Eurasisches Magazin â April 2009 · Seite 1 © Eurasischer Verlag ...
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<strong>Eurasisches</strong> <strong>Magazin</strong> – <strong>April</strong> <strong>2009</strong> · <strong>Seite</strong> 16<br />
EM: Wo liegen Kasachstans Schwachstellen?<br />
Schmitz: Die bedeutenden Rohstoffvorkommen des Landes sind sein größter Trumpf, aber<br />
auch seine Achillesferse. Die Abhängigkeit vom Rohstoffexport macht die Wirtschaft<br />
verwundbar. Aus diesem Grund hat Kasachstan ein Diversifizierungsprogramm aufgelegt,<br />
um vor allem Industrie, Dienstleistungsgewerbe, Infrastruktur und Tourismus<br />
voranzubringen. Westliche Anbieter von Maschinen, Ausrüstungen und technischem Know<br />
How haben hier Chancen. Aber sehr weit gediehen ist das Diversifizierungsprogramm bisher<br />
nicht, die Projekte stagnieren. Ein weiterer Schwachpunkt ist die Korruption. Sie behindert<br />
nicht nur die Entwicklung des kleinen und mittleren Unternehmertums, sondern stellt auch<br />
für ausländische Unternehmen ein Investitionsrisiko dar.<br />
„Die Kasachen machen längst nicht mehr alles, was ihnen westliche Berater<br />
nahe legen“<br />
EM: Interessant wäre dazu noch ein historisches Faktum. Stand eigentlich Kasachstan in<br />
den 90er Jahren, als es wirtschaftlich nicht so gut lief und Geldentwertung dem Land<br />
zusetzte, auch unter starkem westlichen Beratungsdruck wie seinerzeit Russland beim Rubel-<br />
Absturz?<br />
Schmitz: Mit der wirtschaftlichen Privatisierung in den frühen 1990er Jahren kamen die<br />
Investoren, und denen folgten, wie immer, die Berater, vor allem aus den angelsächsischen<br />
Ländern. Da gibt es durchaus Parallelen zu Russland unter Jelzin. Inzwischen ist man aber in<br />
Astana erheblich selbstbewusster geworden. Die Kasachen machen längst nicht mehr alles,<br />
was ihnen westliche Berater nahe legen. Im Gegenteil, inzwischen ist eine gewisse<br />
Beratungsresistenz zu konstatieren, die durch die gegenwärtige Krise noch verstärkt wird.<br />
Man neigt ja in den ehemals sowjetischen Gefilden stark dazu, die Finanzkrise als Symptom<br />
für die generelle Schwäche des westlichen Systems zu werten und Verantwortung<br />
entsprechend zu externalisieren. Das ist zwar begreiflich, und ersteres ist auch in der Sache<br />
nicht falsch, doch man vergisst darüber gelegentlich, dass die postsowjetischen Eliten an den<br />
Dienstleistungen der Consultants, wie sie sich nennen, sehr gut verdient haben. Et vice versa<br />
natürlich.<br />
EM: Der Titel ihres aktuellen Beitrags für die Stiftung Wissenschaft und Politik „Kasachstan:<br />
Neue Führungsmacht im postsowjetischen Raum?“ ist mit einem Fragezeichen versehen.<br />
Welche Chancen bestehen für das Land, sich als Führungsmacht zu etablieren?<br />
Schmitz: Diesem Ziel steht eine ganze Reihe von Hindernissen entgegen. Führungsmächte<br />
definieren sich, erstens, durch ihre hardpower, also ihre militärische und wirtschaftliche<br />
Ausstattung. Zweitens durch ihre Leistungen im regionalen Umfeld, als Vermittler in<br />
Konflikten etwa, oder als Initiatoren von regionalen Kooperationsprojekten. Ein drittes<br />
Kriterium sind ordnungspolitische Leistungen und ideelle Konzepte, die auf das Umfeld<br />
ausstrahlen und das Land zu einem attraktiven Partner für die Nachbarstaaten machen. In<br />
all diesen drei Bereichen sind Kasachstans Kapazitäten eingeschränkt: Die Wirtschaft ist<br />
verwundbarer als es schien, und mit den militärischen Kapazitäten ist es nicht sonderlich<br />
weit her. Das regionale Umfeld ist ein großes Problem. Kasachstan hat sich zwar immer<br />
wieder stark gemacht für die regionale Zusammenarbeit, aber die Staaten des<br />
postsowjetischen Umfeldes, vor allem in seinem zentralasiatischen Teil, haben sich seit ihrer<br />
staatlichen Unabhängigkeit so unterschiedlich entwickelt, dass man gerade in Bezug auf die<br />
drängendsten Probleme der Region, wie etwa die Nutzung und Verteilung des Wassers, kaum<br />
zu einer gemeinsamen Position findet. Die Verhandlungsmacht Kasachstans ist hier<br />
eindeutig begrenzt, das konzeptionelle Angebot zu mager, um die Nachbarn zu überzeugen.<br />
Auch die kasachischen Banken vergaben großzügige Kredite und stecken nun<br />
selbst in der Klemme<br />
© <strong>Eurasischer</strong> <strong>Verlag</strong> Hans Wagner <strong>2009</strong>