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H E I M K E H R DAS DORF MEINER KINDHEIT Otto ... - dkmotion

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zuhause kein Radio hätt. Der Pfarrer Scheible tätschelte ihm mit seinen dicken<br />

Händen auf die Wangen und auf die nackten Oberschenkel und sagte, dass er ein<br />

braver Bub sei, ein braver Bub. Als sie ein Stück weitergegangen waren, der<br />

Pfarrer Scheible und er, der Knabe, der Arm des Pfarrers immer noch um die<br />

Schulter des Kindes gelegt, fragte er ihn plötzlich, der Pfarrer den Knaben, was er<br />

in seiner Hosentasche versteckt hätte. Das Kind schaute ihn an, den Pfarrer und<br />

sagte, dass da nichts sei in seiner Hosentasche. Aber der Pfarrer glaubte dem<br />

Knaben nicht und griff rein in seine rechte Hosentasche und suchte und griff links<br />

rein in die Hosentasche und suchte und dabei standen Schweißestropfen auf seiner<br />

breiten Stirn. Aber solange er auch suchte, der Pfarrer Scheible, er fand nichts. Da<br />

nahm er die Hände aus den Taschen des Knaben und tätschelte nochmals sein<br />

Gesicht und sagte nochmals, diesmal leicht schnaufend, dass er ein braver Bub<br />

sein, ein wirklich braver Bub, er, der Knabe.<br />

Den Schein von Muse verbreitend, von Allwissenheit und Zartsinn, tafelten sie,<br />

die dunklen Mächte des Dorfes, die Freunde des Entsetzens, des Grauens, die<br />

Urheber der Wunden, mit ihren fetten Hintern gefräßig auf dem Dorf und ließen<br />

diesem gerade die Luft zum atmen. Gierig nahmen sie, griffen sie zu und<br />

schnürten die schmalen Kehlen. Die Sonn hätt erbleichen müssen ob diesem<br />

Anblick. Der Abendschein hätt am Firmament bebend krepieren müssen. Aber da<br />

war keiner der versuchte, die Seel aus dieses Leibes blutger Blöße zu reißen, sie<br />

breit zu stampfen. Keiner, der den Himmel mit Lästerfluchen beworfen hätte.<br />

Nichts. Stumm wälzte das Drangsal einher. Magre, krumme Leiber, die Wangen<br />

hohl und eingefallen, von frostigem Zähneklappern geschüttelt, ausgespieen von<br />

Schwindsucht und Nacht auf diesen schmierigen Fleck hinterm Arlberg, nahmen<br />

sie hin, was immer kam. Nie riss die Geduld und der Glaube diesen Kindern des<br />

Mangels. Da entsprang kein Donnern dem Wolkengrunde und schnäuzte dreist die<br />

riesigen Nüstern. Da sah man keine Wolken sich ballen, den Himmel wild zu<br />

beuteln, zu bäumen und zu neigen. Nichts. Nur Stille. Die Straßen des Dorfes,<br />

katzenkopfgesteinigt, schwiegen. Und wie sie, schwiegen auch die Menschen des<br />

Dorfes, watend auf diesen Straßen im eigenen Blute. So haben sie sich selbst um<br />

ihr kleines Stück Dasein gelumpt, dies gar nicht merkend, stolz fast darauf.<br />

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