2/2011 von
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Die Wiesenforschungsstation auf dem Hartburren bei Wittlingen<br />
Exploratorien zur funktionellen<br />
Biodiversitätsforschung<br />
Von Dr. Swen Renner<br />
Hinter diesem Titel verbirgt sich das derzeit größte For -<br />
schungs projekt der Deutschen Forschungsgemeinschaft,<br />
das den Einfluss <strong>von</strong> Landnutzung auf die Artenvielfalt in<br />
Deutschland untersucht. In Deutschland gibt es nur noch<br />
wenige unberührte Naturräume. Aber auch unsere bewirt -<br />
schaf tete Kulturlandschaft bietet vielfältigen Lebensraum<br />
für Tiere, Pflanzen und Kleinstlebewesen. Dabei formen<br />
Forst- und Landwirtschaft durch die Art ihrer Bewirtschaftung<br />
unsere Landschaften. Welche Form der Bewirtschaf-<br />
Eingezäunte Untersuchungsfläche auf dem Hartburren bei<br />
Wittlingen mit einem Turmfalken.<br />
tung beeinflusst wie Land, Tier und Mensch? In drei Standorten<br />
– den sogenannten Exploratorien in der Region Schorfheide-Chorin,<br />
der Hainich-Dün Region und auf der Schwä -<br />
bischen Alb – wird diese zentrale Frage zum Zusammenhang<br />
und Wirkung der biologischen Vielfalt in Wald und<br />
Grün land hinterfragt. Ob konventionell oder ökologisch, die<br />
Forscher interessieren sich für die breite Palette an Landnutzungsformen<br />
und begleiten die Landwirte und Förster<br />
bei ihrer Arbeit mit wissenschaftlichen Studien. Dies ist nur<br />
möglich durch enge Kooperation mit den Landnutzern. Sie<br />
stellen dem Projekt ihr Land und ihr Wissen zeitweise zur<br />
Verfügung und unterstützen damit maßgeblich den Projekterfolg.<br />
Zusammenarbeit und Interdisziplinarität werden<br />
in der modernen Freilandforschung großgeschrieben. Das<br />
gesamte Ökosystem vom Baum bis Bodenbakterium, <strong>von</strong><br />
Ameise bis Zaunkönig – alles muss gezählt, dokumentiert<br />
und über lange Zeit beobachtet werden, um die Funktionen<br />
und Wechselwirkungen des Systems zu verstehen. Z.<br />
B. wurde im Exploratorium auf der Schwäbischen Alb eine<br />
sehr hohe Artenvielfalt nachgewiesen, allein bei den Gefäß -<br />
pflanzen sind hier in den Waldbereichen über 400 Arten<br />
kar tiert worden, bei den Moosen sind über 115 und bei<br />
den Flechten ungefähr 200 Arten erfasst worden. Doch werden<br />
in den Exploratorien nicht nur Arten dokumentiert und<br />
gezählt – dies ist lediglich der erste Schritt; es werden auch<br />
Experimente durchgeführt, die die Wechselwirkung der Lebensformen<br />
untereinander besser verstehen helfen. Dabei<br />
gibt es drei Leitfragen, die allen Beteiligten als Forschungs -<br />
grundl age dienen:<br />
1. Wie wirken verschiedene Lebensformen wechselseitig<br />
aufeinander?<br />
2. Wie beeinflussen Landnutzung und Landmanagement<br />
und deren verschiedenen Intensitätsstufen besagte Wechselwirkung?<br />
Maren Gleisberg<br />
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3. Welche Rolle spielen die verschiedenen Formen der biologischen<br />
Vielfalt für Ökosystemprozesse?<br />
Die Vogelwelt ist ein anschauliches Beispiel, um diese drei<br />
Fragen zu erörtern In den drei Exploratorien kommen unterschiedlich<br />
viele Vogelarten vor, aber es brüten grundsätzlich<br />
mehr Vogelarten im Wald als im Grünland. Betrachtet<br />
man nur den Wald, so finden wir die meisten Vogelarten<br />
in unbewirtschafteten alten Beständen. Noch<br />
komplexer ist das Bild, wenn man die Landnutzung und Al-<br />
Experimente zur Totholznutzung <strong>von</strong> Arthropoden (Gliederfüßern)<br />
(unten). Schneckenausschlussexperiment (oben).<br />
tersstruktur der Wälder hinzuzieht: So sind im Altersklassenwald<br />
weniger Vögel als im weitgehend ungenutzten Wald<br />
vorhanden, und in jungen Beständen sind weniger Vögel<br />
als in alten Beständen. In einem Experiment konnte gezeigt<br />
werden, welche wichtige Funktion die Vögel in der<br />
Nah rungskette der Wälder übernehmen. Sind sie nicht da,<br />
erhöht sich die Zahl der Insekten und damit die Zahl der<br />
Fraßschäden an den Bäumen. Für einen hohen Holzertrag<br />
sind daher funktionierende Nahrungsketten sehr wichtig.<br />
Somit konnten wir zeigen, dass die Biodiversität einen Nutzen<br />
für die Menschheit hat und viele Vogelarten sich positiv<br />
auf unser Leben auswirken können.<br />
Ein weiteres Beispiel der Forschung aus den Exploratorien<br />
befasst sich mit Stoffkreisläufen. Je höher der Stickstoffund<br />
Phosphorwert in der Biomasse <strong>von</strong> Pflanzen der Grünländer,<br />
desto geringer war die Pflanzenartenzahl. Die intensive<br />
Bewirtschaftung <strong>von</strong> Grünländern ist daher nachteilig<br />
für die Artenvielfalt. Um die Funktionen und das Zusammenspiel<br />
der Arten und Stoffkreisläufe ober- und<br />
unterirdisch umfassend zu verstehen, arbeiten über 30 Institutionen<br />
mit über 250 Forschenden in den Exploratorien<br />
zusammen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft finanziert<br />
eine einzigartige Forschungsplattform mit starker Infrastruktur,<br />
um vor der Haustür die Natur und deren Wechselwirkung<br />
mit dem Menschen besser zu verstehen.<br />
Maren Gleisberg<br />
Marco Mello