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Schauplatz Niklashausen<br />

»Als Adam grub und Eva spann, wo war denn da der Edelmann?!«<br />

Sie haben gemeint, ihren Ohren nicht trauen zu<br />

dürfen, als sie das alles und noch mehr hören mussten: Der<br />

Papst sei ein Ketzer, und mit dem Kaiser sei es auch nicht<br />

weit her. Alle Menschen seien gleich, keiner dürfe sich einbilden,<br />

mehr zu gelten, als der andere. Die Wiesen und Wälder,<br />

samt den Tieren darinnen, gehörten dem ganzen Volk<br />

und nicht nur den adeligen und kirchlichen Herren. Das alles<br />

habe ihm die Jungfrau Maria gesagt, die ihm im Traum<br />

erschienen sei und mit deren Stimme der Herrgott persönlich<br />

zu ihm gesprochen habe. Verkündete ein gerade mal<br />

20-jähriger Schäfer namens Hans Böhm aus Helmstadt bei<br />

Würzburg der riesigen Menschenmenge, die ihm mit atemlosen<br />

Staunen lauschte.<br />

Das war ja unerhört, was seine Spione da dem Würzburger<br />

Bischof Rudolf <strong>von</strong> Scherenberg über die frühsommerlichen<br />

Umtriebe des Jahres 1476 in Niklashausen, einem kleinen<br />

Dorf im Taubertal, zu berichten wussten! Was glaubte der<br />

Kerl denn eigentlich? Da würde nur ein rasches und entschlossenes<br />

Eingreifen helfen. Doch der Bischof zögerte.<br />

Nicht zuletzt wegen der täglich anwachsenden Menge an<br />

Leuten, die zu den »Predigten« des Schäfers strömten und<br />

ihm längst als neuem Messias huldigten. Mehrere zehntausend<br />

Menschen sollen es schließlich gewesen sein, die das<br />

Dorf und dessen Umgebung geradezu belagert haben. Was<br />

der wortgewaltige Jüngling sagte, dessen Ansprachen sich<br />

<strong>von</strong> Tag zu Tag radikaler anhörten, war eine echte Labsal<br />

für die geschundenen Seelen und Herzen des mehr und<br />

mehr in Armut und Elend geratenen Volkes. Ablasshandel,<br />

Steuern, Verbote, Strafen und Willkürakte der in Saus und<br />

Braus lebenden Oberschicht prangerte er nicht nur überdeutlich<br />

an, sondern bezeichnete das Verhalten der oberen<br />

Zehntausend gar als unchristlich, als ganz und gar nicht im<br />

Sinne des Schöpfers. »Nicht ich bin ein Ketzer, sondern diejenigen,<br />

die mich als einen Ketzer bezeichnen«, schleuderte<br />

der »Pfeiferhans« seinen Kritikern ins entgeisterte Antlitz.<br />

Und schlug dazu auf die Trommel oder blies in den Dudelsack,<br />

um seinen geharnischten Reden noch eine zu sätz-<br />

30<br />

liche Untermalung zu geben (weshalb man ihn<br />

heutzutage eben als den »Pfeiferhans« oder<br />

den »Pauker <strong>von</strong> Niklashausen« bezeichnet).<br />

Was das gemeine Volk inzwischen bereits in<br />

eine Art heiliger Ekstase versetzte!<br />

Ein direkter Zugriff wäre in dieser aufgeheizten<br />

Stimmung viel zu gefährlich geworden und<br />

hätte womöglich einen offenen Aufruhr zur Folge<br />

gehabt. Zumal sich dieser unverschämte<br />

Jüng ling ja direkt auf Maria, die Muttergottes,<br />

die wichtigste fränkische Schutzheilige, berief.<br />

Kein Wunder, dass selbst der niedere Adel,<br />

entsprungene Mönche und sogar mancher<br />

Geistliche zu seinen Beschützern zählten. Da<br />

half nur eine Nacht- und Nebel-Aktion. Und genau<br />

so wurde es dann auch gemacht: Als niemand damit<br />

rechnete, schlug die bewaffnete Reiterei des Bischofs mitten<br />

in der Nacht zu und nahm den schlafenden Pfeiferhans<br />

gefangen. Man brachte ihn auf die Feste Marienburg, den<br />

Würzburger Bischofssitz, und warf ihn dort in den Kerker.<br />

Selbst unter der Folter wollte der »heilige Jüngling« jedoch<br />

nicht widerrufen, sondern vertrat unerschrocken auch weiterhin<br />

seine Überzeugungen. Wie ein Lauffeuer hatte sich<br />

mittlerweile die Nachricht <strong>von</strong> der Entführung des Pfeiferhans<br />

unter seinen Anhängern verbreitet, und schon rüstete<br />

sich mit Unterstützung der Bürger <strong>von</strong> Würzburg eine gewaltige<br />

Menge des einfachen Landvolkes mit Mistgabeln<br />

und Sensen zum Sturm auf die Marienburg. Deshalb beschloss<br />

der Bischof, im wahrsten Sinn des Wortes, kurzen<br />

Prozess zu machen: In einem skandalösen Eilverfahren wurde<br />

Hans Böhm wegen Ketzerei zum Tode verurteilt und am<br />

19. Juli 1476 vor den Toren <strong>von</strong> Würzburg auf dem Scheiterhaufen<br />

verbrannt. Seine Asche wurde in den Main gestreut,<br />

die Kapelle in Niklashausen, vor der er zu den Menschen<br />

gepredigt hatte, wurde im Auftrag des Bischofs (!) dem Erdboden<br />

gleich gemacht. Nichts sollte mehr an den Pfeiferhans<br />

erinnern. Und dennoch hat man ihn im Taubertal niemals<br />

vergessen, vor einigen Jahren haben Niklashauser Bürger<br />

an der Hinrichtungsstätte auf dem Würzburger Schot tenanger<br />

eine Stele gestiftet, die das Andenken an Hans Böhm,<br />

den ersten deutschen Revolutionär lange vor dem großen<br />

Bauernkrieg, auch weiterhin aufrecht erhält.<br />

Christian König<br />

Niklashausen im Taubertal: Der Grundstein für die<br />

Kirche, den »kleinen Dom im Taubertal«, wurde<br />

1519 gesetzt. Im Museum in der Wertheimerstraße<br />

erinnert die »Pfeiferstube« an den »Pfeiferhans«.<br />

Das nächste Mal geht es ziemlich tief ins »Dunkel der Geschichte«: Wir<br />

besuchen die größte Stadt nördlich der Alpen, die das nach wie vor ziemlich<br />

rätselhafte Volk der Kelten vor mehr als 2500 Jahren an der oberen<br />

Donau gebaut hat. Wenn Sie wissen, wie diese berühmte Keltensiedlung<br />

heutzutage genannt wird, dann schreiben Sie die Antwort bitte auf eine<br />

Postkarte und schicken Sie diese bis zum 11. Juli <strong>2011</strong> an die »Blätter<br />

des Schwäbischen Albvereins«, Waldburgstr.48, 70563 Stuttgart. Unter<br />

den richtigen Einsendungen wird Gunter Haugs Buch »Robert Bosch<br />

– der Mann, der die Welt bewegte« verlost. Mit der Rätselfrage aus dem<br />

letzten Heft suchten wir einen Ort im Taubertal, in dem ein armer Schäfer<br />

Geschichte schrieb. Sie war mit Niklashausen richtig beantwortet.<br />

Gewonnen hat Hanne Wurster aus Murrhardt.

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