156 IV.1. Beobachtungsprotokoll zum Interview 2: Petra Wiesow Tag ...
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So arbeitet sie zehn Jahre als Angestellte im öffentlichen Dienst. Aber statt mit<br />
ihren Wunschgruppen, Kindern zwischen 6 und 10 Jahren oder Erwachsenen,<br />
sind es die 14-18 jährigen Jugendlichen, die ihr das Leben während ihrer ersten<br />
Berufstätigkeit erschweren. Heute kann sie sich nicht mehr vorstellen, erneut im<br />
öffentlichen Dienst zu arbeiten; als zu „dogmatisch“, mit zu vielen festen<br />
Vorgaben und mit zu wenig Freiraum ausgestattet lehnt sie diesen Bereich ab.<br />
In der Rückblende stellt sie ihr damaliges angepasstes, diszipliniertes<br />
Verhalten, deren Akzeptanz ihr offenbar Schwierigkeiten bereitet, gekoppelt mit<br />
den vergangenen gesellschaftlichen Umständen als verantwortlich für ihre<br />
Unzufriedenheit in dieser Zeit dar.<br />
Obwohl sie in vorhergehenden <strong>Interview</strong>passagen fehlende intellektuelle<br />
Fähigkeiten zur Beendigung der EOS und POS und das nicht erreichte Abitur<br />
anführt, Faktoren, die einen regulären Hochschulzugang ausschließen,<br />
versucht sie, sich den beruflichen Schwierigkeiten dadurch zu entziehen, dass<br />
sie einen Antrag auf Zulassung <strong>zum</strong> Studium stellt, der jedoch am Widerstand<br />
ihrer Vorgesetzten scheitert. Ihre Reaktion auf die Ablehnung ihres<br />
Studienwunsches ist ein Entlassungsgesuch aus ihrer Arbeitseinheit und damit<br />
aus dem pädagogischen Bereich, wohl wissend, dass sie in der damaligen DDR<br />
nur schwer eine neue Anstellung finden wird.<br />
Bis sie auf Vermittlung von Freunden für fünf Jahre eine Stelle als Aushilfskraft<br />
in einer Bibliothek erhält, lebt sie von den Erlösen aus dem teilweisen Verkauf<br />
ihrer Möbel. Das vermehrte Zeitkontingent auf ihrer neuer Arbeitsstelle wird<br />
genutzt, um sich von dem anstrengenden Vorjob zu erholen. Auch am neuen<br />
Arbeitsplatz dauert es nicht lange, bis die alte Unzufriedenheit mit der<br />
beruflichen Situation, aber auch mit den sonstigen Lebensumständen erneut zu<br />
<strong>Tag</strong>e tritt. Sie beschließt, einen Ausreiseantrag in die BRD zu stellen, um<br />
zahlreichen Freunden und Bekannten zu folgen Beinahe zeitgleich bewirbt sie<br />
sich um eine Fortbildung, deren Teilnahme ihr verweigert wird.<br />
Bis zur Stellung dieses Ausreiseantrages lässt sich eine zwar nicht vollständig<br />
erwünschte, aber eindeutig fremdinitiierte, stringente Ausbildungs- und<br />
Berufslaufbahn aufzeigen. Trotz ihres Engagements in der staatlichen