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Handwerk persönlicH - Nord-Handwerk

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HAndwerkskAmmer :: Hamburg<br />

24 <strong>Nord</strong><strong>Handwerk</strong> Juli/August 2012<br />

Ohne Schulabschluss zum gesellenbrief<br />

Ein modernes Märchen<br />

nach misslungener schulzeit stellt sich marlon Fust bei der<br />

Firma kohfahl sanitär- und dachtechnik vor. mithilfe von<br />

Chefin Petra Hargens beweist er, was er kann, und<br />

absolviert erfolgreich eine Ausbildung zum bauklempner.<br />

Da ist Marlon. Er geht zwar in die<br />

Gesamtschule Horn – aber eigentlich<br />

nur auf dem Papier. Deutsch findet<br />

er furchtbar, Mathe idiotisch, Englisch<br />

überflüssig und überhaupt: diese Lehrer!<br />

Was wollen die von ihm, wo nehmen die<br />

die Kühnheit her, ständig ihn nach Dingen<br />

zu fragen, die er sowieso nicht weiß?<br />

Die Lehrer sind recht ratlos, der Vater so<br />

bemüht, aber auch hilflos. Marlon und ein<br />

Hauptschulabschluss? Das geht gar nicht.<br />

Marlon und ein Ausbildungsvertrag? Na,<br />

das geht natürlich überhaupt nicht.<br />

Da ist Frau Hargens, die hochengagierte<br />

Chefin der Kohfahl Sanitär– und<br />

Dachtechnik GmbH in der Hamburger<br />

Papenstraße. Die steuert mit ihrem Mann<br />

Thomas einen mittelständischen Betrieb<br />

auf guter und solider Erfolgsspur.<br />

Dort meldet sich nach der erfolglosen<br />

9. Klasse der von trister Schule gebeutelte<br />

Marlon und trifft auf eine Frau, die es in<br />

sich hat, die mit einem Blick gesehen hat,<br />

was los ist, die nach der ersten Begegnung<br />

mit ihm für das Quas–Jahr zu ihrem Mann<br />

sagt: Thomas, der hat Biss. Menschen mit<br />

Biss, die vielleicht Pech hatten, die vielleicht<br />

keine Schokoladenseite im Leben kennengelernt<br />

haben, die aber aufgewacht sind<br />

und lernen wollen, die liebt Frau Hargens.<br />

Und schon zieht sie die Register: Ein Jahr<br />

Praktikum für Marlon, in dem seine Chefin<br />

an ihm feilt und arbeitet, Nachhilfe erteilt,<br />

Deutschkenntnisse übt, Bewerbungen<br />

mit ihm paukt, Matheaufgaben trainiert,<br />

ihn anlernt, Anweisungen gut und sauber<br />

und sicher auszuführen, statt im Übereifer<br />

Fehler über Fehler zu machen.<br />

Sein Vater, tätig in der Badewannentechnik,<br />

ist begeistert, stützt seinen Sohn,<br />

fährt ihn zur Arbeit. Na, das fehlte noch!<br />

Papa bringt sein Söhnchen! Frau Hargens<br />

stellt das ab, traut Marlon zu, seinen Weg<br />

allein zu schaffen, auch den zur Arbeit.<br />

Marlon lernt zunächst zur Hälfte Anlagenmechaniker,<br />

zur Hälfte Bauklempner.<br />

Überforderung! Die Anlagenmechaniker<br />

schleppen einen Berg von Theorie mit<br />

sich herum, dem Marlon noch nicht gewachsen<br />

ist, weiß Frau Hargens. Erste<br />

Prüfung 5,3, wiederholte Prüfung: 4,3.<br />

Training, sagt seine Chefin, stärkt ihm<br />

den Rücken und macht ihm Mut. Wiederholungen<br />

festigen.<br />

Seine Ausbildung im Betrieb nimmt<br />

positive Formen an. Nachhilfe organisiert<br />

„Dort meldet sich nach der<br />

erfolglosen 9. Klasse der von<br />

trister Schule gebeutelte<br />

Marlon und trifft auf eine<br />

Frau, die es in sich hat, die<br />

mit einem Blick gesehen hat,<br />

was los ist, die nach der<br />

ersten Begegnung mit ihm<br />

zu ihrem Mann sagt:<br />

Thomas, der hat Biss. “<br />

die Chefin bei der Innung. Wenn er mal<br />

nicht hingeht, gibt’s ein Montagsgespräch<br />

– hart aber fair und die Sache ist geregelt<br />

und vergessen.<br />

Die Berufsschule verlangt viel. Lehrer<br />

sind nicht immer in der Spur von Frau<br />

Hargens. Einer zweifelt in seiner eigenwilligen<br />

Art Aussagen von Marlon an. Da<br />

hat er die Rechnung ohne dessen Chefin<br />

gemacht: Als wärs die eigene Mutter, so<br />

führt sie streitbar, logisch klar und heftig<br />

Gespräche mit dem Lehrer und weist ihn<br />

darauf hin, dass vorschnelle Urteile auch<br />

Verurteilungscharakter haben können.<br />

Der Lehrer knickt kleinlaut ein, gibt<br />

ihr Recht.<br />

HAndwerkskAmmer :: Hamburg<br />

Petra und Thomas Hargens, Inhaber der Kohfahl<br />

Sanitär- und Dachtechnik GmbH, engagieren sich<br />

sehr für die Ausbildung. Sie geben auch schwächeren<br />

Schülern eine Chance und haben großen<br />

Erfolg damit.<br />

Die Zwischenprüfung legt Marlon mit<br />

der Note 3 ab.<br />

Die Chefin will ihn, wenn er durchhält,<br />

in ihre Firma übernehmen: Und er kann<br />

inzwischen viel: Außenarbeiten, Dach,<br />

Blech, Regenrohre, aber alle anderen Arbeiten,<br />

die in der Firma anfallen, kann<br />

er auch.<br />

Seine Prüfung gelingt. Er bleibt in<br />

der Firma – einer Firma, die sich auf<br />

die Fahnen geschrieben hat, Menschen<br />

überlebensfähig zu machen, sie vor dem<br />

„Kanonenfutter der Leiharbeit“ zu bewahren.<br />

Diese Firma ist in einer Zeit, in der<br />

viele Menschen Angst haben müssen, verschoben<br />

zu werden, ein guter, farbiger,<br />

stämmiger Leuchtturm, der Richtungen<br />

für die weist, für die Menschen oft Material<br />

sind.

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