Zum Jahresbericht 2009 - Onko Plus

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«Was soll ich erzählen?» «Mein Vater, mit dem habe ich es sehr gut – ich bewundere ihn. Zwei Brüder habe ich noch. Mit dem sechs Jahre jüngeren verstehe ich mich besonders gut. Ich hatte eine Jugend ohne grössere Probleme. Meine Mutter war nicht besonders zärtlich und einfühlsam. Immer wieder musste ich alle möglichen Arbeiten im Hause verrichten, denn auch sie arbeitete aushilfsweise in einer Bäckerei. Ich war eben der flinkste von uns Buben. Trotzdem blieb noch Zeit, um mit dem Zelt und dem Töffli meine kleine Welt zu entdecken. Zeichnen, das macht mir auch grosse Freude. Mein Vater arbeitete viel, gab sein Bestes und wurde überall dafür respektiert. Für die Belange der Arbeiter setzte er sich ein, war in der Gewerkschaft. Das Wochenende war dann für die Kinder reserviert. Ausflüge in die Natur liebte ich ganz besonders. Da wurden dann auch Gedanken ausgetauscht. Unser erster Urlaub im Ausland war natürlich ein ganz besonderes Erlebnis – Italien, der Süden, Sonne und Meer. Die Mutter begleitete uns selten, fand das alles unnütz. Schade eigentlich.»
«Nach Oerlikon zur ABB ging ich in die Lehre. Elektromechaniker, das war mein Traumberuf. Weitergebildet habe ich mich und bald wurde ich in der ganzen Schweiz auf Montage geschickt. Einmal durfte ich sogar nach Spanien. Kollegen hatte ich viele, denn ich hatte immer gute Ideen und das fanden sie natürlich toll.» «Da sass ich mit einem Kumpel in einem Restaurant. Zwei junge Frauen kamen herein und wollten das Lokal wieder verlassen, weil die Preise zu teuer waren. Diese Gelegenheit liessen wir uns natürlich nicht entgehen und luden die beiden ein. Daraus entstand eine Freundschaft und einige Jahre später heirateten wir. Das war ein Glücksfall – schon zwanzig Jahre gehören wir nun zusammen. Ich spürte bald, dass diese Herzlichkeit, diese offene und liebevolle Art genau das ist, was ich schon immer gesucht hatte.» «Natürlich gibt es auch bei uns Meinungsverschiedenheiten. Oft ärgere ich mich, dass die Sachen nicht immer an ihrem Platz sind. Wenn ich bedenke, dass bei uns zu Hause alles immer millimetergenau ausgerichtet in den Schränken versorgt wurde. Doch dann lachen wir darüber und alles ist wieder gut.» «Eine unserer Töchter ist taub. Zuerst war das ein Schock für uns. Wie wird sie das Leben meistern? Wie wird sie sich zurechtfinden? Ich musste vermehrt körperliche Nähe zulassen. Umarmungen, Chüssli, das war nicht einfach, war eine grosse Herausforderung für mich. Aber schön ist es! Ich wechselte den Arbeitsplatz, fand eine tolle Stelle hier in der Stadt, denn ich wollte doch bei meinen Kindern sein, wollte an ihrem Leben, ihren kleinen und grossen Sorgen teilhaben. Ich bin ein glücklicher Vater – vier Kinder wurden uns geschenkt. Zwischen achtzehn und zehn Jahre alt. Drei Töchter und ein Sohn. Die jüngsten sind Zwillinge.» «Dann, vor einem Jahr, kurz nach dem grossen Stadtfest, verspürte ich einen Schmerz im Rücken. Nein, zum Doktor wollte ich nicht. Das geht schon wieder vorbei. Wenig später wurde ich notfallmässig ins Spital eingeliefert. Grauenvolle, grässliche Schmerzen. Untersuchungen, nachdenkliche Gesichter. Dann die Diagnose: Unheilbar, sechs Monate… Mein Zimmer teilte ich mit Schicksalsgenossen. Dreissig Jahre alt war er, mein Kollege, eine Tochter, sechs Monate alt. Wir erzählten uns Geschichten, weinten zusammen. Dann, eines Abends, wurde er aus dem Zimmer geführt, wenige Stunden später verstarb er.» «Warum gerade ich? Warum ich, ich bin doch erst 43 Jahre alt! Die Kinder, meine Frau, sie wissen ja gar nicht, was auf sie zukommt! Genug, genug.» «Alles ist verätzt. Ich kann nicht mehr essen. Ha, ich lebe noch – die sechs Monate sind schon längst abgelaufen. Für wie lange? Niemand weiss es. Tage, Wochen?»
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