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Eurasisches Magazin – April 2009 · Seite 1 © Eurasischer Verlag ...

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<strong>Eurasisches</strong> <strong>Magazin</strong> – <strong>April</strong> <strong>2009</strong> · <strong>Seite</strong> 12<br />

werden, wie das im Westen größtenteils praktiziert wird. Ich bin aber auch gegen eine<br />

Glorifizierung des intellektuellen Leistungsvermögens in diesen asiatischen Ländern.<br />

Bestimmte Fähigkeiten wie eigenständiges, kreatives, innovatives Denken können aufgrund<br />

des Schulsystems nicht selbstverständlich erwartet werden. Ich wünsche mir auch hier, dass<br />

wir uns auf unsere Stärken besinnen und den Kindern vermitteln, wie viel Spaß Leistung<br />

macht. Wir sollten allerdings öfter an die auch im Westen bekannte Erziehungserfahrung<br />

denken: „Wer dich schont, betrügt dich!“<br />

„Ich bin keinesfalls davon überzeugt, dass die Demokratie überall ersehnt wird,<br />

wie das der Westen unterstellt“<br />

EM: Wenn der Geist der Demokratisierung stärker wird und immer mehr Menschen ihr<br />

Schicksal in die eigenen Hände nehmen, werden sie in zunehmendem Maß die<br />

undemokratische Weltordnung, in der sie leben, in Frage stellen. Also die westliche. Diese<br />

Voraussage Mahbubanis gipfelt in dem Satz, dass „der Tag er Abrechnung“ kommen wird.<br />

Wie kann man sich diesen Tag vorstellen?<br />

Seelmann: Ich bin keinesfalls davon überzeugt, dass überall die Demokratie ersehnt wird,<br />

wie das der Westen unterstellt. Warum soll z.B. die Mehrzahl der Chinesen an ihrer<br />

kommunistischen Regierung zweifeln? Und wenn ich mir die Wahlbeteiligung in Europa<br />

oder den USA ansehe, ebenso wie das politische Wissen von Normalbürgern, dann frage ich<br />

mich, wie weit auch hier Anspruch und Realität auseinanderklaffen. Manchmal tauchen in<br />

Mahbubanis Buch solche martialischen Töne auf. Ich hatte oft den Verdacht, dass diese<br />

Formulierungen eher den absatzsteigernden Zweck hatten, Aufmerksamkeit bei der<br />

westlichen Presse zu erzielen. Ich glaube nicht, dass man in Asien die „Abrechnung“ mit dem<br />

Westen anstrebt. Man will einfach die eigene wirtschaftliche, vielleicht auch politische<br />

Position stärken und weiter ausbauen. Der Westen kann so lange davon profitieren, so lange<br />

er für dieses Ziel nützlich ist und z.B. technologische Lösungen anbieten kann. Sorgen wir<br />

also dafür, dass uns viele Länder der Welt noch lange brauchen!“<br />

„Ich würde jedem Studenten einen Studienaufenthalt in Asien empfehlen“<br />

EM: Angesichts der sanften Sicht Mahbubanis dürfen wir wohl zugrundelegen, dass damit<br />

nicht die Vergeltung für Hiroshima und Nagasaki gemeint ist. Aber vielleicht werden in nicht<br />

allzu ferner Zeit europäische Bildungsbürger beginnen, ihre Kinder auf Hochschulen in<br />

Peking, Singapur oder Mumbai zu schicken, statt wie gewohnt auf britische Internate oder<br />

auf amerikanische Colleges, wie unser Autor Rudolf Maresch geschrieben hat. Halten Sie das<br />

auch für realistisch?<br />

Seelmann: Gegenwärtig sehe ich keine chinesischen oder indischen Eliteuniversitäten. Auf<br />

dieser Ebene dominiert nach wie vor der Westen. Ich würde aber unabhängig davon jedem<br />

Studenten einen Studienaufenthalt in Asien empfehlen, damit er die Dynamik und den<br />

Aufstiegswillen von zweieinhalb Milliarden Menschen hautnah erlebt. Gerade zukünftige<br />

Führungskräfte müssen frühzeitig begreifen, dass der Nabel der Welt nicht mehr nur im<br />

Westen liegen wird.<br />

EM: Maresch meint, dass westliche Eltern dies nicht nur deshalb tun werden, weil sie dort<br />

eine bessere Ausbildung für ihre Sprösslinge erwarten, sondern auch, weil sie sich mehr und<br />

besser mit russischen, chinesischen oder indischen Lebensweisen oder Gewohnheiten<br />

bekannt und vertraut machen können. Ist das unsere ideale Bildungszukunft – lernen von<br />

Asien - und nicht mehr die bisher favorisierten westlichen Institute und Universitäten?<br />

Seelmann: Es gibt viel, was Kulturen voneinander lernen können. Ich arbeite gerade an<br />

einem Buch, das sich auch mit dem Thema der Kulturintelligenz beschäftigt.<br />

Kulturintelligenz ist für mich eine Kombination aus interkultureller Kompetenz und<br />

zusätzlich der Fähigkeit, die Synergieeffekte unterschiedlicher Kulturen konkret nutzen zu<br />

© <strong>Eurasischer</strong> <strong>Verlag</strong> Hans Wagner <strong>2009</strong>

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