AMTSBL ATT HERRENBERG
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Aktuelles<br />
20.07. 6<br />
29/06<br />
Ende 2005 wurde<br />
von der Landesregierung<br />
der sog. Orientierungsplan<br />
für Tageseinrichtungen<br />
für Kinder in Baden-Württemberg<br />
für die Erprobungsphase in<br />
Kraft gesetzt, in dem Grundsätze zur<br />
Bildungsarbeit für die Kindergärten<br />
festgelegt sind.<br />
Hier wird nun auch als letztes Bundesland<br />
neben dem Erziehungs- und Betreuungsauftrag<br />
der Bildungsauftrag<br />
des Kindergartens in den Vordergrund<br />
gerückt. Dabei geht es nicht um einen<br />
Themen bezogenen Lehrplan. Vielmehr<br />
besteht die Aufgabe der Erzieherin/<br />
des Erziehers darin, den Focus auf<br />
die Stärken und Interessen des Kindes<br />
zu richten und hier anzuknüpfen (Ressourcenorientierter<br />
Ansatz bzw. „der<br />
positive Blick auf das Kind“). Dem vorangestellt<br />
ist ein Bildungs- und Lernverständnis,<br />
dass das Kind nicht gebildet<br />
werden muss, sondern ein Kind<br />
eignet sich die Welt nach seinen Möglichkeiten<br />
an, es bildet sich selbst. Die<br />
PädagogInnenen – und natürlich auch<br />
die Eltern – sind gehalten dem Kind<br />
eine entwicklungsfördernde, sich selbst<br />
bildende Umgebung zu schaffen, um<br />
die Lernprozesse des Kindes zu unterstützen<br />
und anzuregen. Dazu bedarf<br />
es sorgfältiger Beobachtungen, Auswertungen<br />
und Austausch im Team<br />
über das jeweilige Kind und die intensive<br />
Zusammenarbeit mit den Eltern.<br />
Dieses „Bild vom Kind“ und der damit<br />
einhergehenden Grundhaltung wurde<br />
bereits von Fröbel und Pestalozzi, zwei<br />
wegweisende Pädagogen für die Kindertagesarbeit,<br />
im 19. Jahrhundert gelehrt<br />
und wurde in den letzten Jahren<br />
durch die Hirnforschung wissenschaftlich<br />
belegt.<br />
Diese Erkenntnisse sind nun Grundlage<br />
des Orientierungsplanes für die Baden-Württembergischen<br />
Kindergärten.<br />
Bis zum Kindergartenjahr 2009/2010<br />
soll der Orientierungsplan flächendeckend<br />
eingeführt sein. Bis zur Umsetzung<br />
liegt also noch ein weiter und spannender<br />
Weg, sicher auch mit einigen<br />
Stolpersteinen und Umwegen, vor uns.<br />
Wir sind auf dem Weg!<br />
Dieser Weg führte 40 Erzieherinnen<br />
aus Gäufelden, Herrenberg und Ehningen<br />
erst einmal nach Berlin. Denn welche<br />
Stadt in Deutschland bietet (nicht<br />
nur) in der Pädagogik solche Vielfalt<br />
wie die Bundeshauptstadt Berlin?<br />
Von London nach Berlin<br />
Der Gedanke an eine Bildungsreise<br />
nach Berlin wurde von den 3 Fachberaterinnen,<br />
Beate Oehring, Gäufelden,<br />
Angelika Schwab, Herrenberg und<br />
Ruth Nellessen, Ehningen, nach einer<br />
2005 selber erlebten Teilnahme an einer<br />
Studienreise nach London zum<br />
Thema Bildungsprozesse, gesponnen.<br />
Das Anliegen war, dass gerade auch<br />
die PädagogInnen, die vor Ort mit den<br />
Kindern arbeiten, sich durch persönliche<br />
Erfahrungen in anderen Kindertageseinrichtungen<br />
ein Bild machen<br />
konnten. Besonders wichtig dabei war<br />
der direkte Austausch mit den Kolleginnen<br />
in Berlin, die diesen Ansatz bereits<br />
praktizierten. Die Kontakte zu den Verantwortlichen<br />
der einzelnen Häusern<br />
Auf dem Weg zum Orientierungsplan – oder<br />
Berlin ist eine (Bildungs-) Reise wert<br />
40 Erzieherinnen aus Gäufelden, Herrenberg und Ehningen in Berlin.<br />
wurden in London geknüpft; dabei war<br />
die Leitung eines Pestalozzi Fröbel<br />
Hauses, eine Fachberaterin in Berlin<br />
und eine Kollegin, die die Kontakte zu<br />
den INA Einrichtungen herstellte. Diese<br />
Kollegin begleitete die Gruppe während<br />
der gesamten Bildungsreise.<br />
Vom 14. bis 17. Juni 2006 fuhren wir von<br />
Süddeutschland mit 40 Erzieherinnen<br />
aus Herrenberg, Gäufelden und Ehiningen,<br />
mit dem Reisebus nach Bad Saarow<br />
in Brandenburg, süd-östlich von Berlin.<br />
Nach einer fast endlos erscheinenden<br />
Fahrt von fast 11 Stunden, die mit Staus<br />
und Umleitungen verbunden war, kamen<br />
wir noch rechtzeitig zum Anpfiff des Fußballspiels<br />
Deutschland gegen Polen in<br />
Bad Saarow an.<br />
Pestalozzi-Fröbel-Häuser<br />
Frühzeitig fuhren wir am nächsten Morgen<br />
nach Berlin, wo uns die Fachberaterin<br />
und Projektleiterin des Pestalozzi-<br />
Fröbel-Verbandes ein Träger von<br />
Kindertagesstätten (Kita), empfing.<br />
Von ihr bekamen wir einen ersten Einblick<br />
in die Bildungsarbeit der Pestalozzi-<br />
Fröbel-Häuser, die bereits seit einigen<br />
Jahren die Bildungsprozesse der Kinder<br />
beobachten, dokumentieren, auswerten<br />
und daraus Handlungsziele für<br />
das einzelne Kind ableiten. Außerdem<br />
stellte uns die Fachberaterin die Konzeption<br />
der von diesem Verband geführten<br />
Familienzentren vor, die mit ihren<br />
niederschwelligen Angeboten<br />
Familien so früh wie möglich erreichen<br />
wollen. Dieses Konzept stammt ursprünglich<br />
aus England und wird dort<br />
mit Erfolg seit Jahren umgesetzt. Eltern<br />
wird die Möglichkeit geboten, sich in<br />
der Kita zu treffen, dort Kurse zu besuchen,<br />
Krabbelgruppen zu nutzen, die<br />
Kita an Wochenenden für Familienfeste<br />
zu mieten, etc. Berlin hat andere Dimensionen<br />
als unsere kleinen Häuser.<br />
Zwischen 120 und 250 Kinder pro Haus<br />
ist die Regel. Durch Reduzierung der<br />
Kinderzahlen wurden Räume dafür frei.<br />
Am Nachmittag konnten wir dann endlich<br />
in 3 Kleingruppen den Kolleginnen<br />
in den 3 Pestalozzi-Fröbel-Häusern<br />
„Löcher in den Bauch fragen“. Denn für<br />
uns stellen sich immer wieder die Fragen:<br />
Wie können die Bildungsprozesse<br />
im Kindergartenalltag tatsächlich sorgsam<br />
beobachtet und dokumentiert werden?<br />
– Wie reagieren die Kinder, wie<br />
die Eltern darauf? Was soll denn noch<br />
alles umgesetzt werden oder müssen<br />
andere, vielleicht liebgewordene<br />
Gewohnheiten losgelassen werden?<br />
Welche Prioritäten setzen wir? Welche<br />
Erfahrungen bei der Einführung dieses<br />
Ansatzes haben die Berliner Kolleginnen<br />
gemacht? etc.<br />
Berlinrundfahrt zu Wasser<br />
Am Abend konnten wir während einer<br />
3-stündigen Schiffstour auf der Spree<br />
die Eindrücke des ersten Tages sich<br />
setzen und die Beine baumeln lassen<br />
und Berlin vom Wasser aus genießen<br />
und aufsaugen. Hier blieb dann auch<br />
noch Zeit etwas aus den anderen<br />
Kleingruppen zu erfahren. (Übrigens<br />
erfuhren wir bei dieser Tour, dass die<br />
Kindertagesstätte für die Kinder der<br />
Bundestagsabgeordneten mehr als €<br />
10 Millionen gekostet haben soll!)<br />
INA Kinder.Garten<br />
Am Freitag konnten wir vormittags 4<br />
verschiedene INA-Einrichtungen (INA<br />
= Internationale Akademie) besichtigen.<br />
Diese Konzeption stellt neben<br />
dem „positiven Blick auf das Kind“ die<br />
Erziehungspartnerschaft mit den Eltern<br />
und den Situationsansatz in den<br />
Vordergrund.<br />
Natürlich sind die Dimensionen Berlins<br />
nicht mit den ländlichen Strukturen Baden-Württembergs<br />
vergleichbar. Dennoch<br />
wurde hier eine für uns doch andere<br />
Grundhaltung des Trägers und<br />
des pädagogischen Personals gegenüber<br />
Familien wahrgenommen. So war<br />
z.B. der Schwerpunkt einer Einrichtung<br />
die ausgedehnten Betreuungszeiten<br />
bis 21 Uhr. Mit großer Skepsis informierten<br />
wir uns über die Umsetzung<br />
und den Tagesablauf. Auf unsere Frage,<br />
ob denn diese Zeiten noch den Bedürfnissen<br />
des Kindes entsprechen<br />
könnten, waren wir über die Haltung<br />
der Berliner Kolleginnen sehr erstaunt:<br />
Wenn nachweislich Eltern als erste Bezugsperson<br />
für die Entwicklung des<br />
Kindes wichtig sind, muss dafür gesorgt<br />
werden, dass die Eltern Zeit für<br />
ihre Kinder haben.<br />
Da es (in Berlin sicher sehr viel mehr<br />
als bei uns) viele allein erziehende<br />
Elternteile gibt, die im Verkauf bis 20.00<br />
Uhr tätig sein müssen, wird das Betreuungsangebot<br />
am Vormittag hier nicht<br />
benötigt, sondern eben erst ab 14.00<br />
Uhr. Somit wird die gemeinsame Zeit<br />
mit dem Kind im Elternhaus auf den<br />
Vormittag verlagert – und Bildung im<br />
Kindergarten findet ja nicht nur vormittags<br />
statt!<br />
Dass solche Angebote natürlich erst<br />
einmal finanziert werden müssen und<br />
nicht zum Nulltarif zu haben sind,<br />
Amtsblatt<br />
Herrenberg<br />
braucht nicht erwähnt zu werden. Dennoch<br />
hat diese Haltung und Achtung<br />
Eltern gegenüber, die ihren Lebensunterhalt<br />
ohnedies unter erschwerten Bedingungen<br />
bestreiten müssen, nachdenklich<br />
gemacht.<br />
Bauernhofkindergarten<br />
Wem bis zum Nachmittag noch nicht<br />
die Puste ausgegangen war, konnte<br />
noch einen „Bauernhof-Kindergarten“<br />
in einem Berliner Randbezirk besichtigen.<br />
Hier steht die Tierhaltung (2 Pferde,<br />
Schafe, Ziegen, 2 Hängebauchschweine,<br />
Kaninchen und Hühner) im<br />
Vordergrund. Unter diesen Voraussetzungen<br />
werden auch gerne Kinder mit<br />
einer Behinderung betreut und integriert.<br />
So ist z.B. das therapeutische<br />
Reiten für diese Kinder eine gute Unterstützung<br />
für deren Entwicklung.<br />
In dieser Einrichtung erlebten wir eine<br />
Idylle, die nicht nur für Berlin ungewöhnlich<br />
ist.<br />
Infans Kita<br />
Am Samstagvormittag wurde dann<br />
noch eine Brandenburgische Kindertagesstätte<br />
besichtigt, deren Tore extra<br />
für unsere Gruppe von der Leiterin und<br />
der zuständigen Fachberaterin geöffnet<br />
wurden. Zwar konnten wir an diesem<br />
Wochentag nicht unmittelbar die<br />
Arbeit mit den Kindern erleben. Dafür<br />
erfuhren wir aber viel von der Umsetzung<br />
des infans-Konzeptes, das vor 3<br />
Jahren eingeführt wurde. (infans = Institut<br />
für angewandte Sozialforschung<br />
in Berlin)<br />
Nach dieser Konzeption arbeiten vereinzelt<br />
bereits einige Böblinger und<br />
Stuttgarter Kindertagesstätten (Einstein-<br />
bzw. Labor-Kitas) und soll dort<br />
flächendeckend in allen städtischen<br />
Einrichtungen bis zur Umsetzung des<br />
Orientierungsplanes 2009/10 eingeführt<br />
sein.<br />
Für uns war es sehr interessant, wie<br />
dort Beobachtungen im Alltag durchgeführt<br />
und dokumentiert und die Bildungsbücher,<br />
Portfolios, für jedes Kind<br />
erstellt werden.<br />
Heimfahrt in den Kreis<br />
Mit diesen vielschichtigen Eindrücken<br />
und Impulsen ging es dann am Mittag<br />
wieder auf die Autobahn. Unser Busfahrer,<br />
dem an dieser Stelle ein großes<br />
Lob und Dank ausgesprochen werden<br />
muss, brachte uns gegen 21.30 Uhr<br />
wieder wohlbehalten nach Baden-<br />
Württemberg zurück.<br />
Insgesamt war die Reise für uns alle -<br />
trotz großer Anstrengungen, etwas<br />
Stress und wenig Schlaf - eine große<br />
Bereicherung. Die Mischung von pädagogischer<br />
Auseinandersetzung, kulturellen<br />
Angeboten, internationales Flair<br />
genießen, kennzeichneten unsere<br />
Fahrt. Und auch fußballbegeisterte Erzieherinnen<br />
kamen z.T. auf ihre Kosten:<br />
Ganz Berlin war am Donnerstag<br />
eingetaucht in blau / gelb, denn hier<br />
wurde das Spiel Schweden gegen Paraguay<br />
ausgetragen. Auch wagten sich<br />
einige von uns in die abgesperrte Fanmeile,<br />
wo es kaum internationaler zugehen<br />
konnte.<br />
Das Resümee lautete: Berlin ist eine<br />
(Bildungs-) Reise wert!