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Z12 Die Frage nach dem Fundament

Welche Werte prägen unsere Gesellschaft und worauf sind diese gegründet? Vollversion 60 Seiten

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Kirche & Gesellschaft<br />

Foto: © Wikipedia<br />

Foto: © Agentur PJI<br />

<strong>Die</strong> ersten<br />

Christen hatten<br />

keinen Tempel,<br />

keine Priester<br />

und kein Opfer<br />

Nach <strong>dem</strong> fünften Jahrhundert<br />

musste im Altarraum eine<br />

Reliquie vorhanden sein, damit<br />

eine Kirche als ordnungsgemäß<br />

geweiht gelten konnte<br />

<strong>Die</strong>se drei Elemente – Tempel, Priester und<br />

Opfer – hatten im Alten Testament im Vordergrund<br />

gestanden. Jesus setzte ihnen ein Ende,<br />

in<strong>dem</strong> er sie in sich erfüllte. Seit damals besteht<br />

Gottes Tempel auf Erden aus lebendigen Steinen,<br />

ohne Hände gebaut. Jesus hat eine neue, allgemeine<br />

Priesterschaft eingeführt. Er ist selbst das<br />

perfekte und endgültige Opfer.<br />

Bis die Vermischung mit <strong>dem</strong> Heidentum dies in<br />

<strong>Frage</strong> stellte. Heidnische Religionen hatten Tempel,<br />

Priester und Opfer. „Bis zu Konstantin im vierten<br />

Jahrhundert errichteten die Christen für den<br />

Gottesdienst keine speziellen Gebäude. Es sind historisch<br />

keine Gebäude bekannt, die vor <strong>dem</strong> Jahre<br />

300 ursprünglich als Kirche gebaut wurden.“<br />

Im Römischen Reich war die Verehrung<br />

von Toten die stärkste gemeinschaftsbildende<br />

Kraft. Bereits im zweiten Jahrhundert begannen<br />

die Christen, sich dafür zu öffnen. Man<br />

wollte der Märtyrer gedenken. Aus <strong>dem</strong> Gebet für<br />

die Heiligen entwickelte sich das Gebet zu den<br />

Heiligen. In dieser Zeit kam ein neuer Versammlungsort<br />

hinzu, die Friedhöfe. So fing man an,<br />

kleine „heilige“ Grabmäler zu bauen, ebenfalls<br />

eine heidnische Praxis.<br />

Dann begann man, Reliquien zu sammeln. Reliquere<br />

bedeutet soviel wie „zurücklassen“. Man<br />

glaubte, die Heiligen hätten auf diese Weise etwas<br />

von ihrem Segen zurückgelassen.<br />

Kaiser Konstantin (285–337) wird gerne dafür<br />

gewürdigt, dass er den Christen die Glaubensfreiheit<br />

gewährte. Aber mit Konstantin<br />

beginnt auch ein dunkles Kapitel der Kirchengeschichte.<br />

Er löste einen Kirchen-Bauboom aus,<br />

um den Stand der Christen gegenüber Juden und<br />

Heiden zu stärken. Auch <strong>nach</strong> seiner Bekehrung<br />

zum Christentum wandte er sich nie vom Sonnengott<br />

Mithras ab. Konstantin führte den Sonntag<br />

als gesetzlichen Ruhetag ein. Er behielt den Titel<br />

des Pontifex Maximus bei, so nannte man bis dahin<br />

das Oberhaupt der heidnischen Priester. Wie<br />

seine heidnischen Vorgänger auf <strong>dem</strong> Kaiserthron<br />

wurde auch Konstantin <strong>nach</strong> seinem Tod vom Senat<br />

in den Stand eines heidnischen Gottes erhoben<br />

– ohne Widerspruch.<br />

<strong>Die</strong> größten Kirchengebäude entstanden meist<br />

über den Grabstätten von Märtyrern. <strong>Die</strong> bekannteste<br />

dieser Stätten ist die Peterskirche in Rom,<br />

sie wurde über <strong>dem</strong> vermeintlichen Grab des Petrus<br />

errichtet. Bei Konstantins Kirchen handelte<br />

es sich um geräumige Prachtbauten, die eines<br />

Kaisers würdig schienen. Sie waren so prunkvoll,<br />

dass sogar nichtchristliche Zeitgenossen<br />

bemerkten, diese riesigen Gebäude<strong>nach</strong>bildungen<br />

nähmen sich wie heidnische Tempel aus. Der<br />

Philosoph Porphyrios (233–301) bezeichnete die<br />

Christen als inkonsequent, da sie einerseits heidnische<br />

Gottesdienste kritisierten und andererseits<br />

Gebäude errichteten, die heidnischen Tempeln<br />

glichen.<br />

Durch die sakralen Bauten wurden die Versammlungen<br />

in den Häusern, bei denen jeder<br />

aktiv beteiligt gewesen war, abgelöst. Welch<br />

elementare Beraubung! Nach <strong>dem</strong> fünften Jahrhundert<br />

musste im Altarraum eine Reliquie vorhanden<br />

sein, damit eine Kirche als ordnungsgemäß<br />

geweiht gelten konnte.<br />

<strong>Die</strong> Christen des ersten Jahrhunderts lehnten<br />

die weltlichen Systeme ab und hielten sich vom<br />

Heidentum fern. <strong>Die</strong> Trennung von Kirche und<br />

Staat war ganz normal. Auch dies änderte sich im<br />

vierten Jahrhundert, als die Kirche als offizielle<br />

Institution in Erscheinung trat und heidnisch-religiöse<br />

Praktiken zu christianisieren begann.<br />

<strong>Die</strong> Kirche als Immobilie, als Gebäude, wurde<br />

zum enormen, riesige Ressourcen verschlingenden<br />

Kostenfaktor.<br />

18<br />

Z für Zukunft

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