Bildungssituation und Bildungsverhalten migrantischer Gruppen in ...

ein. Bildungspolitisch wäre wichtig, auch sie in den Stand zu versetzen, das Potential ihrer
Kinder und das Schulsystem besser einschätzen zu können“. 78
Unter theoretischen Gesichtpunkten lässt sich das als die Ablösung verbliebener
postfigurativer Verhaltensmuster durch kofigurative Muster interpretieren, die von Margaret
Mead in ihrer Forschungsarbeit entdeckt und als theoretische Begrifflichkeit entwickelt
wurden. 79 Mead geht davon aus, hier vereinfacht dargestellt, dass in Gesellschaften mit einem
stark ausgeprägten postfigurativen Muster Wandlungsprozesse sehr langsam vor sich gehen.
Dementsprechend erscheint es rational, wenn die älteren Generationen ihre Erfahrung in
Gänze den folgenden „postfigurativ“ vermitteln können. Demgegenüber muss in
kofigurativen Kulturen ein rascherer gesellschaftlicher Wandel schon von den älteren wie von
den jüngeren Generationen wahrgenommen und darauf zeitnah reagiert werden. Insofern
kommt es zu „kofigurativen“ Lernprozessen auch der Eltern von Kindern, was zu Konflikten
der erwähnten Art führen kann. In präfigurierten Kulturen, und von solchen kann man in der
heutigen Zeit sprechen, stellt die Dynamik des gesellschaftlichen Wandels alle
Gesellschaftsmitglieder vor die Notwendigkeit, bereits künftige Entwicklungen zu
antizipieren. Auf die Zukunft orientiert lernen „präfigurativ“ alle voneinander, vereinfacht
gesagt, und zwar ohne dass man genau wissen könnte, was geschehen wird. Das hat nach
Margaret Mead, die das Mitte der 1970-er Jahre mit der Perspektive einer entstehenden
„Weltgemeinschaft“ schrieb, zwei Folgen. Erstens sei anzuerkennen, „dass die Wege, die uns
in die Gegenwart geführt haben, nicht mehr gangbar sind und nie wieder begehbar sein
werden. Die Vergangenheit ist die Straße, auf der wir den Punkt erreicht haben, an dem wir
stehen“. 80 Der für unsere zeitgenössische Zivilisation unentbehrliche Fundus an Wissen,
Techniken und Werkzeugen wurde aus älteren Kulturformen bezogen, braucht und darf sogar
nicht vergessen werden. Weil heute alle Völker zeitgleich aus der Vergangenheit in die „neue
Weltgesellschaft“ eintreten, ist ihr Wissens- und Erfahrungsschatz einerseits nur Vorläufer
von etwas Neuem, genauso aber unentbehrlich um dieses Neue zu finden und zu gestalten.
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Die Schicht zählt, Kai Maaz über den Sinn von Empfehlungen bei der Schulwahl, Interview, Frankfurter
Rundschau, S. 12 Wissen & Bildung, Montag 1. Februar 2010, 66. Jahrgang, Nr. 26.
Mead, Margaret (2006) Der Konflikt der Generationen – Jugend ohne Vorbild, S. 115, Eschborn bei
Frankfurt a. M.
Mead, Margaret (2006) Der Konflikt der Generationen – Jugend ohne Vorbild, S. 126 – 127, Eschborn bei
Frankfurt a. M.
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