Der Nebel und seine Entstehung Prof. Dr. Hans Häckel, Weihenstephan
Der November gilt von Alters her als der nebelreichste Monat. „Nebelmond" oder „Nebelung" hat man ihn deshalb früher genannt. Dabei tut man dem November ganz und gar unrecht. Blättert man die Aufzeichnungen der Wetterstationen in Deutschland durch, so wird man feststellen, dass nicht der November, sondern der „Goldene Oktober“ die meisten Nebeltage <strong>auf</strong>weist. Allerdings sind die Oktobernebel normalerweise längst nicht so zäh und ausdauernd wie die oft tage- oder sogar wochenlang anhaltenden Nebel im November. Und eine andere Ursache haben die Novembernebel in den meisten Fällen auch. Nebelbildung Die Luft enthält immer eine mehr oder weniger große Menge an Wasserdampf – auch wenn sich der Himmel wolkenlos und strahlend dunkelblau über uns wölbt. Das kann man mit einem kleinen Experiment schnell beweisen: Gießen Sie eine Flasche Bier – frisch aus dem Kühlschrank – in ein Glas. Noch beim Einschenken können Sie beobachten, wie das Glas rundum beschlägt (bei sehr trockener Luft oder in einem geheizten Raum kann der Versuch allerdings misslingen!). Das kalte Bier hat das Glas und das wiederum die an ihm vorbei streichende Luft abgekühlt. Der Wasserdampf kondensiert. Verantwortlich ist die Physik, wonach kalte Luft weniger Wasserdampf mit sich führen kann als warme. Die Konsequenz: Wird wasserdampfhaltige Luft immer weiter abgekühlt, erreicht man irgendwann die Temperatur, unterhalb derer sich die Luft eines Teils des in ihr enthaltenen Wasserdampfes entledigen muss. Das erreicht sie, indem sie ihn in Form von winzigen Tröpfchen ausscheidet. Man braucht also Luft nur tief genug abzukühlen, um eine Kondensation des Wasserdampfes zu erzwingen. Die Temperatur, ab der Wasserdampf zu kondensieren beginnt, heißt „Taupunktstemperatur" oder kurz „Taupunkt", da mit ihr die Taubildung einsetzt. In der Natur kühlen sich nachts insbesondere die Pflanzenoberflächen sehr stark ab, so dass sie bis zum Morgen oft mit Tau bedeckt sind. Enthält die Luft sehr viel Wasserdampf und/oder dauert die nächtliche Abkühlung sehr lang an, wie das besonders in den Spätherbstmonaten der Fall ist, dann bleiben viele der entstehenden Tröpfchen in der Luft schweben und verringern die Sichtweite. Zunächst spricht man lediglich von „Dunst“, bei einer Sichtweite unter 1.000 Metern dann von „Nebel“. In der Natur gibt es viele Vorgänge, die zur Abkühlung der Luft unter den Taupunkt und damit zur Nebelbildung führen. Zunächst ist dabei an die ganz normale nächtliche Abkühlung zu denken. Sie beginnt am Erdboden und setzt sich mit fortschreitender Nacht in die Höhe fort. Deshalb bilden sich in vielen Fällen zunächst flache Nebelbänke, die während der Nacht höher und höher werden und gegen Sonnen<strong>auf</strong>gang ihre größte Mächtigkeit erreichen. Normalerweise reichen sie kaum höher als einige hundert Meter. Ist die Luft nur mäßig feucht, dann entstehen flache Nebelbänke, die kaum über die Höhe von Sträuchern und Bäumen hinauswachsen. Und darüber spannt sich der klare, blaue Himmel. Im Licht der Morgensonne können solche flache Nebelschichten in prächtigem Gold und Rot erstrahlen. Wenn vorhin gesagt wurde, dass Nebel besonders dann entsteht, wenn die Luftfeuchtigkeit hoch ist oder die nächtliche Abkühlung besonders lang dauert, müsste man eigentlich erwarten, dass die meisten Nebel im Winter um die Zeit der Sonnenwende (21. Dezember) <strong>auf</strong>treten, wenn die Flache Wiesennebel in einer Auenlandschaft. Nächte am längsten sind. Das ist überraschenderweise nicht der Fall. Vielmehr ist um diese Jahreszeit die Luft schon so weit abgekühlt, dass sie kaum noch Wasserdampf enthält, der zu Nebel führen könnte. Damit ergibt sich zwangsläufig, dass nicht der Winter, sondern der Spätherbst die besten Voraussetzungen für die Entstehung von Nebel bietet: Einerseits ist die Luft vom Sommer her noch warm genug, um entsprechend viel Wasserdampf mit sich zu führen, andererseits sind die Nächte schon lang genug, um die erforderliche Abkühlung zu ermöglichen. Moor- und Wiesennebel Moore sind bekannt für ihren Nebelreichtum. Der Grund dafür ist aber nicht etwa der nasse Boden – die tagsüber mit Wasserdampf angereicherte Luft hat der Wind bis zum Abend längst fort geblasen und durch trockenere Luft aus der Umgebung ersetzt. Ausschlaggebend ist, dass Moorböden aus bodenphysikalischen Gründen nachts besonders kalt werden und deshalb die Temperaturen häufig unter den Taupunkt sinken. Auch über Wiesen bilden sich oft zähe Nebel aus. Sie verdanken ihre Entstehung dem dichten Wurzelgestrüpp des Grases, das – ähnlich wie der lockere, torfige Moorboden – nachts besonders kalt wird. Auch alle Stellen im Gelände, an denen 2/05 KURIER 27