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Eurasisches Magazin – April 2009 · Seite 1 © Eurasischer Verlag ...

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<strong>Eurasisches</strong> <strong>Magazin</strong> – <strong>April</strong> <strong>2009</strong> · <strong>Seite</strong> 46<br />

Die Verpflichtung zur Akzeptanz einer von christlichen Ritualen bestimmten<br />

Staatsrechtsordnung erweist sich jedoch nach wie vor als kaum zu überwindende Hürde, da<br />

man sich nicht nur ethnisch und religiös-kulturell als Marokkaner empfindet, sondern die<br />

Städte ebenso als Teil der marokkanischen, an der Scharia orientierten Nation auffasst. Es<br />

handelt sich hierbei um ein Bewusstsein, das in Marokko in der Zivilbevölkerung beständig<br />

aufrecht erhalten wird und von radikalen Islamisten als Zurückweisung jeglicher origin<br />

nichtislamischer Normvorschriften interpretiert wird. Die Massenproteste gegen die<br />

Zementierung der rechtlichen Sonderstellung der Marokkaner über die in den 80er Jahren<br />

geplanten Ausländergesetze, die in den nachfolgenden Jahren, sich nun gegen den<br />

erschwerten Zugang zu staatlicher Ausbildung und soziökonomischen Ressourcen richtend,<br />

in eine Bürgerbewegung hineinmündeten, dienten in Marokko folglich als Legitimation für<br />

die Aufrechterhaltung des Besitzanspruchs auf die beiden spanischen Enklaven.<br />

Spanische Staatsbürgerschaft – Verrat am Islam?<br />

Die alte Festung dient heute<br />

als Restaurant.<br />

Denjenigen Marokkanern, die sich mittlerweile zur<br />

Übernahme der spanischen Staatsbürgerschaft entschieden<br />

haben, wird daher von islamistischer <strong>Seite</strong> nicht selten ein<br />

Verrat am Islam und der marokkanischen Identität<br />

vorgehalten. Zugleich sieht man sich von der christlichen<br />

Stadtbevölkerung dem Vorwurf gegenüber, lediglich die<br />

sozialrechtlichen Vergünstigungen des spanischen Staates<br />

in Anspruch zu nehmen, jedoch keine Bereitschaft zu<br />

zeigen, sich in die „spanisch-christliche Gesellschaft“ zu<br />

integrieren und im Sinne Spaniens zu verpflichten.<br />

Politische Instrumentalisierung und soziale<br />

Ungleichheit erschweren die Lösungssuche<br />

Die divergenten Identitätsbeziehungen, die geographische Lage als von marokkanischem<br />

Territorium umschlossene Enklaven und nicht zuletzt die Instrumentalisierung der nach wie<br />

vor ungeklärten Zukunft der beiden Städte sowohl von <strong>Seite</strong>n der Islamisten als auch<br />

rechtsgerichteter spanischer Eliten für ihre These einer permanenten Rivalität zwischen der<br />

vom Christentum geprägten westlichen und der vom Islam dominierten marokkanischen<br />

Kultur lassen eine endgültige Klärung der politisch-territorialen Zugehörigkeit in absehbarer<br />

Zeit für unausweichlich erscheinen.<br />

Wessen Anspruch auf die Hoheit über die beiden Städte erweist sich nun aber als<br />

rechtmäßig? Beide <strong>Seite</strong>n argumentieren vordergründig mit der Historie, wobei man die von<br />

der anderen Kultur und Religion bestimmte, Jahrhunderte währende Epoche entweder<br />

ignoriert oder für die zivilisatorische Entwicklung der Städte als unbedeutend auffasst. Wird<br />

in spanischen Geschichtsbüchern die arabisch-maurische Epoche, die immerhin fast<br />

siebenhundert Jahre andauerte, nur als kurze „Zwischenphase“ in einer „christlich<br />

dominierten Stadthistorie“ herabgewürdigt, so beginnt in der Darstellung mancher<br />

marokkanischer Historiker mit der Übergabe an Portugiesen und Spanier im 15. Jahrhundert<br />

die „Dekadenz“ und der zivilisatorische „Rückschritt“.<br />

Nach Auffassung vieler christlich geprägter Stadtbewohner, stellen die „moros“ nur eine<br />

geringer gebildete und zivilisierte ethnische Minorität dar, der ein förderlicher Beitrag zur<br />

Stadtkultur abgesprochen wird Vor allem radikale Islamisten unterstellen der christlichen<br />

Majorität generell, dass sie die Nichtchristen kulturell beherrschen und ihrer islamischen<br />

Identität zu distanzieren beabsichtigen. Sie versuchten auf diese Weise die Mitte des 20.<br />

Jahrhunderts offiziell für beendet erklärte Kolonialpolitik fortzusetzen.<br />

Die marokkanischen Nachbarprovinzen profitieren gegenwärtig von den Enklaven, über die<br />

der illegale Warenaustausch mit der EU erfolgt. Der fortdauernde Verweis der<br />

© <strong>Eurasischer</strong> <strong>Verlag</strong> Hans Wagner <strong>2009</strong>

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