br />
im Anflug auf Kärnten-Steiermark.“<br />
Dann dauerte es nur noch kurze Zeit bis<br />
zum Fliegeralarm. Die Hallentore wurden<br />
geöffnet, in den Unterkünften auch alle<br />
Fenster, und wir wurden mit Bussen in<br />
die waldreiche Umgebung gefahren, um<br />
dort in Splittergräben oder Unterständen<br />
das Ende des Fliegeralarms abzuwarten.<br />
Ja, der Ami war ziemlich pünktlich.<br />
Bis auf wenige Tieffliegerangriffe durch<br />
begleitende Jäger fiel keine Bombe auf<br />
den Fliegerhorst, was uns schon erstaunte.<br />
Die Bomberpulks, bestehend aus<br />
überwiegend B-17 und B-24, hatten als<br />
Ziele Großstädte, Industrieanlagen und<br />
Verkehrseinrichtungen. Die Tage vergingen<br />
mit Umbauarbeiten der Liberator,<br />
und die Radiomeldungen wurden immer<br />
unsympathischer: Der Ami hatte bereits<br />
München eingenommen, Wien war von<br />
Russen besetzt, Adolf Hitler tot, Berlin<br />
stand kurz vor der Kapitulation und von<br />
zu Hause kam schon länger keine Nachricht<br />
mehr. Aus dem Wehrmachtsbericht<br />
konnte ich entnehmen, daß bereits am<br />
11. April Wernigerode besetzt wurde. Ich<br />
konnte es immer noch nicht glauben,<br />
daß für uns der Krieg verloren sein sollte.<br />
Versprach man uns doch immer wieder<br />
irgendwelche Wunderwaffen, die die<br />
Wende herbeiführen sollten. Aber sollte<br />
ich noch auf Wunder warten? War dies<br />
das Ende des Dritten Reiches?<br />
Ich versprach mir nach einem Ende des<br />
Krieges beste Chancen für meine berufliche<br />
Zukunft, - und jetzt sollten alle Träume<br />
zerschlagen sein? - Unsere Erziehung<br />
im Sinne der nationalsozialistischen<br />
Ideologie hatte zur Folge, daß wir unseren<br />
Verführern vertrauten und glaubten.<br />
Das Erwachen, Begreifen und der Wille<br />
zum Überleben stellten sich aber nach<br />
der Niederlage sehr schnell ein.<br />
Am 1. Mai 1945 verlegte unser Verband,<br />
nur noch eine Fw 200 Condor (neben<br />
meiner B- 24), nach Micheldorf im Toten<br />
Gebirge. Unsere zweite Condor mit meiner<br />
Besatzung kam von einem Feindflug<br />
22<br />
Kriegsende 1945, wie ich es sah und erlebte.<br />
Tagebuch einer ungewöhnlichen Geschichte.<br />
Meiner tapferen Braut Ingrid gewidmet.<br />
nicht zurück. - Der Russe sollte schon in<br />
St. Pölten sein? -<br />
Da meine Mühle noch nicht startklar<br />
nach dem Umbau war, wurde ich mit<br />
allen Vollmachten in Hörsching zurückgelassen.<br />
Ich hatte den Befehl, nach Herstellung<br />
der Flugsicherheit, die Maschine<br />
nach Aigen/Steiermark zu überführen.<br />
Sofern keine Möglichkeit mehr bestehen<br />
sollte, die Maschine zu sprengen und<br />
mich nach Micheldorf durchzuschlagen.<br />
Ich wollte aber unbedingt meine Kiste<br />
heil nach Aigen bringen und feuerte die<br />
Kameraden der Werft an, die das Unmögliche<br />
dann doch noch schafften.<br />
Spät wurde die Maschine vollgetankt<br />
und nochmals alles gewissenhaft überprüft.<br />
Ein Verband nach dem anderen<br />
schwirrte aus Hörsching ab. Aber viele<br />
Möglichkeiten gab es schon nicht mehr,<br />
denn das unbesetzte Deutschland wurde<br />
immer kleiner, und die Amis und Russen<br />
kamen bedenklich näher.<br />
Nun eine neue Schwierigkeit: Ich hatte<br />
keinen Flugzeugführer mehr für meinen<br />
Vogel, denn meine Stammbesatzung war<br />
nach einem Feindflug mit ihrer Maschine<br />
als vermißt gemeldet worden. Viele Kutscher,<br />
die ich daraufhin anhielt, trauten<br />
sich nicht in meinen Vogel. „Na ja, wenn<br />
es brenzlig wird, schnappe ich mir meine<br />
Ingrid und los geht‘s. Mehr als abkratzen<br />
können wir nicht, und oben geblieben ist<br />
noch keiner. Es wird schon schiefgehen.“<br />
- So meine jugendlich-leichtsinnigen Gedanken<br />
darüber.<br />
Donnerstag, den 03. Mai 1945<br />
Ein Tag wie jeder andere und doch so vieles<br />
anders. Man sagte: „...morgen könnte<br />
der Ami hier sein, mit Eiltempo rückt er<br />
näher.“ Morgens hörte man bereits aus<br />
der Ferne leisen Gefechtslärm. Der zur<br />
Gewohnheit gewordene Fliegeralarm<br />
blieb aus. Nur im Großraum Linz erhöhte<br />
Feindjägertätigkeit, was die Nähe der<br />
Frontlinie dokumentierte.<br />
„Hier ist der Draht- und Rundfunk Oberdonau<br />
mit der Befehlsstelle des Gauleiters.<br />
Achtung, die Luftlage: Erhöhte<br />
Tieffliegergefahr! Bei annäherndem<br />
Motorengeräusch sofort Fliegerdeckung<br />
nehmen. Ich wiederhole.... “ So schnarrte<br />
das Radio den ganzen Tag.<br />
Gegen Mittag traf ich auf dem Flur meiner<br />
Unterkunft zwei Unteroffiziere. An<br />
ihren Abzeichen erkannte ich ihre Zugehörigkeit<br />
zum fliegenden Personal.<br />
Unser Pilot, Uffz. Karl-Richard Friebel,<br />
der am 04. Mai 1945 die B-24<br />
Liberator von Hörsching/Linz nach<br />
Micheldorf im Toten Gebirge sowie<br />
am 05. Mai 1945 die Focke-Wulf<br />
200 Condor von Micheldorf nach<br />
Böllstein im Odenwald führte. Er beherrschte<br />
die Maschinen meisterhaft<br />
und bewahrte dank seiner Reaktionsfähigkeiten<br />
die Besatzung und den<br />
Ort Böllstein vor einer Katastrophe.<br />
„Euch schickt mir der Himmel!“ Ich<br />
fragte woher und wohin. Es stellte sich<br />
heraus, daß es ein Flugzeugführer und<br />
ein Kampfbeobachter einer aufgelösten<br />
Einheit waren. Ich schilderte meine Lage<br />
und daß ich dringend einen Kutscher<br />
benötigte. Ich führte den beiden meinen<br />
führerlosen Vogel vor und beschwichtigte<br />
ihre kurzzeitigen Bedenken mit den<br />
tröstenden Worten: „Gar kein Problem.<br />
Du knüppelst, und ich erledige das Technische.“<br />
Meine neue Besatzung willigte<br />
ein, und ich war mit meiner B-24 wieder<br />
flugfähig.<br />
Der Name des Piloten war Karl-Richard<br />
Friebel, aus Bremen stammend, etwa 25<br />
Jahre alt. Sein Kamerad, der Kampfbeobachter,<br />
etwa im gleichen Alter, auch<br />
aus Norddeutschland stammend. Leider<br />
ist mir sein Name entfallen. Auf jeden<br />
Fall zwei tolle Burschen mit jugendlichem<br />
Unternehmungsgeist und Tatendrang,<br />
die sich auch nicht vor besonderen<br />
Herausforderungen fürchteten, was