Braunschweigisches Jahrbuch 3. Folge, Bd 3 - Digitale Bibliothek ...
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<strong>Digitale</strong> <strong>Bibliothek</strong> Braunschweig<br />
http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042371<br />
z w e 1 t e r A b s c h n<br />
.<br />
1 t t<br />
Vergleich<br />
mit zei~genössischen Reiseberichten<br />
Bis in den Beginn des 17. Jahrhunderts ist jeder Reisebericht, jeder Reiseeindruck<br />
von Besuchern Italiens interessant, sofern er irgend etwas Persönliches<br />
enthält. Denn das ist während des ganzen Mittelalters bindungsmäßig fast ausgeschlossen.<br />
Hafteten seine Menschen an den irdischen Dingen im Grunde nur<br />
gegen ihre wesentlich auf das Jenseits gerichteten überzeugungen, gegen ihren<br />
positiven Glauben an das Reich Gottes, das nicht von d:eser Welt ist, so lag erst<br />
recht den Wenigen, die Italien besuchten, auch wenn sie nicht Wallfahrer waren,<br />
nur das große Glaubenszentrum der abendländischen Christengemeinschaft am<br />
Herzen: Rom. Was sie, spärlich genug, berichten, bez;eht sich im Mittelalter<br />
hauptsächlich auf kirchliche Eindrücke, falls sie nicht etwa als Diplomaten<br />
oder Geschichtsschreiber sich sonderlich äußern. Ist das aber der Fall, so fehlt<br />
die Verwandlung des Geschehenen, Gehörten, Gesehenen in ein persönliches Erlebnis,<br />
oder dieses äußert sich nur unbewußt, elementar, sofern es nicht auch<br />
seinerseits religiösen Einschlag hat. Die Entlastungen und Erquickungen der<br />
Kirche, ihre Gnadenspenden jeglicher Art wurden einzig ersehnt und genossen.<br />
Für alles andere, das Italien den Augen und der geistigen Betrachtung bot,<br />
fehlte derzeit dem nordischen Besucher noch so gut wie ganz das Organ. Erst<br />
der Humanismus erweiterte auch ihm den Interessenkreis. In seinem Bann<br />
suchte er als Jüngling den wissenschaftlichen Unterricht der Universitäten; und<br />
Ortsüberlieferungen, zunächst vorwiegend antike, traten damit auch außerhalb<br />
Roms in den Gesichtskreis der Fremden. Immer mehr weltlichen Stoff eroberte<br />
sich nun ihr Wissensdrang im Süden wie in ihrer Heimat zurück, wenn auch<br />
noch, oft im dessen nicht mehr geständigen Gemüte des Abendländers bis<br />
hoch in die Neuzeit, unter der unantiken Voraussetzung der Minderwertigkeit des<br />
Diesseits gegenüber dem Jenseits. D:e Worte Christi an Martha, Lukas 10, 42:<br />
Eins ist Not, temperierten zunächst noch dämpfend das immer unwiderstehlichere<br />
Drängen in die Wirklichkeiten. So wurde Italien als kulturgesättigtes und eben<br />
darum studierenswertes Land für den Nordländer eine Quelle reichster Anregungen,<br />
nach dem Zerfall der einheitlichen Kirchlichkeit für den Protestanten<br />
zumal in verstärktem Maße durch das, was es dann neben und trotz dem<br />
Papsttum an Wissensstoff und Erbauung zu bieten hatte. Der Besucher hatte<br />
nunmehr zu wählen und zu sichten. Er kommt als Individuum, als immer<br />
kritischerer und sich entsprechend immer mehr isolierender Einzelmensch, keineswegs<br />
nur wie im Mittelalter als Te:Jhaber eines allgemein verbindlichen religiösen<br />
Bedürfnisses zur Befriedung seiner sündebelasteten Person.<br />
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