Glückauf - Windhoff Bahn
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HOLDING<br />
Neue ethische Werte schaffen<br />
GMH Holding · Regelmäßig treffen sich bis zu 200 Nachwuchskräfte, um<br />
in den Chefetagen das Denken zu verändern. Sie setzen auf Verantwortung<br />
und Glaubwürdigkeit. Hinter der Initiative steckt Stefanie Unger mit ihrer ganz<br />
speziellen Vorstellung von „Unternehmensethik“.<br />
Nachhaltigkeit<br />
Einklang von ökonomischen,<br />
ökologischen und sozialen<br />
Parametern<br />
Entwicklungschancen künftiger<br />
Generationen als<br />
unternehmerischer<br />
Handlungsmaßstab<br />
Ausgewogenheit zwischen<br />
Quartalsgewinnen und<br />
langfristiger Profi tabilität<br />
Verantwortung<br />
Bereitschaft oder<br />
Verpfl ichtung, für etwas<br />
einzutreten und die Folgen<br />
davon zu tragen<br />
Bereitwilligkeit, Eigennutz<br />
hinter das unternehmerische<br />
Gesamtinteresse zu stellen<br />
Integrität<br />
Aufrichtigkeit gegenüber sich selbst<br />
und anderen<br />
Konsistente Orientierung an geltenden<br />
Gesetzen, Normen und Regeln<br />
Leben nach Werten, Prinzipien und<br />
Selbstverpfl ichtungen<br />
Werteleitbild<br />
Mut<br />
Bereitschaft, Neues zuzulassen und<br />
anzunehmen<br />
Fehlerfreundlichkeit („trial & error“)<br />
Kraft zur Entscheidung und<br />
Veränderung<br />
Das „Leitbild“ der Wertekommission: eine Art Charta der Unternehmenswerte.<br />
„Jeder Manager sollte<br />
sich sozial engagieren“<br />
INTERVIEW<br />
glück auf: Klaffen Anspruch und<br />
Wirklichkeit nicht auseinander<br />
Stefanie Unger: Mir ist aufgefallen,<br />
dass auf Vorstandsetagen viel über<br />
Werte gesprochen wird und was für<br />
eine tolle Unternehmenskultur man<br />
doch pflegt. Aber dann höre ich von<br />
den Mitarbeitern oftmals, das wird<br />
doch in der Praxis bei uns gar nicht<br />
so gelebt, das findet hier im Unternehmensalltag<br />
so nicht statt. Das<br />
Stefanie Unger geht neue Wege.<br />
liegt sicher daran, dass die Vorstände<br />
letztlich ziemlich weit weg sind.<br />
Um diese Diskrepanz abzubauen, wollen wir die nachrückenden Führungskräfte<br />
für das Thema sensibilisieren. Bundesweit ist das eine Elite von zwei<br />
Millionen jüngerer Manager. Wenn wir sie für das Prinzip „Führen durch<br />
Werte“ gewinnen können, dann sind wir am Ziel.<br />
Das ist letztlich auch eine Frage der Personalpolitik.<br />
Stefanie Unger: Richtig. Wir können das Thema nur erfolgreich bewegen,<br />
wenn auch die richtigen Leute an die richtigen Stellen kommen, damit sie<br />
letztlich durch ihr persönliches Beispiel auch Einfluss nehmen können. Das<br />
ist in der Praxis manchmal etwas schwierig, weil diese werteorientierten<br />
Charaktere manchmal nicht durchsetzungsstark genug erscheinen, um<br />
auch Verantwortung wahrzunehmen. Hier müssen wir noch Überzeugungsarbeit<br />
leisten, um einen Stimmungs- und Einstellungswandel zu<br />
erreichen.<br />
Und was muss sich in der Ausbildung der jüngeren Manager ändern<br />
Stefanie Unger: Ich glaube, junge Führungskräfte nur auf schnellen<br />
Erfolg, auf Quartalszahlen und schnelle Rendite zu trimmen ist falsch. Es<br />
gibt viele Erfolgsfaktoren, die noch wichtiger als Geld sind. Zum Beispiel<br />
Motivation, Zuverlässigkeit, Glaubwürdigkeit. Außerdem fände ich es auch<br />
für die eigene Persönlichkeitsentwicklung wichtig, dass sich jede Führungskraft<br />
auch bei einem gesellschaftlichen, sozialen oder kulturellen Projekt<br />
engagiert.<br />
Vertrauen<br />
Sicherheitsvermittelndes Empfi nden<br />
einer einzelnen Person oder einer<br />
Gruppe gegenüber Anderen<br />
Subjektive Überzeugung der<br />
Richtigkeit bzw. Wahrheit von<br />
Handlungen und Einsichten<br />
Vermögen, Anderen Spielraum zu<br />
ermöglichen<br />
Respekt<br />
Gegenseitige Anerkennung und<br />
Wertschätzung der Persönlichkeit<br />
Achtung von Verhaltensweisen und<br />
Leistungen (z. B. Kollegen, Mitarbeiter)<br />
Verzicht auf Dominanz der eigenen<br />
Denkweise<br />
it einem drastischen Karri-<br />
fing alles an: Im<br />
Mereknick<br />
Frühjahr 2002 wurde die damals<br />
23-jährige Stefanie Unger zu einer<br />
überstürzten Sitzung ihres<br />
Arbeitgebers, der Unternehmensberatung<br />
Arthur Andersen, nach<br />
Los Angeles einbestellt. Sie ahnte<br />
schon, was passieren würde. Denn<br />
mit dem Bilanzskandal um den<br />
Energie-Riesen Enron war auch<br />
dessen Wirtschaftsprüfer Arthur<br />
Andersen in die Krise geraten.<br />
Die Firma war wegen Justizbehinderung<br />
schuldig gesprochen<br />
worden, weil sie zugeben musste,<br />
im Vorfeld der Untersuchungen<br />
über den Buchhaltungsbetrug<br />
fünf Tonnen Enron-Dokumente<br />
vernichtet zu haben. Schließlich<br />
war die renommierte Gesellschaft<br />
gezwungen, ihre Prüfungsberechtigung<br />
zurückzugeben. Auch für<br />
Stefanie Unger bedeutete dies das<br />
Ende aller Träume. „Mit einem<br />
Mal waren 80.000 Arbeitsplätze<br />
weg, meiner auch.“<br />
Fünfeinhalb Jahre lang hatte die<br />
Betriebswirtin bis dahin in Los Angeles<br />
gelebt, dort zunächst studiert,<br />
schließlich die große weite Wunderwelt<br />
der amerikanischen Wirtschaft<br />
als Juniorberaterin hautnah<br />
kennen gelernt. „Doch dieser Skandal<br />
mit seinen Folgen war wie ein<br />
Kulturschock für mich, den ich bis<br />
heute nicht vergessen habe“, sagt<br />
sie. Immer wieder fragte sie sich<br />
seitdem: Wie konnte es zu einer<br />
solchen Vertrauenskrise kommen,<br />
die einen Traditionskonzern in den<br />
Ruin trieb und Topmanager ins Gefängnis<br />
brachte<br />
Stefanie Unger selbst hatte<br />
Glück im Unglück. Ernst & Young<br />
fusionierte mit Arthur Andersen<br />
– und sie selbst konnte ihre berufliche<br />
Laufbahn als jüngste Großkundenberaterin<br />
des Unternehmens<br />
in Deutschland fortsetzen. Ihr<br />
persönliches Thema aber hatte sie<br />
mit ihren Erfahrungen in den USA<br />
gefunden: die Moral der Manager.<br />
„Das Vertrauen der Anleger an den<br />
internationalen Finanz- und Kapitalmärkten<br />
war stark angeschlagen,<br />
zunächst durch den Niedergang<br />
der New Economy, dann durch<br />
Bilanzskandale wie Enron oder<br />
WorldCom. Was kann dagegen getan<br />
werden Vertrauen ist in der Finanzwelt<br />
äußerst knapp geworden<br />
und hat demzufolge einen extrem<br />
hohen Wert. Es ist zu einer wichtigen<br />
Währung geworden. Aber es<br />
gibt keine internationale Notenbank,<br />
die sich um deren Stabilität<br />
kümmert.“<br />
Mit großer Energie ging sie deshalb<br />
in der Folgezeit daran, auch<br />
andere für ihr Anliegen zu interessieren.<br />
Es gelang ihr nach und<br />
nach, zahlreiche Prominente für<br />
ihre Mission zu gewinnen, Leute<br />
wie <strong>Bahn</strong>-Chef Hartmut Mehdorn,<br />
Ex-Wirtschaftsminister Otto Graf<br />
Lambsdorff oder den Frankfurter<br />
Wissenschaftler Theodor Baums.<br />
Aus schließlich 34 Interviews mit<br />
Top-Entscheidern entstand ihr erstes<br />
Buch „Vertrauen ist gut ...“. Eine<br />
Zustandsbeschreibung der deutschen<br />
Wirtschaft im Spannungsfeld<br />
von Profit, schnellen Entscheidungen,<br />
Vertrauen und Kontrolle.<br />
Die junge Frau hat bei diesem<br />
Buchvorhaben gelernt: „Kurzfristige<br />
Gewinnmaximierungsstrategien<br />
sind keine tragfähige Basis<br />
für langfristig erfolgreiches Unternehmertum;<br />
gerade langfristige<br />
Handelsbeziehungen sind ohne<br />
Vertrauen unmöglich. Die Wege,<br />
wie diese Ressource wieder zu einem<br />
Grundpfeiler der Gesellschaft<br />
wie der marktwirtschaftlichen Ordnung<br />
werden kann, sind jedoch<br />
sehr verschieden.“<br />
Normen für die Bosse<br />
Deshalb wagte Stefanie Unger einen<br />
weiteren Schritt: Anfang 2004<br />
gründete sie einen Gesprächskreis<br />
„Wertekommission – Initiative<br />
Werte Bewusste Führung e. V.“.<br />
Dort sammelte sie vor allem 25- bis<br />
45-jährige Fach- und Führungskräfte,<br />
„denn sie sind mit der Globalisierung<br />
aufgewachsen und sie sind<br />
es auch, die die Gesellschaft von<br />
morgen verantwortlich gestalten.<br />
Wir haben keinen Auftrag von außen,<br />
sondern wir haben uns selbst<br />
beauftragt, eine Antwort für unsere<br />
Generation zu geben.“ Und selbstbewusst<br />
setzt sie noch eins drauf:<br />
„Wir sind noch nicht abgebrüht<br />
glück auf · 1/2006 ........... 6<br />
genug, um nicht frustriert zu sein<br />
von täglich neuen Beispielen, wie<br />
im Management Werte wie Fairness,<br />
Ehrlichkeit und Verantwortung<br />
missachtet werden. Noch immer<br />
schlägt Quartalsorientierung<br />
die Nachhaltigkeit.“<br />
Inzwischen umfasst der „Ratgeberkreis“<br />
nahezu 200 Namen bundesweit,<br />
quer durch alle Branchen<br />
und Berufsfelder: Vorstände, Strategieköpfe,<br />
Controlling-Leiter; aus<br />
Dax-Unternehmen ebenso wie aus<br />
den wichtigsten mittelständischen<br />
Häusern.<br />
„Einmal im Monat habe ich ein<br />
Treffen arrangiert, dort haben wir<br />
manchmal bis Mitternacht diskutiert;<br />
dann habe ich bemerkt,<br />
welchen Schwung das Ganze auslöst<br />
und wie die Resonanz immer<br />
intensiver wurde“, erzählt sie. Als<br />
Impulsgeber wurden zudem Vorstände<br />
und Geschäftsführer eingeladen,<br />
sodass ein Dialog zwischen<br />
den Führungsgenerationen entstand.<br />
Inzwischen steckt sie ihre<br />
gesamte Freizeit in dieses Projekt,<br />
„weil es mich auch persönlich ungeheuer<br />
motiviert zu sehen, wie<br />
Leute mit mir gemeinsam für ihre<br />
Überzeugung kämpfen, für richtige<br />
Dinge geradezustehen. Das macht<br />
mir unheimlich viel Spaß.“<br />
Innerhalb des ersten Jahres ist<br />
es so gelungen, einen Wertekatalog<br />
für die Wirtschaft zu entwickeln,<br />
der sich als Kompass versteht, als<br />
eine Art Charta der Unternehmenswerte<br />
oder als Blue Print, der so in<br />
Unternehmen eingesetzt werden<br />
kann. Im Mittelpunkt dieses Werteleitbildes<br />
stehen Nachhaltigkeit,<br />
Integrität, Vertrauen, Verantwortung,<br />
Mut und Respekt.<br />
Damit will sich die Initiative<br />
in den kommenden Monaten verstärkt<br />
an die rund zwei Millionen<br />
Entscheider und Führungskräfte<br />
in der Bundesrepublik Deutschland<br />
wenden. Stefanie Unger: „Wir<br />
wollen denjenigen, die sich noch<br />
nicht sicher sind, wie sie führen<br />
und entscheiden sollen, klar<br />
machen, dass der Ehrliche und<br />
der Integre nicht der Dumme ist.<br />
Dass Manager nicht Heuschrecken<br />
sein müssen. Und dass man profitiert,<br />
wenn man als Führungskraft<br />
Werte lebt.“ Die heute 27-jährige<br />
Stefanie Unger präsentiert zusammen<br />
mit ihren Vorstandskollegen<br />
das Ergebnis der bisherigen Debatten<br />
in ihrem neuen Buch über die<br />
Unternehmenswerte von morgen<br />
(s. Buchtipp).<br />
Mut, Respekt, Integrität<br />
Im Mittelpunkt stehen dabei die<br />
Fragen: Welche Werte erwartet die<br />
jetzt aufrückende Generation der<br />
Fach- und Führungskräfte von ihrem<br />
Unternehmen Und welche<br />
Anforderungen stellen Unternehmen<br />
an das Werte-Set ihrer zukünftigen<br />
Führungskräfte Dabei geht<br />
es immer auch um die Vermittlung<br />
zwischen persönlichen und beruflichen<br />
Einstellungen und den Anforderungen<br />
der globalen Wirtschaft.<br />
In der nächsten Phase geht es<br />
anschließend darum, „Partnerschaften“<br />
zu begründen. Stefanie<br />
Der glück auf-Buchtipp<br />
„Die inneren Werte eines jeden Einzelnen<br />
zählen. So wichtig Bilanzen,<br />
geschäftliche Erfolge und Karriereschritte<br />
sind, wer ernsthaft und<br />
ehrlich über Werte redet, redet nur<br />
in zweiter Linie über unternehmerischen<br />
oder persönlichen Gewinn.<br />
Denn Werte sind die konstitutiven<br />
Elemente der Kultur, geben Halt und<br />
werden bewusst an den Maßstäben<br />
eines Sozialsystems gemessen und<br />
empfunden.“<br />
PROF. SUSANNE PORSCHE<br />
Unternehmerin und Vorstandsmitglied<br />
im Förderverein der EAF<br />
(Europäische Akademie für Frauen in<br />
Politik und Wirtschaft)<br />
„Verantwortungsvoll handelnde<br />
Unternehmen zeigen sich nicht nur<br />
nach außen hin von ihrer guten<br />
Seite, sondern sie sind auch nach<br />
innen gut.<br />
“<br />
DR. AREND OETKER<br />
Unternehmer<br />
„Werte werden nur dann Teil einer<br />
Unternehmenskultur oder auch<br />
Teil einer Gesellschaft, wenn sie in<br />
Führungsetagen vorgelebt werden.<br />
Man kann nicht ,Wasser predigen‘,<br />
danach ,Wein trinken‘ und sich hinterher<br />
wundern, wenn beschlossene<br />
Veränderungen im Tagesgeschäft<br />
nicht umgesetzt werden. Menschen<br />
brauchen Führung und Vorbilder, an<br />
denen sie sich orientieren können.<br />
Das bedeutet aber auch, dass man<br />
sich daran messen lassen muss.<br />
“<br />
RUPERT STADLER<br />
Vorstand Finanz und Organisation der<br />
AUDI AG<br />
Unger will Firmen rekrutieren, die<br />
im Bereich der Wertekultur bereits<br />
eigene positive Erfahrungen gesammelt<br />
haben und bereit sind,<br />
dieses Wissen an andere Betriebe<br />
weiterzugeben oder bei sich im Unternehmen<br />
zu dem Thema etwas<br />
zu tun. Immerhin gaben im letzten<br />
Manager-Panel des Instituts für<br />
Demoskopie Allensbach 90 Prozent<br />
aller Führungskräfte an, es sei notwendig,<br />
unternehmerische wie politische<br />
Entscheidungen mit Werten<br />
zu begründen.<br />
Für Stefanie Unger sind „Werte“<br />
und „Wertschöpfung“ längst zwei<br />
Seiten einer Medaille. Dass sich wertorientiertes<br />
Denken und Handeln<br />
einerseits sowie Erfolg und Karriere<br />
andererseits nicht ausschließen,<br />
dafür liefert sie selbst ein gutes<br />
Beispiel: Inzwischen hat sie sich in<br />
jenen Rankings positioniert, in denen<br />
junge Führungskräfte notiert<br />
werden, auf die man in den nächsten<br />
Jahren achten muss. Und Stefanie<br />
Unger ist selbstbewusst genug,<br />
nicht zu leugnen, dass es zwischen<br />
ihrem Job und ihrem persönlichen<br />
Engagement immer wieder auch zu<br />
Konflikten kommen kann. „Zoff<br />
gibt es immer wieder mal und<br />
überall. Damit habe ich gar kein<br />
Problem. Es kommt aber darauf an,<br />
wie man damit vernünftig umgeht.<br />
Das ist es letztlich, was die Kultur<br />
eines Unternehmens prägt.“<br />
ikw<br />
Stefanie Unger/Kai Hattendorf/<br />
Sven H. Korndörffer:<br />
Was uns wichtig ist. Eine neue<br />
Führungsgeneration definiert die<br />
Unternehmenswerte von morgen.<br />
Verlag Wiley, Weinheim 2005. 267 Seiten,<br />
29,90 EUR.