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Rawls - Wolfgang Melchior

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<strong>Wolfgang</strong> <strong>Melchior</strong>: John <strong>Rawls</strong>’ Theorie der Gerechtigkeit<br />

_______________________________________________________________________________________<br />

Hier scheint Searle zu behaupten, die Verpflichtung entstehe allein durch die aufrichtige Äußerung<br />

(und nicht durch ein moralisches Prinzip) und sie bestehe aus Akten, die allein durch die Bedeutung<br />

der verwendeten Wörter festgelegt sind. Dabei mogelt er sich über den Übergang von (1) auf (2)<br />

hinweg, der durch (1a) geleistet werden soll. Denn dieser ist es, der den Übergang von natürlichen<br />

Akten (Äußerung eines Satzes) zu institutionellen Fakten vollzieht, so Searle. Searle glaubt nun,<br />

daß<br />

- mit dem Versprechensakt eine Institution anerkannt wird, und dies den Übergang<br />

rechtfertige;<br />

- diese Anerkennung jedoch verschieden ist von der Anerkennung eines moralischen Prinzips,<br />

also etwa dem <strong>Rawls</strong>schen Treuegrundsatz.<br />

So würden (1a) und damit (2) nichts anderes behaupten als die Tatsache, daß mit einem<br />

gelungenen Sprechakt des Versprechens auch eine Institution anerkannt wird. Dies sei keine<br />

präskriptive Aussage, sondern lediglich eine neutrale Beschreibung dessen, was jeder weiß, der die<br />

Institution des Versprechens kennt: „Außerdem ist jeder, der das Wort in ernst gemeinter,<br />

aufrichtiger Weise verwendet, an dessen Verpflichtungen einschließende logische Folgen<br />

gebunden“ 62<br />

Searle nimmt damit an, daß für das Bestehen einer Verpflichtung die Anerkennung von logischen<br />

Folgen ausreiche und diese Folgen sich aus dem schieren Bestehen institutioneller Fakten ergeben<br />

würden. Der antinaturalistische Standpunkt von <strong>Rawls</strong> behauptet hingegen,<br />

1.) die Anerkennung von Institutionen im Sinne der Anerkennung der logischen Folgen reiche<br />

allein noch nicht hin zur Begründung einer Verpflichtung oder<br />

2.) diese institutionellen Fakten enthielten bereits implizit den Treuegrundsatz.<br />

Der entscheidende Einwand gegen Searles Sichtweise besteht dann darin, daß im Grunde<br />

genommen die Ableitung kein Sein aus einem Sollen wiedergibt, sondern nur bestimmte<br />

institutionelle Fakten beschreibt, die selbst schon Normen enthalten. Auch (5) ist als logische Folge<br />

von (4) dann nichts anderes als die Wiedergabe eines solchen Faktums, und <strong>Rawls</strong> könnte immer<br />

noch fragen, wo hier eine Verpflichtung besteht.<br />

Das Problem liegt, wie Mackie 63 bemerkt, in der Vermengung einer Innen- und einer Außensicht<br />

von Institutionen. Die Außensicht betrachtet die Institution als Abfolge von durch Regeln<br />

festgelegten Handlungen. Diese Regeln verlangen gewisse Handlungen und verbieten andere. Beim<br />

61 Ebd., S. 281.<br />

62 Ebd., S. 283.<br />

63 Vgl. dazu: Mackie (1977), Kap. 3.<br />

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