H E I M K E H R DAS DORF MEINER KINDHEIT Otto ... - dkmotion
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mit Riesenschritten. Ob ihre Glieder sommers schwitzten oder winters froren, ob<br />
der Hunger hundertmal Löcher in ihre Mägen drosch, kein Gram, der sich zum<br />
Schmerze klärte. Gewohnt daran ihr kärgliches Leben lang schon, nahmen sie hin,<br />
was immer kam, diese Ballung an Krüppeln, an Fetzen, an Lumpen und Leere.<br />
Das letzte Kriegsjahr lag knapp zurück, eine Ewigkeit schon dauerte nun das neue<br />
Schlachten. Der Knabe ging, gemeinsam mit dem Bruder und der Schwester am<br />
Abend den Weg runter zur Kirche, zur Maiandacht, zu der sie die Großmutter<br />
schickte. Bei der Kirche, beim Hauptportal, da trennten sie sich. Die Schwester<br />
ging links rein, da, wo alle Frauenzimmer rein gingen und ihre Plätze hatten und<br />
er und sein Bruder gingen rechts rein, auf die Männerseite. Da er an diesem<br />
Abend keine besondere Lust verspürte, in der Kirche zu knien, schickte er seinen<br />
Bruder vor in die ersten Bankreihen, in denen die Kinder ihren Platz hatten und<br />
sagte ihm, der müsse hinten, unterm Chor, auf den Meusburger warten, weil er<br />
den wegen der Schule noch was fragen müsse. Nachdem sich die beiden<br />
Kirchenschiffe allmählich gefüllt hatten und er sicher sein konnte, dass weder sein<br />
Bruder noch seine Schwester ihn bemerken würden, tat er vor den anderen<br />
Kirchgängern so, als wäre ihm furchtbar schlecht und verließ die Kirche. Er<br />
rannte die paar Meter rüber zum See und setzte sich auf einen großen Stein am<br />
Ufer. Neben sich suchte er die flachesten Steine und warf sie derart übers Wasser,<br />
dass sie auf diesem dahinhüpften. Und still zählte er bei jedem Wurf mit, wie oft<br />
der jeweilige Stein vom Wasser wieder hochgeworfen wurde, eh er endgültig im<br />
See verschwand. Die Sonne war bereits im Wasser versunken und es war schon<br />
fast dunkel. Drüben, am anderen Seeufer, konnte er einige Lichter erkennen.<br />
Lindau und wie lange er wohl brauchen würd, wenn er rüberschwimmen tät. Drei<br />
Kilometer sind es sicher. Vielleicht sogar vier, oder fünf. Und während er so<br />
dasaß, seine kleinen Gedanken im Wasser und drüben, am anderen Ufer, hörte er<br />
Frauengekicher. Ein Pärchen stand einige Schritte hinter ihm. Ein Mann in einer<br />
Uniform und die Frau Gugele, die Frau vom Dorfgendarmen. Die zwei hatten ihn<br />
nicht bemerkt, den Knaben. Und aus Angst machte er sich nicht bemerkbar. Die<br />
Frau Gugele kicherte und warf den Kopf in den Nacken. Der Mann neben ihr<br />
küsste sie auf den Hals und griff ihr mit einer Hand unter den Rock. Die Frau<br />
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