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H E I M K E H R DAS DORF MEINER KINDHEIT Otto ... - dkmotion

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musste der Knabe den älteren der beiden Schlesier täglich mit zur Schule nehmen.<br />

Er schämte sich deswegen, denn der Fremde war auch bei den anderen<br />

Dorfkindern nicht beliebt. Einmal, auf dem Heimweg von der Schule, hielten die<br />

beiden vor dem Greußinghof. Auf der Bank neben der Stalltür saß der alte Jok in<br />

der nicht mehr kraftvollen Herbstsonne, wie immer die trockene Pfeife im Mund.<br />

Der Knabe ging zu ihm und setzte sich neben den alten Mann, dessen<br />

arbeitsgebräuntes Gesicht noch hagerer und eingefallener wirkte als gewohnt. Als<br />

er eine Zeit neben dem Jok saß, der Knabe, schweigend, fragte ihn dieser, wer<br />

denn das sei, mit dem glattgebügelten Matrosenanzüglein und deutete dabei mit<br />

seiner Pfeife auf den Buben aus Schlesien, der drei Schritte neben ihnen stand.<br />

Der Knabe erzählte dem Jok von der Gutsbesitzerswitwe, von ihrem verstorbenen<br />

Mann, dem General und den zwei Buben. Und obwohl er sich mit dem Jok in der<br />

Sprache des Dorfes unterhielt, schien der Generalssohn zu verstehen. Denn<br />

plötzlich griff er die Erzählung des Knaben auf und berichtete von seinem Vater,<br />

den er ebenso wenig kannte, wie der Knabe den seinen, als von einem<br />

heldenhaften, hochdekorierten Soldatenführer der bestorganisierten Armee der<br />

Welt. Er stand dabei stramm und was er sagte, hörte sich an wie die Litanei des<br />

Pfarrers während der Sonntagsmesse. Als er geendet hatte, der Schlesier, nahm<br />

der Jok seine Pfeife aus dem Mund und kratzte sich damit hinterm Ohr. Dabei<br />

kniff er die Augen zusammen, als würd er irgendwo weit weg etwas erkennen.<br />

Langsam begann er dann zu sprechen. Er sagte, ruhig, nur für ihn, den Knaben<br />

bestimmt, dass es immer dasselbe sei. Dass sie sich zuerst als die Herren der Welt<br />

aufspielten und dann feige den Schwanz einzögen. Und zu den Ärmsten der<br />

Ärmsten gekrochen kämen, um denen noch das letzte Stück Brot wegzufressen<br />

und um sich vor denen immer noch als Herren aufzuspielen. Als der Schlesierbub<br />

auf dem Weg vom Greußinghof nach Hause den Dorfbuben dann fragte, was<br />

„dieser alte Doofmann“ denn gesagt hätte, sagte er nichts, der Knabe. Dann aber,<br />

ein paar Schritte weiter, trat er dem Witwensohn aus Schlesien kräftig in den<br />

Hintern und sagte ihm, dass dieser Doofmann sein Freund sei. Zuhause, als der<br />

Generalssohn seiner Mutter ob dem Tritt in den Hintern vollgeweinte Augen<br />

vorwälzte, schlug die Gutsbesitzerswitwe mit der Zeitung, die sie eben in Händen<br />

hielt, dem Knaben ins Gesicht. Drei mal. Daneben stand die Großmutter des<br />

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