Zum Jahresbericht 2009 - Onko Plus

«In Langnau am Albis bin ich aufgewachsen. Vierzehn Kinder
waren wir zu Hause. Meine Mutter war eigentlich meine Grossmutter.
Ja verrückt, aber dazu mehr später. Aus Stettin waren sie
während des Krieges in die Schweiz geflohen. Mein Grossvater
war ja Schweizer. Dort, in der Ferne, besassen und verwalteten sie
ein riesiges Landgut. Dann, in der neuen Heimat, die Arbeit in der
Spinnerei, der soziale Abstieg, die Schmach, der Neuanfang ohne
Hoffnung. Der Kampf ums Überleben, unerbittlich, hart. Drei in
einem Bett – drei Betten in einem Zimmer. Oftmals mussten wir
sogar im Kerzenlicht den Landstreifen, den wir zwischen Fluss und
Bahnschiene zugewiesen bekamen, umpflügen, damit die Kartoffelschösslinge
gesetzt werden konnten. Grossvater starb früh. Diskutiert
wurde nicht viel, die Müdigkeit wog bleiern in den Gliedern,
nebelte uns ein, lähmte uns. Eine Ohrfeige war die Antwort auf
eine kleine Untat. In einem alten Riegelhaus wohnten wir. Früher
wurden hier die Pferde gewechselt auf der Reise in den Süden. Am
ersten Schultag musste jeder Schüler vor die Klasse treten, seinen
Namen und den seines Vaters und dessen Beruf mitteilen. «Äh, de
Richi isch es unehelichs Chind.» Ich schaute immer genau hin – bei
den Bauern, denen ich in der Freizeit helfen musste, auf den Ausflügen
in die Wälder. Ich wollte etwas leisten, wollte immer mein
Bestes geben. Den geraden, schnörkellosen Weg einschlagen. Nur
nie in die Spinnerei – das war mein erklärtes Ziel. Durch Leistung
verschaffte ich mir Respekt, gewann dadurch Freunde. Der Kleingeist,
die Missgunst, die unaufrichtige Freundlichkeit begleiteten,
irritierten mich, verwandelten mich zum stillen Rebellen.»