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Die Wiesenforschungsstation auf dem Hartburren bei Wittlingen<br />

Exploratorien zur funktionellen<br />

Biodiversitätsforschung<br />

Von Dr. Swen Renner<br />

Hinter diesem Titel verbirgt sich das derzeit größte For -<br />

schungs projekt der Deutschen Forschungsgemeinschaft,<br />

das den Einfluss <strong>von</strong> Landnutzung auf die Artenvielfalt in<br />

Deutschland untersucht. In Deutschland gibt es nur noch<br />

wenige unberührte Naturräume. Aber auch unsere bewirt -<br />

schaf tete Kulturlandschaft bietet vielfältigen Lebensraum<br />

für Tiere, Pflanzen und Kleinstlebewesen. Dabei formen<br />

Forst- und Landwirtschaft durch die Art ihrer Bewirtschaftung<br />

unsere Landschaften. Welche Form der Bewirtschaf-<br />

Eingezäunte Untersuchungsfläche auf dem Hartburren bei<br />

Wittlingen mit einem Turmfalken.<br />

tung beeinflusst wie Land, Tier und Mensch? In drei Standorten<br />

– den sogenannten Exploratorien in der Region Schorfheide-Chorin,<br />

der Hainich-Dün Region und auf der Schwä -<br />

bischen Alb – wird diese zentrale Frage zum Zusammenhang<br />

und Wirkung der biologischen Vielfalt in Wald und<br />

Grün land hinterfragt. Ob konventionell oder ökologisch, die<br />

Forscher interessieren sich für die breite Palette an Landnutzungsformen<br />

und begleiten die Landwirte und Förster<br />

bei ihrer Arbeit mit wissenschaftlichen Studien. Dies ist nur<br />

möglich durch enge Kooperation mit den Landnutzern. Sie<br />

stellen dem Projekt ihr Land und ihr Wissen zeitweise zur<br />

Verfügung und unterstützen damit maßgeblich den Projekterfolg.<br />

Zusammenarbeit und Interdisziplinarität werden<br />

in der modernen Freilandforschung großgeschrieben. Das<br />

gesamte Ökosystem vom Baum bis Bodenbakterium, <strong>von</strong><br />

Ameise bis Zaunkönig – alles muss gezählt, dokumentiert<br />

und über lange Zeit beobachtet werden, um die Funktionen<br />

und Wechselwirkungen des Systems zu verstehen. Z.<br />

B. wurde im Exploratorium auf der Schwäbischen Alb eine<br />

sehr hohe Artenvielfalt nachgewiesen, allein bei den Gefäß -<br />

pflanzen sind hier in den Waldbereichen über 400 Arten<br />

kar tiert worden, bei den Moosen sind über 115 und bei<br />

den Flechten ungefähr 200 Arten erfasst worden. Doch werden<br />

in den Exploratorien nicht nur Arten dokumentiert und<br />

gezählt – dies ist lediglich der erste Schritt; es werden auch<br />

Experimente durchgeführt, die die Wechselwirkung der Lebensformen<br />

untereinander besser verstehen helfen. Dabei<br />

gibt es drei Leitfragen, die allen Beteiligten als Forschungs -<br />

grundl age dienen:<br />

1. Wie wirken verschiedene Lebensformen wechselseitig<br />

aufeinander?<br />

2. Wie beeinflussen Landnutzung und Landmanagement<br />

und deren verschiedenen Intensitätsstufen besagte Wechselwirkung?<br />

Maren Gleisberg<br />

7<br />

3. Welche Rolle spielen die verschiedenen Formen der biologischen<br />

Vielfalt für Ökosystemprozesse?<br />

Die Vogelwelt ist ein anschauliches Beispiel, um diese drei<br />

Fragen zu erörtern In den drei Exploratorien kommen unterschiedlich<br />

viele Vogelarten vor, aber es brüten grundsätzlich<br />

mehr Vogelarten im Wald als im Grünland. Betrachtet<br />

man nur den Wald, so finden wir die meisten Vogelarten<br />

in unbewirtschafteten alten Beständen. Noch<br />

komplexer ist das Bild, wenn man die Landnutzung und Al-<br />

Experimente zur Totholznutzung <strong>von</strong> Arthropoden (Gliederfüßern)<br />

(unten). Schneckenausschlussexperiment (oben).<br />

tersstruktur der Wälder hinzuzieht: So sind im Altersklassenwald<br />

weniger Vögel als im weitgehend ungenutzten Wald<br />

vorhanden, und in jungen Beständen sind weniger Vögel<br />

als in alten Beständen. In einem Experiment konnte gezeigt<br />

werden, welche wichtige Funktion die Vögel in der<br />

Nah rungskette der Wälder übernehmen. Sind sie nicht da,<br />

erhöht sich die Zahl der Insekten und damit die Zahl der<br />

Fraßschäden an den Bäumen. Für einen hohen Holzertrag<br />

sind daher funktionierende Nahrungsketten sehr wichtig.<br />

Somit konnten wir zeigen, dass die Biodiversität einen Nutzen<br />

für die Menschheit hat und viele Vogelarten sich positiv<br />

auf unser Leben auswirken können.<br />

Ein weiteres Beispiel der Forschung aus den Exploratorien<br />

befasst sich mit Stoffkreisläufen. Je höher der Stickstoffund<br />

Phosphorwert in der Biomasse <strong>von</strong> Pflanzen der Grünländer,<br />

desto geringer war die Pflanzenartenzahl. Die intensive<br />

Bewirtschaftung <strong>von</strong> Grünländern ist daher nachteilig<br />

für die Artenvielfalt. Um die Funktionen und das Zusammenspiel<br />

der Arten und Stoffkreisläufe ober- und<br />

unterirdisch umfassend zu verstehen, arbeiten über 30 Institutionen<br />

mit über 250 Forschenden in den Exploratorien<br />

zusammen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft finanziert<br />

eine einzigartige Forschungsplattform mit starker Infrastruktur,<br />

um vor der Haustür die Natur und deren Wechselwirkung<br />

mit dem Menschen besser zu verstehen.<br />

Maren Gleisberg<br />

Marco Mello

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