Wirtschaftsbericht 2012 - Landesregierung Nordrhein-Westfalen
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31<br />
4. Energiewende unter Wahrung der Versorgungssicherheit<br />
Sicherheit der Stromversorgung unter Berücksichtigung<br />
des sukzessiven Entfalls von nuklearer<br />
Erzeugungsleistung<br />
Aktuell sind in Deutschland Stromerzeugungskapazitäten<br />
(brutto) von ca. 150.000 MW installiert. Diese Kapazität<br />
steht jedoch nicht jederzeit vollumfänglich zur Verfügung.<br />
Zudem müssen Abschläge für (außer-)planmäßige<br />
Betriebsstillstände, Revisionen und sonstige Nichtverfügbarkeiten<br />
vorgenommen werden. Schließlich ist für das<br />
gesamte deutsche Übertragungsnetz eine Regelleistung<br />
zum kurzfristigsten Ausgleich volatiler Einspeisungen aus<br />
erneuerbaren Quellen zu berücksichtigen. Die verschiedenen,<br />
zur Stromerzeugung genutzten Energieträger bzw.<br />
die installierten Erzeugungskapazitäten tragen in höchst<br />
unterschiedlicher Weise zur gesicherten Leistung bei 1 :<br />
Gesicherte Leistung<br />
Energieträger<br />
einer Erzeugungseinheit<br />
Kernkraftwerk 93 %<br />
Braunkohlekraftwerk 92 %<br />
Geothermie 90 %<br />
Biomasse 88 %<br />
Steinkohlekraftwerk 86 %<br />
Kombi-Anlage (Gas, Öl) 86 %<br />
Gasturbinen 42 %<br />
Laufwasserkraftwerke 40 %<br />
Windenergie 5-10 %<br />
Photovoltaik 1 %<br />
1<br />
Quelle: Deutsche Netzagentur „Kurzanalyse der Kraftwerksplanung in<br />
Deutschland bis 2020“<br />
Auf der Basis langjähriger statistischer Betrachtungen<br />
ergibt sich zurzeit eine gesicherte Leistung von rund<br />
90.000 MW im Netz der öffentlichen Versorgung. Erzeugungskapazitäten<br />
der Bahn AG und die industrielle Eigenerzeugung<br />
bleiben dabei unberücksichtigt, soweit sie<br />
nicht mit dem öffentlichen Netz verbunden sind. Dieser<br />
gesicherten Leistung stand im letzten Jahr eine kurzfristige<br />
Lastspitze von rund 80.000 MW verbraucherseitig<br />
gegenüber. Im Ergebnis besteht derzeit in Deutschland<br />
somit eine Kapazitätsreserve von rund 10.000 MW. Durch<br />
die vom Netz genommenen acht Kernkraftwerke wurde<br />
die Kraftwerksleistung in Deutschland um 8.422 MW reduziert.<br />
Somit verbleiben noch gut 81.000 MW gesicherte<br />
Erzeugungsleistung, um eine Höchstlast von rund 80.000<br />
MW zu decken. Der ursprüngliche Sicherheitspuffer<br />
wurde damit etwa auf die installierte Leistung eines modernen<br />
Steinkohle- oder Braunkohleblockes reduziert.<br />
In mehrmals aktualisierten Berichten hat die Bundesnetzagentur<br />
(BNetzA) im Zeitraum April bis Ende August<br />
2011 die Auswirkungen der Energiewende, insbesondere<br />
des endgültigen Abschaltens von acht Kernkraftwerken<br />
auf die Übertragungsnetze und die Versorgungssicherheit<br />
untersucht.<br />
!<br />
Reservekraftwerk: In ihrem jüngsten „Bericht zur Notwendigkeit<br />
eines Reservekernkraftwerks im Sinne der Neuregelungen des Atomgesetzes“<br />
kommt die Bundesnetzagentur zu der Kernaussage, dass die<br />
Bereithaltung eines Kernkraftwerks als „Kaltreserve“ zur Aufrechterhaltung<br />
der Netzsicherheit und Netzstabilität in Deutschland nicht<br />
notwendig ist. Die Bundesnetzagentur hat stattdessen ein altes Kohlekraftwerk<br />
in Mannheim als Kaltreserve für Versorgungsengpässe im<br />
Winter benannt. Die Notwendigkeit einer solchen Kaltreserve zeigt<br />
bereits, dass die Reserven in der Versorgung nicht groß sind. Nach<br />
Auffassung der BNetzA sind Netzsicherheit und Netzstabilität in<br />
Deutschland gegeben, wenn sowohl gewisse Reservekapazitäten<br />
(Kaltreserven und Redispatch) in den nächsten zwei Jahren gegeben<br />
und vorgehalten werden als auch Kraftwerksneubauten wie geplant ans<br />
Netz gehen und erforderliche Netzausbaumaßnahmen durchgeführt<br />
werden. Weitere Voraussetzung zum Erhalt der Systemstabilität ist<br />
aber auch der weiterhin engagierte Ausbau der erneuerbaren Energien,<br />
auch wenn ihr Beitrag zur „gesicherten Leistung“ naturgegeben eher<br />
gering anzusetzen ist.<br />
Insgesamt kommt die Bundesnetzagentur dabei zu dem<br />
Ergebnis, dass die Versorgungssicherheit in Deutschland<br />
gegenwärtig nicht gefährdet ist, jedoch die Spannungshaltung<br />
im südwestdeutschen Raum und im Hamburger<br />
Raum nur mit gezielten Maßnahmen sichergestellt werden<br />
kann. Als besonders dringend bezeichnet die BNetzA<br />
weiterhin u.a. den Ausbau der Hochspannungsleitung<br />
Hamburg – Schwerin. Darüber hinaus ebenso dringend<br />
ist die Inbetriebnahme des Steinkohlekraftwerks Moorburg<br />
in Hamburg, um den Entfall norddeutscher Kernkraftkapazitäten<br />
zu kompensieren. Dies verdeutlicht,<br />
dass großräumige Versorgungssicherheit nicht nur von<br />
der bedarfsgerechten Stromerzeugung, sondern ebenso<br />
von hinreichenden Übertragungskapazitäten abhängt,<br />
insbesondere, da die örtlichen Zentren von Stromerzeugung<br />
und -verbrauch künftig deutlich auseinanderrücken<br />
werden.<br />
Längerfristig sieht die BNetzA allerdings Gefahren für die<br />
Netzsicherheit und Netzstabilität, wenn sich die Inbetrieb -<br />
nahme der in Bau befindlichen Kraftwerke weiter verzögert.<br />
Genannt wird insbesondere die T-24-Problematik.