H E I M K E H R DAS DORF MEINER KINDHEIT Otto ... - dkmotion
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Dorfbewohner alle im Sonntagskleid vor dem Posthäuschen standen und dem<br />
Führer zujubelten. Und dass die Strumpfwirkerei an diesem Tag geschlossen<br />
blieb, dass die Arbeiter sich an der Dorfstraße aufstellen und mit hochgestrecktem<br />
Arm zuerst das Dorflied und dann das Deutschlandlied singen mussten. Dasselbe<br />
Dorflied, das die Buben durch ihren Lehrer kennen lernten, der es extra für jene<br />
historische Stunde – „die schönste in meinem Leben“ – komponierte und dichtete,<br />
wie er ihnen stolz verkündete. An diesen Frühlingstagen schmeckte den Kühen<br />
des Greußingbauern, nach dem langen Winter im Stall, das neue Gras besonders<br />
gut. So hatten sie nicht viel zu hüten, die Buben. Sie lagen in der Frühjahrssonne,<br />
brieten im Feuer die Greußing-Kartoffeln, die ihnen als Tageszehr mitgegeben<br />
wurden und ließen Krieg Krieg sein. Nur der Bruder des Knaben streifte öfters<br />
über die weite Riedlandschaft und klaubte dies und jenes zusammen und steckte<br />
es in seine Hosentaschen. Und am Abend, wenn sie heimkamen aus dem Ried,<br />
dann setzte sich der Bruder an den Küchentisch und die Großmutter musste sich<br />
neben ihn setzen. Und dann zog er die draußen gesammelten Teile einzeln aus den<br />
Hosentaschen und legte sie fein säuberlich auf den Tisch. Und er erklärte dann der<br />
Großmutter stolz jeden einzelnen seiner Funde: die Speerspitze des Jägers, den<br />
Adlerknochen, den Kamm eines Urmenschen. Aber weil alles was er, der Knabe,<br />
sah, nur Steine und Holzteilchen waren, sonst nichts, lachte er. Laut und spöttisch.<br />
Die Großmutter sah ihn dann nur an und er ging aus der Küche und sein Bruder<br />
erklärte weiter seine Wertgegenstände.<br />
Im ersten Schuljahr, als der große Krieg sich immer näher ans Dorf schlich und<br />
die kleinen Kriege der Dörfler beinah schon verschlang, hieß der Lehrer die<br />
Kinder mit Zeitungspapier zu basteln. Als die Stunde zu Ende ging, zeigte ein<br />
jeder dem Lehrer sein Kunstwerk. Als er, der Knabe, an der Reihe war, lachte der<br />
Lehrer und fragte ihn, was das denn sein sollte, was er da in Händen halte. Der<br />
Knabe erklärte, dass das ein Flugzeug sei. Ein Kampfflugzeug. Er hatte noch nie<br />
ein richtiges Flugzeug gesehen, der Knabe, aber Bilder, in Büchern und<br />
Zeitungen. Und er war überzeugt, dass ein Kampfflugzeug so auszusehen hatte,<br />
wie er es eben bastelte. Aber der Lehrer lachte nur, auch als der Knabe ihm<br />
Einzelheiten seines Kunstwerkes erläuterte. Der Bub war wütend. Und als der<br />
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