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Norbert Nelte - Geschichte und Logik der Arbeiterräte

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Werksleitung, die Kamera diene nur zur Verkehrsüberwachung <strong>und</strong> sei daher nicht<br />

mitbestimmungspflichtig. Direktor Boullion bestätigte dies.« 40<br />

Das sind nur 2 Beispiele <strong>der</strong> kriminellen Machenschaften des Kapitals <strong>und</strong> ihrer Handlanger<br />

<strong>und</strong> von Verfolgungen kämpferischer Gewerkschafter. Diese Beispiele ließen sich ellenlang<br />

fortsetzen. Dies ist aber nicht Ziel dieses Artikels, <strong>der</strong> sich auf diese beiden Beispiele<br />

beschränken soll, die aber symptomatisch sind dafür, was uns Kommunisten in den Betrieben<br />

erwartet.<br />

Wir wollen also nicht verniedlichen, zu welchen perfiden Mitteln die Gewerkschaftsführung<br />

greifen kann. Dennoch können wir auf die Massen <strong>der</strong> Arbeiterschaft nur im DGB treffen.<br />

Deshalb arbeiten wir einerseits im DGB <strong>und</strong> seinen Strukturen wie Vertrauensleutekörper,<br />

an<strong>der</strong>erseits müssen wir auch in kämpferischen Zeiten die kämpferischen Kollegen unabhängig<br />

von <strong>der</strong> Führung organisieren.<br />

Wir dürfen nicht die Pflicht zur Einheit o<strong>der</strong> die Einrichtung "autonomer" Gruppen als<br />

Alternative sehen. Man sollte einfach beides machen: in <strong>der</strong> Gewerkschaft arbeiten <strong>und</strong> dabei<br />

sich unabhängig organisieren. Wenn wir Einfluss auf die gewerkschaftliche Betriebsarbeit, auf<br />

die gewerkschaftliche Ortsgruppenarbeit etc. nehmen wollen, können wir das nicht vereinzelt,<br />

son<strong>der</strong>n nur organisiert.<br />

Die Radikalität <strong>der</strong> Studenten konnte trotz Stalinismus vereinzelt auf die Arbeiterklasse<br />

rückwirken. Schon Ende <strong>der</strong> 60er ergaben sich erste Unzufriedenheiten in <strong>der</strong> Arbeiterschaft.<br />

Einerseits belasteten erste Anzeichen <strong>der</strong> kommenden Krise die Arbeiter, an<strong>der</strong>erseits gab es<br />

noch keine Massenarbeitslosigkeit, die die Arbeiter meistens zu spalten droht. Zu den Kollegen<br />

gab es erste Kontakte auf den Demonstrationen <strong>und</strong> in den Universitäten - zu <strong>der</strong>en<br />

Diskussionen auch die interessierten Arbeiter kamen. Nach dem Studium gingen auch bewusst<br />

manche Ex-Studenten in die Großbetriebe.<br />

Mit zu den ersten Ergebnissen <strong>der</strong> wenigen Kontakte zwischen radikalisierten Studenten <strong>und</strong><br />

Arbeiter zählte <strong>der</strong> Streik bei Ford Köln im August 1973 <strong>und</strong> <strong>der</strong> Kampf <strong>der</strong> Frauen bei<br />

Pierburg, Neuss, am 13.8.73 gegen die niedrigen Frauentarife. Trotz des massiven Einsatzes<br />

<strong>der</strong> Polizei in Köln <strong>und</strong> Neuss kämpften die Frauen bei Pierburg konsequent weiter gegen die<br />

"Leichtlohngruppe". In Köln gelang <strong>der</strong> Geschäftsleitung mit Hilfe des IGM-Betriebsrates die<br />

Spaltung in deutsche <strong>und</strong> ausländische Arbeiter, <strong>und</strong> sie konnte so den Streik zerschlagen. In<br />

Neuss aber solidarisierten sich die deutschen Facharbeiter, die meist das doppelte verdienten,<br />

mit den ausländischen Frauen. Somit konnte <strong>der</strong> Kampf um die Abschaffung <strong>der</strong><br />

"Leichtlohngruppe" erfolgreich beendet werden.<br />

Ein Pierburg-Arbeiter beschrieb damals die Ereignisse:<br />

»Der Hof füllte sich, <strong>und</strong> um genau 900 Uhr legen <strong>der</strong> Werkzeugbau <strong>und</strong> weitere<br />

Facharbeiter die Arbeit nie<strong>der</strong>. Die Werkstore sind plötzlich offen, <strong>und</strong> die Frauen strömen<br />

den deutschen Männern entgegen. Eine echte Welle <strong>der</strong> Solidarität breitet sich in<br />

Sek<strong>und</strong>enschnelle über den gesamten Betrieb aus. Man umarmt sich, ruft gemeinsam<br />

Parolen. Im Nu hat es sich überall herumgesprochen: Die deutschen Männer haben den<br />

Hammer fallen lassen. Damit hatten die Manager nicht gerechnet. Die jahrelange Mühe <strong>und</strong><br />

Diskriminisierungsarbeit waren vergeblich gewesen.« 41<br />

Aus dem Jahr 1973 gingen auch weitere Kämpfe von Mannesmann in Duisburg,<br />

Küppersbusch in Gelsenkirchen, Rheinstahl in Brackwede, <strong>der</strong> Saarbergleute usw. <strong>und</strong> 1974<br />

40 Dokumentation zum Ausschlußantrag gegen 6 IG-Chemie-Kollegen in <strong>der</strong> Hoechst AG", 1976, S.2<br />

41 nach SAG: "Die ausländischen Arbeiter in <strong>der</strong> Krise", Ffm. 1975, S.69<br />

41<br />

<strong>Norbert</strong> <strong>Nelte</strong>: <strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Logik</strong> <strong>der</strong> <strong>Arbeiterräte</strong> - 61

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