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Rawls - Wolfgang Melchior

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<strong>Wolfgang</strong> <strong>Melchior</strong>: John <strong>Rawls</strong>’ Theorie der Gerechtigkeit<br />

_______________________________________________________________________________________<br />

favorisierte. Es bleibt immer noch zu fragen, woraus sich diese Interpretation rechtfertigt oder mit<br />

anderen Worten: was macht die Regeln ungerecht<br />

Offensichtlich scheint es <strong>Rawls</strong> jedoch auf zwei Dinge anzukommen:<br />

(1) Teil-Ganzes-Relation: einige - nicht alle - Regeln einer Institution können ungerecht sein und<br />

trotzdem kann die Institution als ganze gerecht sein. Man mag sich dies etwa so vorstellen, daß ein<br />

Parlament zwar bestimmte ungerechte Regelungen festlegt, diese jedoch die Institution des<br />

Parlaments noch nicht ungerecht werden lassen. Die Schwierigkeit einer solchen Sichtweise liegt<br />

aber darin, daß man unter jeder geeigneten Definition des Ganzen einer Institution die<br />

Ungerechtigkeiten einzelner Regeln unter den Tisch fallen lassen kann. <strong>Rawls</strong> sagt weder etwas<br />

über die Form der Handlungstypen noch über die der Gruppen aus, die für Institutionen<br />

charakteristisch sind. 31 Institutionen scheinen für <strong>Rawls</strong> alles zu sein, wo Handeln „irgendwie<br />

regelgeleitet“ abläuft (deswegen auch von ihm justice as regularity genannt).<br />

(2) Kompensationstheorem: die Ungerechtigkeiten bestimmter Regeln (hier interpretiert als „in<br />

Widerspruch stehend mit den das soziale System als ganzes definierenden Prinzipien der<br />

Gerechtigkeit“) können sich gegenseitig und wohl auch langfristig gegenseitig aufheben. So kann<br />

es sein, daß bestimmte Regeln einer Institution eine bestimmte Gruppe bevorzugen, während andere<br />

Regeln sie benachteiligen. <strong>Rawls</strong> geht hier nicht ins Detail, jedoch ist er geneigt, eine Institution<br />

stets kontextabhängig (oder wenn man will: holistisch) zu sehen, d.h. die Regeln in Bezug auf das<br />

zu sehen, worin sie eingebettet sind. Das bewahrt ihn vor der eigentlich drängenden Frage der<br />

Vergleichbarkeit: wie können bestimmte Pflichten und Rechte, die Einzelregeln stipulieren,<br />

gegeneinander aufgewogen werden Reicht eine arithmetische Gleichheit bereits aus, also z.B.: drei<br />

Regeln verlangen von mir mehr Pflichten als sie von anderen abverlangen, während drei andere<br />

umgekehrt funktionieren <strong>Rawls</strong> vermeidet solche Vergleichsschemata aus Gründen, die später<br />

noch zu erläutern sein werden.<br />

Institutionen ungerecht, soziales System gerecht<br />

Dies kann eintreten,<br />

- entweder, wenn die Regeln der Institution nicht konsistent und unparteiisch angewendet<br />

werden, dies aber keine Folge der allgemeinsten Prinzipien der Gerechtigkeit darstellt<br />

- oder, wenn sich verschiedene ungerechte Institutionen gegenseitig kompensieren<br />

(Kompensationstheorem für Institutionen mit ähnlichen Fragen wie unter 1b)).<br />

31 Ein Ansatz, der das Verhältnis von sozialen Schemata (als Kern von Institutionen) und Handlungstypen zu<br />

klären versucht, ist bei Balzer (1994), Kap. 8 zu finden. Dort wird ein Handlungstyp sowie eine Gruppe durch den<br />

Begriff der Genidentität beschrieben (S. 128 ff).<br />

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