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156 IV.1. Beobachtungsprotokoll zum Interview 2: Petra Wiesow Tag ...

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Ausdruck herkunftsbedingter, anerzogener Charakterschwäche und nicht als<br />

gendertypisches Verhalten gesehen 30 .<br />

Wenn <strong>Petra</strong> W. doch einmal einen Familienbesuch bei den Quasi-<br />

Schwiegereltern abstattet, ist sie im Nachhinein völlig erledigt, denn so edel,<br />

behauptet sie, kann niemand sein. Außerdem fühlt sie sich dabei jeweils<br />

verpflichtet, auf ein verändertes Rollenverhalten des Partners und des<br />

Schwiegervaters hinzuwirken, beide durch permanente, verbale Aufforderungen<br />

z. B. <strong>zum</strong> Tischabdecken und Abwaschen umzuerziehen. Am Ende dieser<br />

Schilderung steht die Konklusion, dass sie zwar zu den Menschen gehöre, die<br />

nicht in derartiger Harmonie leben, dafür jedoch in der Lage sind, Wünsche und<br />

Gegensätze verbal auszudrücken. Sie impliziert den Eindruck, die<br />

Herkunftsfamilie des Mannes lebe gezwungenermaßen, bedingt durch deren<br />

Unvermögen zu verbaler Ausdrucksfähigkeit und zu Kritik, in Harmonie und sei<br />

nicht in der Lage, ihr nicht mehr zeitgemäßes Leben, ihre Abweichungen vom<br />

Normalen – wie <strong>Petra</strong> W. es zu sehen glaubt - wahrzunehmen und dies<br />

anschließend zu korrigieren.<br />

Die wiederholte Hervorhebung der eigenen Stärken im <strong>Interview</strong> legt die<br />

Vermutung nahe, dass es nicht <strong>Petra</strong> W´s Intention ist, die Herkunftsfamilie des<br />

Partners zu charakterisieren, sondern als Randtextur misslungene<br />

Aushandlungs- bzw. Zuweisungsprozesse der Partner untereinander, oder<br />

zementierte, unausgesprochene Positionierungen beider, initiiert durch <strong>Petra</strong><br />

W. ins Spiel zu bringen. Die größtmögliche Differenz zeichnet sich zwischen der<br />

Arbeitslosigkeit <strong>Petra</strong> W´s und der engagierten Berufstätigkeit des Partners ab,<br />

die unter den Partnern nicht konkret thematisiert, sondern ausgespart wird.<br />

Stattdessen findet ihr Kampf auf immer denselben Nebenschauplätzen<br />

alltäglicher Routine statt. Besonders durchsichtig wird diese Verlagerung des<br />

Kriegsschauplatzes wenn der Partner ins Visier gerät.<br />

30 Nach Tannen neigen Männer eher dazu, Entscheidungen alleine zu fällen, Frauen hingegen<br />

wünschen verbale Verhandlungen auch über Kleinigkeiten.<br />

Tannen, Deborah ([1990] 1991): a. a. O. 23.

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