Topics Geo Jahresrückblick Naturkatastrophen 2005
Topics Geo Jahresrückblick Naturkatastrophen 2005
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Münchener Rück, <strong>Topics</strong> <strong>Geo</strong> <strong>2005</strong><br />
Münchener Rück Stiftung – Vom Wissen zum Handeln<br />
Risikobewusstsein ist der Schlüssel<br />
Die Serie dramatischer Naturereignisse reißt nicht ab. Das Jahr <strong>2005</strong><br />
hat uns wiederum vor Augen geführt, dass derartige Katastrophen<br />
unvermeidbar sind. Voraussetzung dafür, dass Katastrophenvorsorge<br />
funktioniert, sind Investitionen in ein besseres Risikobewusstsein.<br />
Jahr für Jahr werden neue Rekorde verzeichnet. Die Fülle<br />
der Ereignisse, die auch dieses <strong>Topics</strong> <strong>Geo</strong> widerspiegelt,<br />
lässt beinahe in Vergessenheit geraten, dass der große<br />
Tsunami im Indischen Ozean, der über 200 000 Menschenleben<br />
kostete, erst gut 12 Monate zurückliegt.<br />
Keine Entwarnung<br />
Ein Blick zurück: Die Vereinten Nationen riefen die 1990er-<br />
Jahre zur „Internationalen Dekade zur Vorbeugung gegen<br />
<strong>Naturkatastrophen</strong>“ (IDNDR) aus, nachdem sich schon in<br />
den 1980er-Jahren besorgniserregende Trends abgezeichnet<br />
hatten. Später wurden zahlreiche nationale und internationale<br />
Initiativen gegründet (z. B. UN-ISDR), die sich<br />
bis heute dafür einsetzen, die Katastrophenvorsorge zu<br />
optimieren. Obwohl sich für die Katastrophenopfer in einigen<br />
Ländern positive Effekte zeigen, gibt es keinen Grund<br />
zur Entwarnung. In Bangladesch, das 1970 (300 000 Todesopfer)<br />
und 1991 (140 000 Todesopfer) von schweren Zyklonen<br />
und verheerenden Sturmfluten getroffen worden war,<br />
gelang es, ein Schutzprogramm aufzubauen, das die Opferzahlen<br />
deutlich reduziert. Heute können sich bedrohte<br />
Menschen in Schutzbauten flüchten – ein Warnsystem<br />
ruft rechtzeitig dazu auf.<br />
Dennoch sind in zahlreichen Ländern Jahr für Jahr unzählige<br />
Opfer von <strong>Naturkatastrophen</strong> zu beklagen. Das Erdbeben<br />
von Bam, Iran, mit 26 000 Toten, die Tsunamiwelle<br />
in Asien und das Erdbeben in Pakistan sind traurige Meilensteine.<br />
Und bereits heute weisen viele Faktoren darauf<br />
hin: Das Ausmaß von Katastrophen wird weltweit weiter<br />
zunehmen. Zu den Gründen zählen die Bevölkerungszunahme,<br />
die Konzentration von Menschen und Sachwerten<br />
aufgrund der Verstädterung, die Besiedlung und Industrialisierung<br />
exponierter Landstriche wie Küsten und<br />
Flussniederungen, die höhere Anfälligkeit moderner Gesellschaften<br />
und Technologien und – besonders risikoverschärfend<br />
– die Veränderung von Umweltbedingungen<br />
und der Klimawandel.<br />
Frühwarnung und die „letzte Meile“<br />
Im Januar <strong>2005</strong> fand im japanischen Kobe die zweite Weltkonferenz<br />
zur Katastrophenprävention (WCDR) nach 1995<br />
statt. Mehr als 3000 Delegierte aus 120 Ländern diskutierten,<br />
wie der Katastrophenschutz weltweit verbessert werden<br />
kann. Die Konferenz war geprägt von der Tsunamitragödie<br />
am Indischen Ozean.<br />
In den Diskussionen um ein verbessertes Frühwarnsystem<br />
in Kobe wurde der Ausdruck „letzte Meile“ geprägt. Im<br />
Mittelpunkt stand die Frage, wie ein technisch verbessertes<br />
Warnsystem – Satelliten, Messbojen, Meldeströme<br />
etc. – Menschen im Risiko besser erreichen kann: Man sei<br />
in der Lage, ein Frühwarnsystem zu entwickeln, das viele<br />
Minuten vor dem Eintreffen eines Tsunami warnen könne.<br />
Man müsse nur dafür sorgen, dass diese Meldungen bei<br />
den Menschen, dem Fischer auf Sri Lanka oder dem<br />
Touristen in Thailand, ankämen, so die Kernaussagen.<br />
Zweifellos sind effektive Frühwarnsysteme wichtig. Gleichzeitig<br />
liegt in der Debatte schon der erste Systemfehler:<br />
Muss Katastrophenvorsorge nicht bei den Menschen im<br />
Risiko und ihren unmittelbaren Bedürfnissen ansetzen<br />
Verstehen die Entscheider in den Geberländern wirklich<br />
gut genug, was ein Korbflechter in Vietnam oder ein Küstenfischer<br />
in Indonesien braucht Sollte der Schutzgedanke<br />
nicht von den regional sehr verschiedenen Bedürfnissen<br />
der Menschen ausgehen und daraus ein adäquates<br />
Schutzsystem entwickeln Ein System, das berücksichtigt,<br />
dass bedrohte Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen<br />
und mit mannigfaltigen Ausbildungen und Wünschen<br />
verschieden auf Naturgefahren reagieren. Wenn wir<br />
die Menschen als Menschen „auf der letzten Meile“ sehen,<br />
dann werden sich uns auf der ersten Meile weiterhin verheerende<br />
Bilder und Tragödien bieten.<br />
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