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Handwerk persönlicH - Nord-Handwerk

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HAndwerksLeben :: BetrieB<br />

Möbel für die Promis<br />

sie bauen spezielle kulissen und fliegen dafür bis ans andere ende der welt – die Tischler der Firma<br />

Objekteinrichtung Hengelhaupt aus dem mecklenburgischen Grevesmühlen. Im Frühjahr montierten<br />

zwei Tischler die kulisse des neuen wachsfigurenkabinetts von Madame Tussauds im australischen sydney.<br />

Christian Frank fühlt sich wohl in<br />

der Welt der Promis. Lässig sitzt er<br />

auf der Couch von Robbie Williams. Der<br />

lässt auf sich warten. Wenige Meter trennen<br />

Christian Frank von Brad Pitt, Angelina<br />

Jolie und Lady Gaga. Es ist still in der sonst<br />

so bunten Welt, hier am Darling Harbour<br />

im Herzen der australischen Metropole<br />

Sydney. Nur 300 Meter entfernt bestaunen<br />

tausende Besucher die Wahrzeichen der<br />

Stadt – die Oper und die Harbour Bridge.<br />

Christian Frank aber ist alleine mit den<br />

Stars. Keine Fotografen warten auf die<br />

Pop- und Schauspielgrößen. Keine bunten<br />

Scheinwerfer leuchten. Nur Baulampen<br />

erhellen den Raum. Sein Kollege Thomas<br />

Körner hält den Moment mit seiner<br />

Fotokamera fest.<br />

Das Couch-Bild hat sich Christian<br />

Frank aufgehoben. Er schaut es sich auf<br />

dem Bildschirm an. Frank ist kein Sänger<br />

oder Schauspieler. Er ist Tischler aus dem<br />

mecklenburgischen Grevesmühlen. Der<br />

29-jährige ist zurück an seinem Schreibtisch<br />

der Firma Objekteinrichtung Hengelhaupt<br />

in einem kleinen Gewerbegebiet nahe der<br />

Autobahn A 20. Sydney ist weit entfernt.<br />

Das kompakte Firmengebäude samt<br />

Werkstatt und Büros fällt dem flüchtigen<br />

Betrachter kaum auf. Kaum vorstellbar,<br />

dass hier 69 Angestellte exklusive Möbel<br />

für Kunden in aller Welt bauen.<br />

Christian Frank ist einer der Planer und<br />

Monteure. Seit seiner Ausbildung ist er<br />

zehn Jahre im Betrieb. Seither baute er<br />

Möbel in London, Holland, und Portugal<br />

auf – meist im Auftrag von Merlin<br />

Entertainment. Der Welt-Konzern ist auf<br />

Unterhaltung spezialisiert und betreibt<br />

36 <strong>Nord</strong><strong>Handwerk</strong> Juli/August 2012<br />

weltweit Attraktionen wie das Dungeon,<br />

Legoland oder Madame Tussauds. Die<br />

Mecklenburger Tischler überzeugten die<br />

Merlin-Verantwortlichen 1996 von sich.<br />

Damals richteten sie das Sealife-Center in<br />

Timmendorfer Strand ein.<br />

Beim jüngsten Folgeauftrag entstand<br />

Christian Franks Sofa-Foto – im Wachsfigurenkabinett<br />

von Madame Tussauds in Sydney.<br />

Der Schnappschuss erinnert ihn an aufregende<br />

drei Monate Planung, 15 engagierte<br />

Kollegen und 17 Tage am anderen Ende<br />

der Welt – 15.000 Kilometer und rund 30<br />

Flugstunden entfernt von Grevesmühlen.<br />

Die Arbeiten in der australischen Metropole<br />

waren nach Berlin, Wien und<br />

Amsterdam der vierte Auftrag dieser Art.<br />

„Die Wände und Möbel scheinen immer<br />

gleich zu sein – sind sie aber nicht. Für<br />

jeden Ort entwerfen wir neue Pläne – die<br />

Räumlichkeiten sind immer anders“, sagt<br />

Christian Frank.<br />

Die Pläne füllen viele Ordner. Einen davon<br />

zieht er aus dem Regal nimmt einen<br />

Plan heraus und breitet ihn aus. Zu sehen<br />

ist der Grundriss des Showrooms. „Das ist<br />

das Herzstück“, sagt Frank. Kleine grüne<br />

Punkte und Namen markieren die Plätze<br />

der Stars aus Wachs. Blaue Halbkreise kennzeichnen<br />

die Lamellenwände, die Frank<br />

und Körner aufbauten.<br />

Keines der über 400 Einzelteile glich dem<br />

anderen. Jedes entwarf Christian Frank am<br />

Computer und ließ es von einer CNC-<br />

Fräse anfertigen. Die gestalterischen Vorgaben<br />

kamen von Designern aus England<br />

und Architekten aus Berlin. Die Fäden<br />

liefen beim Bauleiter in Sydney zusammen.<br />

„Das machte den Auftrag für uns so<br />

anspruchsvoll“, erinnert sich Frank. Einmal<br />

wöchentlich tauschte er sich per Video-<br />

Konferenz mit den weltweit verstreuten<br />

Projektbeteiligten über Details aus. Vor Ort<br />

unterstützte ihn während der Planung und<br />

beim Aufbau ein Österreicher, der in Sydney<br />

einen Baubetrieb betreibt.<br />

Drei Monate blieben von den ersten<br />

Entwürfen bis zum Packen des 40 Fuß<br />

(12 m lang, 2,43 m breit und 2,59 m hoch)<br />

großen und mit neun Tonnen beladenden<br />

Containers. Das Verschiffen erwies sich als<br />

größte Herausforderung. Die Tischler exportierten<br />

zwar zuvor bereits nach China,<br />

Portugal, England, Frankreich und in die<br />

USA. Die Einfuhr nach Australien war<br />

besonders anspruchsvoll. Alles musste exakt<br />

deklariert sein - schließlich hat das Land<br />

einige der weltweit strengsten Zollanforderungen.<br />

Erst als der Container nach vier<br />

Wochen auf See pünktlich und die Möbel<br />

unbeschädigt auf dem roten Kontinant<br />

ankamen, fiel die Anspannung ab. Das Duo<br />

blieb im Plan. „Nur die australischen Arbeitszeiten<br />

waren gewöhnungsbedürftig.<br />

Es ist alles etwas entspannter. Unter der<br />

Woche schließen die Bauleiter der Baustellen<br />

um 16 Uhr und am Wochenende wird<br />

nicht gearbeitet. Wir durften ausnahmsweise<br />

bis 18 Uhr und am Samstagvormittag<br />

arbeiten“, sagt Christian Frank. Am Ende<br />

hatten sie drei freie Tage, um Sydney und<br />

Umgebung zu erkunden. Diese Eindrücke<br />

bleiben. Gedanklich ist Frank jedoch schon<br />

wieder tausende Kilometer entfernt. Im<br />

Januar geht es nach Asien – dort baut er<br />

erneut eine Kulisse für Madame Tussauds<br />

und kehrt er zurück in die Promiwelt aus<br />

Wachs.

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