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Zum Jahresbericht 2009 - Onko Plus

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«Ein uneheliches Kind bin ich. Mein Vater war ein Lebenskünstler,<br />

Weltenbummler, Nichtsnutz – je nachdem, je nach Sichtweise.<br />

Einziges Kind eines Briefträgers aus Wädenswil. 1929, der Zürichsee<br />

war zugefroren und Fasnacht wurde gefeiert, überquerte er<br />

das Eis. In Stäfa traf er sie, meine Mutter, Textilarbeiterin aus dem<br />

Tessin. Dort geschah es, und wenig später wurde ich in Zürich<br />

geboren. In ein Heim für eben solche Kinder wurde ich gesteckt.<br />

Er war nicht da, kam und ging, mein Vater. Arbeitete auf fremden<br />

Bauernhöfen, mal da, mal dort. Bis nach Frankreich verschlug<br />

es ihn. Mit sechs Jahren nahm ich ihn erstmals bewusst wahr.<br />

Trotzdem, wir liebten uns. Eher wie ein guter Onkel als wie ein<br />

Vater. Ich schwänzte die Schule, um meinen Erzeuger am Bahnhof<br />

in die Arme zu schliessen – das waren Glücksmomente! Ach,<br />

wo war ich stehen geblieben? Richtig, im Säuglingsheim blieb ich<br />

nur für kurze Zeit, denn mein Grossvater kam, sah und entschied,<br />

dieses Buebli mitzunehmen. So wuchs ich also bei meinen Grosseltern<br />

auf. Ich hatte eine schöne Jugend – ja, das kann ich ruhig<br />

sagen. Schon sehr früh lebte ich mein eigenes Leben. Bewegte<br />

mich in meiner Welt. Schwierig, rebellisch sei ich gewesen. Die<br />

Grossmutter stammte aus dem Muotathal, aus der Innerschweiz,<br />

katholisch. Das war zu dieser Zeit viel zu viel für Wädenswil. Ihr<br />

Ehemann hatte klare Vorstellungen von Gut und Böse. Immer geradeaus,<br />

ja nie links und rechts hinschauen. Stur, ein Dickschädel<br />

eben. Am Zahltag wurden die guten Vorsätze ignoriert. Betrunken<br />

kam er nach Hause, schrie und tobte. Ein Monatsendtrinker<br />

eben. Ich grenzte mich ab, schlich mich des Nachts aus den gemeinsamen<br />

vier Wänden und entdeckte meinen eigenen Kosmos.<br />

Die Mitschüler hänselten mich. Unehelich, pätsch. Ich wehrte<br />

mich, natürlich, das liess ich mir nicht gefallen. Mein guter Ruf litt<br />

darunter. Da war es verständlich, dass ich plötzlich in einem Heim<br />

landete. Im Albisbrunn.»<br />

Was soll aus diesem Jungen werden? Schreiner, Mechaniker, Gärtner?<br />

«In der Gärtnerei versuchte ich mein Glück. Als ich dann<br />

über Weihnachten nur kurz nach Hause durfte, wurde es mir dort<br />

zu bunt. Ich verschwand. In die Westschweiz. Dort hatte ich Verwandte.<br />

Das war für mich eine andere Welt. Toll fand ich das. Ich<br />

kehrte zurück ins Heim. Aber schon bald ging meine Reise weiter.<br />

Nicht nach Wädenswil, nein, nach Zürich zu meiner leiblichen<br />

Mutter, die nun Meier hiess. Zu meinem Halbbruder. Ich hatte ja<br />

noch zwei im Tessin, komisch, finden Sie nicht auch? Der Meier<br />

sah mich und entschied, dass ich bei ihnen bleiben soll. Meier<br />

Transporte & Kohle. War ein aufrichtiger Mann. Bodenständig.<br />

Da gab es keine emotionalen Zusatzschlaufen. Bei uns wurde viel<br />

gesungen, gelacht. Die Familienmitglieder aus der Sonnenstube<br />

reisten an, versprühten ihre Lebensfreude. Das waren glanzvolle<br />

Zeiten. Nein, oh Gott, Vereinsmitglied war ich nie. Eher Einzelgänger.<br />

Über einen Sieg des FCZ freute ich mich. Eine Niederlage<br />

nahm ich gelassen hin. Meier schuftete, war da für die Familie,<br />

konnte sich aber auch handgreiflich durchsetzen. Dann, wenn er<br />

sich ungerecht behandelt fühlte. Ein Polizist am Bellevue musste<br />

das einmal schmerzlich erfahren.»<br />

«Maurer habe ich dann gelernt. Das gefiel mir, machte mir Spass.<br />

Eine kaufmännische Ausbildung, das Technikum habe ich anschliessend<br />

noch besucht und abgeschlossen. Dort, in der vorderen<br />

Reihe entdeckte ich sie, die hübsche, etwas schüchterne<br />

Frau. Wir haben geheiratet. Viel Arbeit wartete auf uns. Zuerst ein<br />

eigenes Geschäft, Baustellen, Hektik, das irre Auf und Ab. Jahre<br />

später, Bauführer, dann Angestellter. Die Zeit verging. Gute, schöne<br />

Augenblicke, mit einer grossartigen Frau an meiner Seite.»<br />

«Drei Monate lag ich im Bett. In einem Spitalbett in Männedorf.<br />

Plötzlich, unverhofft, von der Überholspur auf die Kriechspur, vom<br />

fünften in den zweiten Gang schalten. Vom Akteur zum Zuschauer.<br />

Schwierig, eine neue Aufgabe. Doch was will ich? So ist das<br />

Leben. Eine permanente Herausforderung. Ich habe sie angenommen.<br />

Plötzlich Zeit im Überfluss. Ruhe, Stille. Die drei Spatzen auf<br />

dem Fenstersims wurden meine Freunde. Zeigten mir, dass das<br />

Leben weitergeht. Auch für mich. Das ist gut so. Trotz meiner<br />

Krankheit entschieden wir uns, eine Reise in die USA zu unternehmen.<br />

Ein lang gehegter Traum ging in Erfüllung. Schön war<br />

es, unvergesslich, niemand kann uns das wegnehmen.»<br />

«In meiner Freizeit befasse ich mich mit Computern. Das gefällt<br />

mir. Teile zu kaufen und sie zusammenzusetzen. Ich war schon<br />

immer en Chlütteri, en Baschtler. Früher habe ich Motoren auseinandergenommen.<br />

Alle Bekannten kamen und baten mich um<br />

Hilfe. Ruhiger ist es geworden, stiller.»<br />

«Meine Zeit auf Erden ist wie eine Theateraufführung. Am Ende<br />

des letzten Aktes fällt der Vorhang. Ratsch, von oben nach unten.<br />

Ende. Einige im grossen Auditorium fanden die Vorstellung gut,<br />

klatschen, wieder andere schütteln den Kopf. So ist es, wird immer<br />

so bleiben!»

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