Braunschweigisches Jahrbuch 3. Folge, Bd 3 - Digitale Bibliothek ...
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<strong>Digitale</strong> <strong>Bibliothek</strong> Braunschweig<br />
http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042371<br />
goldenen Hirsch Quartier genommen. Es scheint, daß das Eigenschaftswort<br />
golden auf besondere Güte des Gasthauses hinweisen sollte 7). In Friedberg<br />
wurde vorher im goldenen Pfau eingekehrt, sonst nicht eben Mufig in solche<br />
vielleicht anspruchsvollen Herbergen, trotzdem wir seIten über schlechte Unterkunft<br />
,klagen, häufiger ihre Güte loben hören.<br />
Schon dieser erste Reiseabschnitt faßt Gadenstedts Beobachtungseifer erkennen.<br />
Er erwähnt, wie in der Regel auch später, den Wechsel der Territorien,<br />
läßt sich bei Adelebsen die Stelle zeigen, wo "Bodo von Adclebsen mit einem<br />
gaull viel klaffter hoch herunter gesturtzett", ohne Schaden zu nehmen. In<br />
Münden gefällt ihm das Schloß, ein Lustschiff des Herzogs und die bedachte<br />
hölzerne Werrabrücke, in der Jagdnetze aufbewahrt werden. In Kassel nennt<br />
er auch ein erst 1594 erbautes "Theatmm" 8), das er also auf der Reise noch<br />
nicht gesehen haben kann. Hier also schon sucht er seine Erinnerungen zu einem<br />
allgemeinen Bericht über die besuchten Orte zu erweitern. In der Kirche bemerkt<br />
er wie stets vornehmlich die Grabdenkmäler, zum al das eines Joachim von Steinberg,<br />
"welcher damals (NB. also zur Zeit der Reise) für wenig Jharenn bei dem<br />
Landgrafen zu hessen für einen Leibjungen gedienet, vonn einem sneider Im<br />
ballspiel mit einem dolche geworfenn, das er darahn gestorben. Der sneider<br />
Ist wieder gerichtett wordenn". Hier in Kassel zeigt sich auch schon das große<br />
Interesse Gadenstedts 'für Gartenanlagen. Er wendet stets Zeit und Mühe daran,<br />
die fürstlichen Lustgärten zu besichtigen rücksichtlich ihrer Anlage, Bebauung,<br />
Bepflanzung und der in ihnen gehaltenen seltenen Tiere. In Kassel war das<br />
Letztere ein Auerochse. - In der Herberge zu Kirchhain fand er ein Wappenfenster<br />
seines Bruders Christoph Wulf. Später, in der Herberge zu Seefeld<br />
oberhalb MittenwaIds, bemerkt er solche des Herzogs Erich des Jüngeren von<br />
Braunschweig-Kalenberg und seiner Begleiter. Er selbst wird gelegentlich von<br />
Wirten um sein Wappen gebeten, vornehmlich wohl zu dem Zwecke, daß der<br />
Wirt es zu einem Fensterschmuck verwerte. Es scheint diese Art von Wappenstiftungen<br />
eine derzeit allgemeine Sitte in Deutschland gewesen zu sein, auch<br />
der Franzose Montaigne berichtet 1580 davon, eine Reklame für die Herbergen<br />
und eine Art von Vorform der späteren Wappenverleihung an Hoflieferanten.<br />
Von Frankfurt, wo gerade Handelsmesse mit internationalem Treiben war<br />
und wir daher unter Anderem auch vernehmen, daß dort zur Messezeit "In der<br />
löblichen fechtkunst die Meister des langen schwerts gemacht werdenn", ging es<br />
nach sechstägiger Rast auf einem täglich verkehrenden Schiffe nach Mainz und<br />
auf einer anderen "Barken" nach Oppenheim. Von hier sollte mittels der "WormischeIl<br />
,Rolle" Worms erreicht werden, sie brach aber entzwei, "musten derwegenn<br />
vnser felis 9) vnd zeug ein Jeder selber tragenn, die dann zimlich schwer,<br />
vnd kam vns solchs, weill auch ein Regen einfiel, zimIich sauer ahn. Jedoch<br />
trafen wir zum glück ein ander Rolle ahn, die auch nach Worms mit etlichen<br />
leuten fharen wolltte, do wir dann dem fhurman so guete wort gaben vnd geldes<br />
genug, das ehr vnser zeug auf die rolle nham. Wir aber musten biß nach<br />
Worms zu fuese 'gheen, sein von Oppenheim 4 meilen, do wir Jegenmittag<br />
angekommen." Dieses ist der einzige erwähnte Unfall auf den Landstraßen der<br />
ganzen zweijährigen Reise. Am Nachmittage noch desselben 30. Septembers<br />
wurde mit der "Speirischen Rollen" Speier erreicht, und unterwegs fielen "erstlich<br />
die frischen Mandeln" an den Bäumen auf. In der "gulden kannen" wurde<br />
eingekehrt. Rollen waren derbere Wagen zu zeitweiliger (Messe) oder dauernder,<br />
regelmäßiger, omnibusartiger Personenbeförderung zwischen nicht allzuweit voneinander<br />
entfernten Orten 10) für jedermann und entsprechend preiswert.<br />
In Speier geht das Manuskript näher ein auf den "thum, ein herliehe grose<br />
und weitte kirch" und auf ihre Grabstätten. "Es ist auch woll zu sehen der<br />
ortt, do das kammergericht wird gehalten, Ist ein statlich pallatium. - Es<br />
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