Einsicht-13
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Aus dem Institut<br />
Neues Forschungsprojekt<br />
Opferzeugen in<br />
NS-Prozessen – eine<br />
Analyse ihrer wechselhaften<br />
Rolle in sechzig<br />
Jahren Bundesrepublik<br />
Mit dem von der Deutschen<br />
Forschungsgemeinschaft<br />
geförderten Projekt soll in einer zweibändigen<br />
Monographie die Rolle der ehemaligen<br />
NS-Verfolgten bei der juristischen Aufarbeitung<br />
der NS-Verbrechen in der Bundesrepublik<br />
systematisch untersucht werden.<br />
Am Beispiel der Prozesse zu den Verbrechen<br />
im Konzentrations- und Vernichtungslager<br />
Auschwitz und im Vernichtungslager Sobibór<br />
soll über einen Zeitraum von sechzig<br />
Jahren nachvollzogen werden, welche Bedeutung<br />
die NS-Verfolgten als Opferzeugen<br />
für die Strafverfolgung hatten und wie sie<br />
selbst ihre Rolle wahrnahmen. Für die Auswahl<br />
der Tatkomplexe ist von Bedeutung,<br />
dass die Opferzeugen aus Auschwitz heterogene<br />
Verfolgtengruppen umfassten, die<br />
wenigen Opferzeugen aus Sobibór jedoch<br />
alle Juden waren. Das Projekt soll zeigen,<br />
welche Rolle diese Tatsache in den Prozessen<br />
spielte.<br />
Die beiden Projektbearbeiterinnen<br />
untersuchen die Figur des Opferzeugen in<br />
ihrem juristischen Rahmen zwischen 1950<br />
und 2011. Dabei wird der Verfahrensverlauf<br />
von der ersten Zeugensuche, den Vernehmungen<br />
der meist ausländischen Zeugen<br />
in ihren Heimatländern, den Auftritten von<br />
Zeugen vor Gericht und der Würdigung<br />
ihrer Aussagen in den Urteilsbegründungen<br />
nachvollzogen und in den jeweiligen<br />
zeithistorischen Kontext gestellt. Im Fokus<br />
stehen gleichermaßen der Umgang mit den<br />
Opferzeugen in den Verfahren wie deren<br />
eigene Intentionen, Handlungsweisen und<br />
Erfahrungen. Die Zeitspanne umfasst unterschiedlich<br />
intensive Phasen der juristischen<br />
Aufarbeitung der NS-Verbrechen, divergierende<br />
strafrechtliche Auffassungen zur<br />
Beurteilung der einzelnen Taten sowie<br />
ein wachsendes historisches Wissen über<br />
die Verbrechen in den einzelnen Lagern.<br />
Schließlich ist ein gesellschaftlicher Bedeutungswandel<br />
der Zeugenschaft der Überlebenden<br />
vom juristischen Beweismittel hin<br />
zur Zeitzeugenschaft zu berücksichtigen.<br />
Die Prozesse waren begleitet von einem<br />
unterschiedlich großen öffentlichen Interesse,<br />
das, so eine These, wiederum auf die<br />
Rechtsfindung zurückwirkte.<br />
In einer Detailanalyse soll exemplarisch<br />
aufgezeigt werden, wie die Kommunikation<br />
zwischen Opferzeugen und Justizangehörigen<br />
ablief, welche Folgen das für die Strafverfolgung<br />
hatte und wie sie sich veränderte.<br />
Wesentlichen Einfluss auf die Benennung<br />
der Zeugen nahmen die Opferverbände und<br />
die jüdischen Organisationen. Auch ihrer<br />
Rolle soll im Rahmen des Projektes nachgegangen<br />
werden. Ziel der vergleichenden<br />
Studie ist es, auch die Verfolgten selbst als<br />
eine Gruppe heterogener Personen mit unterschiedlichen<br />
Interessen ins Zentrum der<br />
Betrachtung zu rücken.<br />
Das umfangreiche Quellenmaterial findet<br />
sich vor allem in den Ermittlungs- und<br />
Prozessakten zu den insgesamt 18 Einzelverfahren,<br />
in Protokollen, Tonbandaufzeichnungen,<br />
Korrespondenzen zwischen<br />
den Justizangehörigen und den Zeugen sowie<br />
zwischen den Interessengruppen und<br />
den Zeugen. Darüber hinaus werden die<br />
Akten beteiligter Bundesbehörden wie des<br />
Auswärtigen Amtes und des Bundespresseamtes,<br />
aber auch der Justizministerien der<br />
betroffenen Bundesländer einbezogen.<br />
Projektteam<br />
› Dagi Knellessen, Berlin<br />
› Dr. Katharina Stengel, Frankfurt am Main<br />
Aus dem Institut<br />
Fortsetzung des<br />
Forschungsprojekts<br />
Jüdische Diskussionen im<br />
Exil in den zwanziger<br />
Jahren: Die Pogrome<br />
1918–1921 und der<br />
»jüdische Bolschewismus«<br />
Seit Februar 2015 setzt<br />
Dr. Christoph Dieckmann<br />
seine bereits im September 2011 am Fritz<br />
Bauer Institut begonnene und Ende August<br />
20<strong>13</strong> für eineinhalb Jahre ausgesetzte Arbeit<br />
im Rahmen des Forschungsprojekts »Jüdische<br />
Diskussionen im Exil in den zwanziger<br />
Jahren: Die Pogrome 1918–1921 und<br />
der ›jüdische Bolschewismus‹« fort. Das<br />
Projekt ist auf ein weiteres Jahr ausgelegt<br />
und wird gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft<br />
(DFG).<br />
Dr. Christoph Dieckmann studierte Geschichte,<br />
Soziologie und Volkswirtschaftslehre<br />
in Göttingen, Jerusalem, Hamburg,<br />
und Freiburg. Von 2005 bis 2014 war er<br />
Lecturer für moderne europäische Geschichte<br />
an der Keele University in Großbritannien.<br />
Er ist Mitglied der Redaktion<br />
der Beiträge zur Geschichte des Nationalsozialismus<br />
und gehört der Forscher- und<br />
Expertengruppe der »Internationalen Kommission<br />
für die Bewertung der Verbrechen<br />
der nationalsozialistischen und sowjetischen<br />
Besatzungsregime in Litauen« an.<br />
Seine umfassende zweibändige Dissertation<br />
Deutsche Besatzungspolitik in Litauern<br />
1941–1944 erschien 2011 im Wallstein<br />
Verlag und wurde 2012 mit dem Yad Vashem<br />
International Book Prize for Holocaust<br />
Research ausgezeichnet.<br />
Kontakt<br />
Dr. Christoph Dieckmann<br />
Fritz Bauer Institut<br />
Tel.: 069.798 322-31<br />
c.dieckmann@fritz-bauer-institut.de<br />
Aus dem Institut<br />
Neue wissenschaftliche<br />
Mitarbeiterin<br />
Jenny Hestermann<br />
Seit Januar 2015 arbeitet<br />
Jenny Hestermann als wissenschaftliche<br />
Mitarbeiterin im Rahmen des<br />
Forschungsprojekts »Deutsch-israelische<br />
Beziehungen in den Geisteswissenschaften<br />
zwischen 1970 und 2000. Studie zu Wissenschaft<br />
und Bilateralität« am Fritz Bauer<br />
Institut. (siehe Seite 97)<br />
Jenny Hestermann, geboren 1982 in Bremen,<br />
hat Soziologie, Geschichte und Religionswissenschaft<br />
an der Universität Bremen<br />
studiert. Seit 2010 ist sie Doktorandin am<br />
Zentrum für Antisemitismusforschung an<br />
der TU Berlin und arbeitet an ihrem Dissertationsprojekt<br />
»Hinter den Kulissen. Reisen<br />
deutscher Politiker nach Israel 1957–1984«.<br />
2010–20<strong>13</strong> Forschungsaufenthalt an der Hebräischen<br />
Universität Jerusalem, gefördert<br />
vom Leo Back Fellowship, dem Deutschen<br />
Akademischen Austauschdienst DAAD und<br />
der Studienstiftung des deutschen Volkes.<br />
Ihre Forschungsinteressen sind die deutsche<br />
Geschichte des 20. Jahrhunderts, deutschjüdische<br />
Geschichte und Kulturgeschichte<br />
der Diplomatie.<br />
Kontakt<br />
Jenny Hestermann<br />
Fritz Bauer Institut<br />
Tel.: 069.798 322-32<br />
j.hestermann@fritz-bauer-institut.de<br />
Aus dem Institut<br />
Relaunch der<br />
Online-Datenbank<br />
»Cinematographie des<br />
Holocaust« – Dokumentation<br />
und Nachweis von<br />
fi lmischen Zeugnissen<br />
www.cine-holocaust.de<br />
Die filmografische Datenbank<br />
»Cinematographie des<br />
Holocaust« war bedingt durch eine unangekündigte<br />
Geschäftsaufgabe unseres Providers<br />
für einige Monate offline. Den vielen<br />
Nachfragen der Datenbanknutzer, wann die<br />
Website wieder verfügbar sei, konnten wir<br />
entnehmen, welche Bedeutung die unter der<br />
Leitung unseres zu früh verstorbenen Kollegen<br />
Ronny Loewy entwickelte Cinematographie<br />
des Holocaust auch weiterhin für ein interessiertes<br />
und kundiges Fachpublikum hat.<br />
Die bereits 1999 online gestellte Website<br />
ließ sich nicht ohne Anpassung an aktuelle<br />
Webtechnik auf einen neuen Server überführen.<br />
Unser Programmierer Detlev Balzer hat<br />
eine überarbeitete Version mit erweiterten<br />
Suchmöglichkeiten und neuer Benutzeroberfläche<br />
in Arbeit. Eine Vorabversion der<br />
Datenbank mit den gewohnten Inhalten, aber<br />
noch eingeschränkter Funktionalität wird Anfang<br />
April freigeschaltet. Der Relaunch der<br />
komplett überarbeiteten Online-Datenbank<br />
soll so bald wie möglich folgen.<br />
Zur filmografischen Datenbank<br />
Die in der elektronischen Filmbibliothek<br />
gesammelten Nachweise erschließen einen<br />
äußerst heterogenen und disparaten Materialkorpus<br />
unter thematischen Gesichtspunkten.<br />
Alle für filmgeschichtliche und<br />
zeitgeschichtliche Forschungen relevanten<br />
filmografischen Informationen und Aspekte<br />
werden in diesem Informationssystem erfasst:<br />
Dies schließt auch die Verzeichnung<br />
bzw. Sicherung rezeptionsgeschichtlich bedeutsamer<br />
Quellen ein.<br />
Die Daten- und Texterfassung erfolgt<br />
in einem relationalen Datenbanksystem, das<br />
Filmtitel, Personennamen, Körperschaftsund<br />
Firmennamen sowie Literaturhinweise<br />
verknüpft. Alle diese Daten sind zweisprachig<br />
– Englisch und Deutsch – abzurufen<br />
und können in differenzierten Informationszusammenstellungen<br />
dargestellt werden.<br />
Im Bewusstsein, dass die Provenienz<br />
des filmischen Materials und die möglichst<br />
präzise Kenntnis seines Entstehungsprozesses<br />
ein entscheidendes Kriterium für die<br />
Bewertung seiner Authentizität als Bildquelle<br />
sind, sieht das Verknüpfungssystem der<br />
Datenbank vor, den genetischen Prozess der<br />
kompilierenden Verwendung und Wiederverwendung<br />
von Filmaufnahmen zurückzuverfolgen.<br />
Basisdaten für diese Rechercheziele<br />
können die in der Grundstruktur<br />
der Datenbank angelegten Beziehungen<br />
von Filmen zu Filmen liefern. Die detaillierte<br />
Aufnahme insbesondere der filmischen<br />
Primärquellen, die in das oft sekundär und<br />
tertiär kompilierte Filmmaterial eingehen,<br />
liefert auch das Instrumentarium für Erhebungen<br />
zu Bildkonjunkturen und deren<br />
Ikonographien.<br />
Zum Projekt<br />
1992 begannen unter Federführung des<br />
Fritz Bauer Instituts Filmarchivare, Filmhistoriker<br />
und Holocaust-Forscher in Zusammenarbeit<br />
mit CineGraph e.V., Hamburgisches<br />
Centrum für Filmforschung,<br />
dem Deutschen Filminstitut – DIF und<br />
dem Deutschen Filmmuseum in Frankfurt<br />
am Main mit der Erschließung und<br />
Dokumentation des Zentralbestands von<br />
Filmen zur Geschichte und Wirkung des<br />
Holocaust. Das Projekt wurde unterstützt<br />
vom Bundesarchiv – Filmarchiv, Berlin und<br />
dem Steven Spielberg Jewish Film Archive,<br />
Jerusalem; gefördert von der Hoechst AG/<br />
Aventis Pharma, Frankfurt am Main und der<br />
DEFA Stiftung, Berlin.<br />
Weitere Informationen zum Projekt<br />
»Cinematographie des Holocaust« unter:<br />
www.fritz-bauer-institut.de/cine-holocaust.<br />
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98 Nachrichten und Berichte<br />
<strong>Einsicht</strong> <strong>13</strong> Frühjahr 2015 99