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LUFTWAFFEN - Netteverlag

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GESCHICHTE<br />

Ab Januar 1945: Die B-24-Liberator<br />

A3+KB, abgestellt auf dem Flugplatz<br />

Freilassing bei Salzburg, mit Bugradschaden.<br />

Foto aus einer amerikanischen<br />

Luftfahrtzeitschrift.<br />

noch nicht? Kaum zu fassen. Ja, Glück<br />

muß man haben. Die Mädels hängten<br />

aus den Seitenfenstern weiße Bettlaken<br />

hinaus. Das muß ein komisches Bild<br />

abgegeben haben. Der Schreck war erstmal<br />

überwunden. Die Condor hielt sich<br />

prima im Kurs, aber wir waren lahmgeschossen.<br />

Wir hatten jedoch immer noch<br />

drei Motoren und behielten unsere optimistische<br />

Zuversicht. Durch den Beschuß<br />

fielen auch das Hauptstromaggregat<br />

und die Mehrzahl der Instrumente aus,<br />

so waren wir nur noch auf den Flüssigkeitskompaß<br />

und den barometrischen<br />

Höhenmesser angewiesen, auf den jedoch<br />

durch die Ungenauigkeiten kein<br />

Verlaß war. Zur Orientierung diente uns<br />

noch eine gute Landkarte mit den Erfahrungen<br />

der Besatzung, vorausgesetzt es<br />

blieb bei der Bodensicht. Und das war es<br />

dann auch schon.<br />

Wetter immer noch gut bei klarer Sicht.<br />

Doch je weiter wir nach Nordwesten kamen,<br />

desto diesiger wurde es. Wir krochen<br />

langsam höher, abseits von den<br />

Hauptdurchgangsstraßen bis auf ca.<br />

2000 m Höhe.<br />

Unser Flug führte uns quer über Bayern,<br />

ungefähr über folgende Orte: Pfarrkirchen<br />

- Reisbach - Dingolfing - Weng<br />

- Ergoldsbach - Abendsberg a.d. Donau<br />

- Pondorf – Kinding - Greding. Die Sicht<br />

wurde immer diesiger, und die Bewölkung<br />

nahm zu.<br />

Etwa 50 km südlich von Nürnberg bei<br />

Heideck überflogen wir ein großes amerikanisches<br />

Zeltlager. Einige Schüsse sendete<br />

man uns hoch, nein, unsere Kugeln<br />

26<br />

waren noch nicht dabei. Auf vielen Häusern<br />

in Bayern wehten weiße Fahnen.<br />

Kein schöner Anblick. Auf den Landstraßen<br />

eine große Anzahl von<br />

amerikanischen Truppenkolonnen,<br />

Mot.-und Panzerverbänden. Die Masse<br />

an Menschen und Material war beeindruckend.<br />

Aber es fiel erstaunlicherweise<br />

kein einziger Schuß! Wegen unserer weißen<br />

Laken? Oder dachten die da unten,<br />

„den Vogel kriegen wir sowieso“?<br />

Der Horizont war inzwischen zugezogen.<br />

Weiter nach Norden in den Dreck rein?<br />

Nach Osten zum Iwan? Nee, lieber nicht.<br />

Also in westlicher Richtung weiter, denn<br />

irgendwo mußte der Dreck mal aufhören.<br />

Und schon befanden wir uns inmitten der<br />

Milchsuppe. Keine Sicht mehr. Wo waren<br />

wir? Wohin flogen wir? Keinen blassen<br />

Schimmer! Egal. Nur weiter! Wir flogen<br />

noch, und nur das war für uns von<br />

Interesse. Keine Erdsicht, keinen Anhaltspunkt<br />

und unaufhörlich donnerten die<br />

drei restlichen Motoren ihr monotones<br />

und für uns doch so anheimelndes Lied.<br />

Noch sind wir frei, aber was werden die<br />

nächsten Stunden bringen? Können wir<br />

einer Gefangenschaft entgehen? Reicht<br />

der Sprit noch? Viele Fragen beschäftigten<br />

uns, doch beunruhigend war noch<br />

nichts. Wir waren alle so voll sicheren<br />

Optimismus. Das muß an unserem jugendlichen<br />

Alter gelegen haben.<br />

Inzwischen hatte ich die Auswertepapiere<br />

und Erfahrungsberichte von der Liberator<br />

und weitere Papiere kleingeschnippelt<br />

dem Zugwind übergeben, der die<br />

Verbreitung über Bayern besorgte. Sämtliche<br />

Filme wurden belichtet und gingen<br />

den gleichen Weg. Ich wechselte meine<br />

Wäsche, zog noch zwei Unterhemden<br />

und Unterhosen sowie Strümpfe an (wir<br />

waren ja nicht bei armen Leuten), mit<br />

dem Gedanken: Kommste in Gefangenschaft,<br />

dann haste wenigstens was an.<br />

Wir überlegten schon, in Anbetracht der<br />

inzwischen zur Neige gehenden Spritvorräte,<br />

ob eine Notlandung zweckmäßig<br />

wäre. Daß wir inzwischen unbemerkt an<br />

Höhe verloren hatten, war uns durch die<br />

undurchsichtige Umgebung noch nicht<br />

aufgefallen. Da tauchten vor uns plötzlich<br />

die Schatten von Bergen auf, die wir<br />

durch die Geistesgegenwart unseres Piloten<br />

überwanden.<br />

Wir sackten durch, plötzlich vor uns ein<br />

Kirchturm, dem gerade noch in geringem<br />

Abstand ausgewichen werden konnte.<br />

(Querruder links eingeschlagen und die<br />

rechte Fläche flutschte gerade so über<br />

den Turm.) Scharfe Rechtskurve, und wir<br />

setzten in einem Tal zur Landung an:<br />

Landeklappen raus, Gas weg, das Boschhorn<br />

brüllte auf (weil das Fahrwerk eingezogen<br />

blieb), wir sahen den Boden auf<br />

uns zukommen, ich nahm meine Ingrid<br />

in den Arm, Erschütterung, ein Schlag<br />

ging durch die Maschine, 2550 PS heulten<br />

noch einmal auf, die Latten bogen<br />

sich durch nach hinten, es rumpelte und<br />

rumorte, die Kanzelscheiben schlugen<br />

voll Dreck - Ruhe!!! Uhrzeit 16.50 h.<br />

Der Regen prasselte aufs Dach, es tropfte<br />

an einigen Stellen durch, wir waren<br />

unten! Lachend sahen wir uns an und<br />

stellten erleichtert fest, daß wir noch am<br />

Leben waren und keiner verletzt war.<br />

Wir gingen einmal um unseren treuen<br />

Vogel herum. Das Leitwerk lag irgendwo<br />

im Busch. Ein Motor war ausgebrochen.<br />

Eine tiefe Furche zog sich über den vom<br />

Regen aufgeweichten Acker bis zum Haltepunkt.<br />

Das war Flurschaden in Reinkultur.<br />

Der Eigner dieser Ackerfläche<br />

möge uns verzeihen.<br />

Unsere brave Condor ist nach drei Flugstunden<br />

und rund 600 Flugkilometern<br />

hinüber. Die stabile Bodenwanne hatte<br />

die Scherkräfte bei der Bodenberührung<br />

aufgefangen und das Schlimmste verhindern<br />

können. Das war eine filmreife<br />

Bauchlandung.<br />

Menschen aus dem naheliegenden Dorf<br />

kamen gelaufen: „Was, ein deutsches<br />

Flugzeug? Haut bloß ab, die Amis könnten<br />

gleich hier sein.“ Ein Mann mit weißer<br />

Binde, vermutlich ein Hilfspolizist,<br />

tat sich wichtig, hatte aber Respekt und<br />

blieb reserviert.<br />

Es goß in Strippen, wir gingen zurück in<br />

die Maschine, und das ganze Volk strömte<br />

nach.<br />

Ja, wo waren wir überhaupt gelandet?<br />

Das hatten wir in der Aufregung gar<br />

nicht gefragt.<br />

Wir zogen mit großem Geleit in das Dorf.<br />

Ein Mädel bot mir an, Zivilkleidung zu<br />

besorgen. Die Kameraden gingen in eine<br />

andere Richtung. Was ist aus ihnen geworden?<br />

Ich weiß es nicht!<br />

Ingrid und ich landeten in einem Bauernhaus<br />

am Dorfende. Man verpaßte<br />

mir eine Hose, einen Rock und einen<br />

Schlapphut. So schnell wurde ich Zivilist!<br />

Man drängte uns: „Bloß schnell weg hier.<br />

Wenn der Ami kommt, geht es allen dreckig!“<br />

Ein Mann trat in die Stube: „Wenn<br />

Sie nicht sofort verschwinden, muß ich<br />

Sie melden!“<br />

Wir bedankten uns bei unseren Wohltätern<br />

und verließen fluchtartig das Dorf in<br />

den nahen Wald. Es regnete immer noch<br />

sehr heftig. Im Wald sortierten wir erst<br />

mal unser Eigentum und trennten uns<br />

von den meisten Teilen, die uns beim<br />

Weitermarsch behindern konnten. In

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