AutorIn werden ist nicht schwer Seite 14 - Verein ZKM
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F Ü R S I E G E L E S E N Z K M I N F O - 2 • 2 01 1 / 2 01 2 23<br />
Basisarbeit für zukünftige<br />
Naturwissenschafter<br />
Wie sich pensionierte Ingenieure in der Schule engagieren –<br />
und wie wenig Unterstützung ihnen dabei zuteil wird<br />
In der Schweiz gibt es zu wenige<br />
Techniker und Ingenieure. Experten<br />
und Regierung wälzen das<br />
Thema, doch Besserung verspricht in<br />
erster Linie ein Engagement an der<br />
Basis – zum Beispiel in Baden.<br />
Man würde annehmen, die Kinder<br />
hätten an ihrem freien Nachmittag anderes<br />
zu tun, als gleich wieder den Weg zur<br />
Schule unter die Füsse zu nehmen. In einem<br />
Badener Primarschulhaus aber treffen<br />
sich jeden Mittwoch eine Handvoll<br />
Kinder zwischen 8 und 11 Jahren zum<br />
Technik-Workshop. Es geht zur Sache:<br />
löten, schrauben, sägen, hämmern und<br />
zuletzt testen. Funktioniert die Roboter-<br />
Ente, das Segelflugzeug, das Morsegerät<br />
Gerade basteln die Kinder einen<br />
Propeller, dessen Motor von Solarenergie<br />
angetrieben <strong>werden</strong> soll, und sie<br />
hören aufmerksam zu, wenn von Becquerel,<br />
der Photovoltaik und Silicium<br />
die Rede <strong>ist</strong>. Als die Propeller zu drehen<br />
beginnen, scheinbar nur von Licht angetrieben,<br />
leuchten die Kinderaugen.<br />
Verdorbene Freude<br />
«Ich möchte die Kinder für die Technik<br />
bege<strong>ist</strong>ern», sagt Gerhard Schmidt,<br />
Initiator und Leiter des Workshops.<br />
Der pensionierte Ingenieur, zeitlebens<br />
bei der ABB angestellt, sorgt sich um<br />
die Innovationskraft einer Gesellschaft,<br />
der die technischen Fachkräfte fehlen<br />
und die mehr und mehr vom Dienstle<strong>ist</strong>ungssektor<br />
abhängig wird. Schmidt<br />
<strong>ist</strong> überzeugt, dass nur eine frühe Nachwuchsförderung<br />
Besserung bringt. Er<br />
und seine zwei Kollegen machen das<br />
<strong>nicht</strong> für Geld, es geht um die Sache.<br />
Hier geschieht, was Bildungsexperten<br />
fordern. Eine verfehlte Didaktik sei<br />
mit schuld am schwindenden Interesse<br />
der Jugendlichen an der Mathematik<br />
und den Naturwissenschaften, wurde<br />
jüngst an einer Tagung in Olten, die<br />
sich dem Fachkräftemangel in den sogenannten<br />
Mint-Fächern (Mathematik,<br />
Informatik, Naturwissenschaft, Technik)<br />
widmete, moniert. Schüler machten<br />
vielfach negative Erfahrungen mit<br />
den anspruchsvollen Fächern, hauptsächlich,<br />
weil die Abstraktion zu früh<br />
eingefordert wurde. Tatsache <strong>ist</strong>: In der<br />
schulischen Laufbahn wird das Abstraktionsvermögen<br />
sehr schnell zum alleinigen<br />
Selektionskriterium. Wer schlecht<br />
abstrahieren kann, fährt bald schlechte<br />
Noten ein und verliert die Freude an der<br />
Materie, obwohl die Freude an den Naturphänomenen<br />
durchaus da wäre.<br />
Die Freude am Experiment und das<br />
Interesse an der Beobachtung würden<br />
gründlich verdorben, meinen die Experten.<br />
Nicht so in Baden: Die Kinder lernen<br />
die physikalischen Grundgesetze auf<br />
einer einfachen Ebene kennen, ausgehend<br />
von beobachtbaren Phänomenen.<br />
Sie hören von spannenden Erfindern<br />
und von industriellen Anwendungen,<br />
die auch ihren Alltag bestimmen. Und<br />
sie üben sich in handwerklichen Fähigkeiten<br />
und Fertigkeiten.<br />
«Gefehlt hat bis jetzt noch kaum ein<br />
Kind», sagt Schmidt <strong>nicht</strong> ohne Stolz.<br />
Die Idee des Workshops hat er aus England<br />
importiert. Seit rund zehn Jahren<br />
wird dort das Projekt «Imagineering»<br />
mit einigem Erfolg betrieben. Heute<br />
<strong>werden</strong> an über 150 Schulen im ganzen<br />
Land Technik-Workshops durchgeführt,<br />
auf ehrenamtlicher Basis von Ingenieuren,<br />
Lehrern und Eltern. Zahlreiche<br />
industrielle Betriebe und staatliche<br />
Stellen unterstützen das Projekt.<br />
Kaum Echo<br />
Ob etwas Vergleichbares dereinst aus<br />
dem Workshop in Baden herauswächst,<br />
<strong>ist</strong> zumindest zweifelhaft. Die Zusammenarbeit<br />
mit der Schule und der<br />
Lehrerschaft sei sehr gut, sagt Schmidt<br />
erfreut. Doch darüber hinaus erfährt<br />
er praktisch keine Unterstützung. Nur<br />
schon die Suche nach pensionierten Ingenieuren,<br />
die sich als Tutoren betätigen<br />
könnten, <strong>ist</strong> schwierig. Pensioniertenvereine<br />
zeigten bisher wenig Interesse,<br />
die Idee zu unterstützen. Unternehmen,<br />
die Schmidt kontaktiert hat, reagierten<br />
gar <strong>nicht</strong> oder dann unterkühlt.<br />
Dabei geht es dem passionierten Ingenieur<br />
<strong>nicht</strong> in erster Linie darum, das<br />
Geld der Firmen anzuzapfen. Gefragt<br />
<strong>ist</strong> wenigstens die ideelle Unterstützung,<br />
zumal in einer Zeit, in der Regierung,<br />
Forschung und Unternehmen<br />
den Fachkräftemangel vielfach beklagen.<br />
Es geht um die Erschliessung von<br />
Beziehungsnetzen zur Gewinnung von<br />
Tutoren oder um die Bereitstellung von<br />
Infrastrukturen. Trotz dem geringen<br />
Echo bleibt es Schmidts Ziel, die Potenziale<br />
grosser Firmen zu nutzen, sie<br />
vielleicht gar zu einem Engagement zu<br />
bewegen, wie es in England zu sehen<br />
<strong>ist</strong>. Helfen würde bereits, wenn Industrieunternehmen<br />
ihre Türen öffneten.<br />
Denn, so schwärmt Schmidt, nur schon<br />
ein Besuch in einem Windkanal lässt die<br />
Kinderherzen höherschlagen. <br />
Aus: NZZ, 27. 12. 2011