Stamford Hill. Die Welt der ultra-orthodoxen Juden von ... - WDR 5

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DOK 5 – Das Feature: 20./21.10.2013 Stamford Hill Die Welt der ultra-orthodoxen Juden von Nord-London Autor David soll ich den Aussteiger nennen. Ich will wissen, wie er es trotzdem geschafft hat, Stamford Hill zu verlassen. Er bittet mich, das Aufnahmegerät abzuschalten. Er hat Angst, durch Details seine Identität preiszugeben. Als er mit 17 aus Stamford Hill weglief, hatte er nichts. Seine Eltern ließen ihn mit Privatdetektiven suchen. Zur Polizei wollten sie nicht gehen. David wendete sich an das Sozialamt, erhielt Hilfe, konnte die Schule besuchen, studieren. Heute ist er ein erfolgreicher und angesehener Wirtschaftswissenschaftler. David hat explizit die Lage von jungen Männern in Stamford Hill skizziert. Wie aber steht es mit jungen Frauen dort O-Ton David Girls in this community have an interesting position … the education stops at 18. Sprecher 1 Junge Frauen haben in dieser Gemeinschaft eine interessante Position, anders als das, was man erwarten würde, auch wenn sie im Vergleich zu Männern schlechter gestellt sind. Sie genießen besseren Unterricht, sprechen Englisch, gehen bis 16 oder 18 zur Schule. Aber die Bildung, die sie erhalten, wird nicht genutzt. Sie werden früh verheiratet, haben viele Kinder und arbeiten, wenn überhaupt, innerhalb der Gemeinschaft in schlecht bezahlten Jobs als Sekretärinnen, in Kindergärten oder Schulen. Mit 18 ist ihre Ausbildung zuende. Autor In Davids Augen dient die bessere Bildung der Frauen einfach dazu, sie bis zur Hochzeit beschäftigt zu halten. Früher gab es überhaupt keine Schulen für Mädchen bei den Haredim, den strenggläubigen ‚ Gottesfürchtigen‘. Die Mädchen hätten sich herumgetrieben. O-Ton David Boy education is completely focused on religious scripture … all sorts of issues between them. Sprecher 1 Die Ausbildung der Jungen ist ganz auf das Studium religiöser Texte beschränkt. Den Mädchen ist das nicht erlaubt, oder nur in ganz beschränktem Maße. Mädchen und Jungen dürfen auch nicht miteinander umgehen. Sie werden völlig separat erzogen. Die Sorge ist, dass sich sonst alle möglichen Probleme ergeben. Autor Die Beschwernisse, die der ultra-orthodoxe Lebensstil mit sich bringt, sind Legende. Von der Kleidung bis zum Essen, vom Aufstehen bis zum Schlafengehen, alles ist bis ins Kleinste geregelt. Die Juden von Stamford Hill haben sich bewusst abgesondert, von der modernen Welt, der nicht-jüdischen Umgebung und von der Mehrheit der 200.000 Juden in London. Die chassidischen Sekten, die hier wohnen, sind im späten 18. Jahrhundert in Osteuropa entstanden. Wie schaffen sie es überhaupt, ihre Lebensweise ins 21. Jahrhundert hinüber zu retten © Westdeutscher Rundfunk Köln 2013 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht ) werden.. 2
DOK 5 – Das Feature: 20./21.10.2013 Stamford Hill Die Welt der ultra-orthodoxen Juden von Nord-London O-Ton David Very, very interesting question … they fear it. Sprecher 1 Eine sehr interessante Frage. Denn alles spricht dagegen. Ich glaube, dass es hauptsächlich einen Grund hat: Es ist sehr schwer, die Gemeinschaft zu verlassen. Wenn du in diese Gemeinschaft hineingeboren bist, bist du praktisch gefangen. Es herrscht auch große Angst vor der Außenwelt, vor den Goyim, wie man dort sagt. Dafür gibt es zum Teil Ursachen. Stamford Hill liegt im Stadtbezirk Hackney, einer der ärmsten Gegenden des Landes mit hoher Kriminalität. Dem entsprechend wird die Außenwelt wahrgenommen, gerade unter Jugendlichen, die noch nichts von der Außenwelt wissen. Sie haben Angst vor ihr. Autor David hat offiziell seinen Namen ändern lassen. Warum hat er solche Angst, dass er erkannt werden könnte Er will seiner Familie, die noch in Stamford Hill wohnt, nicht schaden, sagt er. Jeder kenne jeden, und jeder stehe unter Beobachtung. O-Ton David You don’t always know who is going to report you … say something about it. Sprecher 1 Du weißt nie, wer Dich verraten wird. In gewisser Weise ist es wie in Sowjetrussland. Da gab es auch Leute, die das System ablehnten und sich über Verbote hinwegsetzten. Die wussten auch nicht, welcher Nachbar sie denunzieren würde. O-Ton David People in the community are often very scared … exposure to the outside world. Sprecher 1 Leute haben oft Angst, erwischt zu werden an Orten, an denen sie nicht sein dürfen, in einem Nachtclub, einem Internetcafé oder einfach an Orten, an denen sie sich zu viel mit der Außenwelt einlassen könnten. Autor Aber ist die Angst erwischt zu werden wirklich realistisch in einer Stadt mit 8 Millionen Einwohnern Und was wären die Folgen O-Ton David They would have to be a bit scared … deal in their own way. Sprecher 1 Es gibt schon Gründe für die Angst. Sollten sie erwischt werden, werden die Rabbiner oder andere benachrichtigt und dann folgen Drohungen. Seit Neuestem gibt es auch ein „Komitee für die Reinheit unserer Gemeinschaft“. Das ist eine Telefonnummer, unter der jemand anonym denunziert werden kann, jemand, der an verbotenen Orten gesehen wurde, oder eine Frau, die nicht keusch genug gekleidet ist. Und dann werden Rabbiner oder führende Persönlichkeiten in der Gemeinschaft sich um diese Leute kümmern. © Westdeutscher Rundfunk Köln 2013 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht ) werden.. 3
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