2/2011 von
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Schauplatz Niklashausen<br />
»Als Adam grub und Eva spann, wo war denn da der Edelmann?!«<br />
Sie haben gemeint, ihren Ohren nicht trauen zu<br />
dürfen, als sie das alles und noch mehr hören mussten: Der<br />
Papst sei ein Ketzer, und mit dem Kaiser sei es auch nicht<br />
weit her. Alle Menschen seien gleich, keiner dürfe sich einbilden,<br />
mehr zu gelten, als der andere. Die Wiesen und Wälder,<br />
samt den Tieren darinnen, gehörten dem ganzen Volk<br />
und nicht nur den adeligen und kirchlichen Herren. Das alles<br />
habe ihm die Jungfrau Maria gesagt, die ihm im Traum<br />
erschienen sei und mit deren Stimme der Herrgott persönlich<br />
zu ihm gesprochen habe. Verkündete ein gerade mal<br />
20-jähriger Schäfer namens Hans Böhm aus Helmstadt bei<br />
Würzburg der riesigen Menschenmenge, die ihm mit atemlosen<br />
Staunen lauschte.<br />
Das war ja unerhört, was seine Spione da dem Würzburger<br />
Bischof Rudolf <strong>von</strong> Scherenberg über die frühsommerlichen<br />
Umtriebe des Jahres 1476 in Niklashausen, einem kleinen<br />
Dorf im Taubertal, zu berichten wussten! Was glaubte der<br />
Kerl denn eigentlich? Da würde nur ein rasches und entschlossenes<br />
Eingreifen helfen. Doch der Bischof zögerte.<br />
Nicht zuletzt wegen der täglich anwachsenden Menge an<br />
Leuten, die zu den »Predigten« des Schäfers strömten und<br />
ihm längst als neuem Messias huldigten. Mehrere zehntausend<br />
Menschen sollen es schließlich gewesen sein, die das<br />
Dorf und dessen Umgebung geradezu belagert haben. Was<br />
der wortgewaltige Jüngling sagte, dessen Ansprachen sich<br />
<strong>von</strong> Tag zu Tag radikaler anhörten, war eine echte Labsal<br />
für die geschundenen Seelen und Herzen des mehr und<br />
mehr in Armut und Elend geratenen Volkes. Ablasshandel,<br />
Steuern, Verbote, Strafen und Willkürakte der in Saus und<br />
Braus lebenden Oberschicht prangerte er nicht nur überdeutlich<br />
an, sondern bezeichnete das Verhalten der oberen<br />
Zehntausend gar als unchristlich, als ganz und gar nicht im<br />
Sinne des Schöpfers. »Nicht ich bin ein Ketzer, sondern diejenigen,<br />
die mich als einen Ketzer bezeichnen«, schleuderte<br />
der »Pfeiferhans« seinen Kritikern ins entgeisterte Antlitz.<br />
Und schlug dazu auf die Trommel oder blies in den Dudelsack,<br />
um seinen geharnischten Reden noch eine zu sätz-<br />
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liche Untermalung zu geben (weshalb man ihn<br />
heutzutage eben als den »Pfeiferhans« oder<br />
den »Pauker <strong>von</strong> Niklashausen« bezeichnet).<br />
Was das gemeine Volk inzwischen bereits in<br />
eine Art heiliger Ekstase versetzte!<br />
Ein direkter Zugriff wäre in dieser aufgeheizten<br />
Stimmung viel zu gefährlich geworden und<br />
hätte womöglich einen offenen Aufruhr zur Folge<br />
gehabt. Zumal sich dieser unverschämte<br />
Jüng ling ja direkt auf Maria, die Muttergottes,<br />
die wichtigste fränkische Schutzheilige, berief.<br />
Kein Wunder, dass selbst der niedere Adel,<br />
entsprungene Mönche und sogar mancher<br />
Geistliche zu seinen Beschützern zählten. Da<br />
half nur eine Nacht- und Nebel-Aktion. Und genau<br />
so wurde es dann auch gemacht: Als niemand damit<br />
rechnete, schlug die bewaffnete Reiterei des Bischofs mitten<br />
in der Nacht zu und nahm den schlafenden Pfeiferhans<br />
gefangen. Man brachte ihn auf die Feste Marienburg, den<br />
Würzburger Bischofssitz, und warf ihn dort in den Kerker.<br />
Selbst unter der Folter wollte der »heilige Jüngling« jedoch<br />
nicht widerrufen, sondern vertrat unerschrocken auch weiterhin<br />
seine Überzeugungen. Wie ein Lauffeuer hatte sich<br />
mittlerweile die Nachricht <strong>von</strong> der Entführung des Pfeiferhans<br />
unter seinen Anhängern verbreitet, und schon rüstete<br />
sich mit Unterstützung der Bürger <strong>von</strong> Würzburg eine gewaltige<br />
Menge des einfachen Landvolkes mit Mistgabeln<br />
und Sensen zum Sturm auf die Marienburg. Deshalb beschloss<br />
der Bischof, im wahrsten Sinn des Wortes, kurzen<br />
Prozess zu machen: In einem skandalösen Eilverfahren wurde<br />
Hans Böhm wegen Ketzerei zum Tode verurteilt und am<br />
19. Juli 1476 vor den Toren <strong>von</strong> Würzburg auf dem Scheiterhaufen<br />
verbrannt. Seine Asche wurde in den Main gestreut,<br />
die Kapelle in Niklashausen, vor der er zu den Menschen<br />
gepredigt hatte, wurde im Auftrag des Bischofs (!) dem Erdboden<br />
gleich gemacht. Nichts sollte mehr an den Pfeiferhans<br />
erinnern. Und dennoch hat man ihn im Taubertal niemals<br />
vergessen, vor einigen Jahren haben Niklashauser Bürger<br />
an der Hinrichtungsstätte auf dem Würzburger Schot tenanger<br />
eine Stele gestiftet, die das Andenken an Hans Böhm,<br />
den ersten deutschen Revolutionär lange vor dem großen<br />
Bauernkrieg, auch weiterhin aufrecht erhält.<br />
Christian König<br />
Niklashausen im Taubertal: Der Grundstein für die<br />
Kirche, den »kleinen Dom im Taubertal«, wurde<br />
1519 gesetzt. Im Museum in der Wertheimerstraße<br />
erinnert die »Pfeiferstube« an den »Pfeiferhans«.<br />
Das nächste Mal geht es ziemlich tief ins »Dunkel der Geschichte«: Wir<br />
besuchen die größte Stadt nördlich der Alpen, die das nach wie vor ziemlich<br />
rätselhafte Volk der Kelten vor mehr als 2500 Jahren an der oberen<br />
Donau gebaut hat. Wenn Sie wissen, wie diese berühmte Keltensiedlung<br />
heutzutage genannt wird, dann schreiben Sie die Antwort bitte auf eine<br />
Postkarte und schicken Sie diese bis zum 11. Juli <strong>2011</strong> an die »Blätter<br />
des Schwäbischen Albvereins«, Waldburgstr.48, 70563 Stuttgart. Unter<br />
den richtigen Einsendungen wird Gunter Haugs Buch »Robert Bosch<br />
– der Mann, der die Welt bewegte« verlost. Mit der Rätselfrage aus dem<br />
letzten Heft suchten wir einen Ort im Taubertal, in dem ein armer Schäfer<br />
Geschichte schrieb. Sie war mit Niklashausen richtig beantwortet.<br />
Gewonnen hat Hanne Wurster aus Murrhardt.